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Ich schlug die Augen nieder, verschränkte die Finger.

«Sie haben schon sehr viel für Ihren Cousin getan«, sagte Frost.»Mehr kann er nicht verlangen.«

Ich lächelte schief und stand auf.»Ich werde ihn besuchen«, sagte ich.

Wall gab mir die Hand, und Frost kam mit mir hinaus zur Straße. Lampen leuchteten hell im frühen Winterabend.

«Inoffiziell«, begann er, während er langsam auf dem Gehsteig neben mir herging,»will ich Ihnen sagen, daß die Melbourner Polizei in der Galerie eine Liste mit den Namen einschlägig bekannter Einbrecher sichergestellt hat. Aufgeteilt nach Ländern, wie die Überseekundschaft. Vier Engländer waren dabei. Wahrscheinlich sollte ich darüber nicht spekulieren, und bestimmt sollte ich Ihnen das jetzt nicht sagen, aber es könnte durchaus sein, daß der Mörder von Mrs. Stuart darunter zu suchen ist.«

«Glauben Sie?«

«Ja. Aber behalten Sie das für sich. «Er sah besorgt aus.

«Sie haben mein Wort«, sagte ich.»Die Einbrüche sind also von Inländern verübt worden?«

«Das war offenbar das übliche Verfahren.«

Greene, dachte ich. Mit >e<. Greene konnte sie angeworben haben. Um nach getaner Arbeit dann die Brandruinen zu inspizieren.

Ich blieb stehen. Wir waren vor dem Blumengeschäft, in dem Regina gearbeitet hatte. Frost betrachtete die großen, bronzefarbenen Chrysanthemen im hell erleuchteten

Schaufenster und sah mich fragend an.

Ich griff in meine Tasche und zog die sechs Patronenhülsen hervor. Gab sie Frost.

«Die sind aus dem Revolver, mit dem der Mann namens Greene auf mich geschossen hat«, sagte ich.»Er hat sie beim Nachladen verloren. Ich habe Ihnen am Telefon davon erzählt.«

Er nickte.

«Wahrscheinlich läßt sich nicht viel damit anfangen«, sagte ich.»Aber immerhin ersehen Sie daraus, daß Greene imstande ist zu morden.«

«Und weiter?«

«Es ist nur so ein Gefühl…«

«Heraus damit.«

«Greene«, sagte ich,»war um die Zeit, als Regina starb, in England.«

Er starrte mich an.

«Vielleicht kannte Regina ihn«, sagte ich.»Sie war ja mit in der Galerie in Australien. Vielleicht hat sie ihn unter den Einbrechern in ihrem Haus gesehen… er könnte den Ablauf überwacht haben… und vielleicht wurde sie umgebracht, weil es eben nicht genügt hätte, sie zu fesseln und zu knebeln — sie hätte ihn zweifelsfrei identifizieren können, wenn sie am Leben geblieben wäre.«

Er sah aus, als fiele ihm das Atmen schwer.

«Das sind reine… Vermutungen«, sagte er.

«Ich weiß genau, daß Greene zwei Wochen nach Reginas Tod in England war. Ich weiß genau, daß er in den Verkauf und den anschließenden Diebstahl von Gemälden verwickelt war. Ich weiß genau, daß er nicht davor zurückschreckt, jemand umzubringen, der ihn überführen könnte. Alles weitere… liegt bei Ihnen.«

«Mein Gott«, sagte Frost.»Mein Gott.«

Ich ging weiter in Richtung Bushaltestelle. Er blieb mit glasigem Blick neben mir.

«Uns würde interessieren«, sagte er,»was Sie überhaupt auf die Spur der Organisation gebracht hat.«

Ich lächelte.»Ein heißer Tip.«

«Von wem?«

Von einer Schmugglerin in scharlachrotem Mantel, mit glanzgelacktem Haar und Krokodilhandtasche.»Informanten gibt man nicht preis«, sagte ich.

Er seufzte, schüttelte den Kopf, blieb stehen und zog einen Telexstreifen aus dem Jackett.

«Kennen Sie einen australischen Kriminalbeamten namens Porter?«

«Allerdings.«

«Dann ist das hier für Sie. «Er gab mir das Blatt Papier, und ich las die säuberlich getippten Worte:

«Ich lasse dem Pinselschwinger danken.«

«Würden Sie ihm für mich antworten?«

Er nickte.»Und was?«

«>Kein Problem««, sagte ich.

Ich stand im Dunkeln vor dem Haus meines Cousins und schaute hinein.

Er saß im erleuchteten Wohnzimmer, der ungerahmten Regina auf dem Kaminsims gegenüber. Ich seufzte und klingelte an der Tür.

Nach einer Weile hörte ich Donald. Er öffnete mir.

«Charles!«rief er überrascht.»Ich dachte, du seist in Australien.«

«Seit gestern zurück.«

«Komm rein.«

Wir gingen in die Küche, wo es wenigstens warm war, und setzten uns einander gegenüber an den Tisch. Er war hager im Gesicht und sah wie fünfzig aus, der Schatten eines Mannes, der sich vom Leben zurückgezogen hat.

«Wie geht das Geschäft?«fragte ich.

«Geschäft?«

«Der Weinhandel.«»Ich war nicht im Büro.«

«Wenn deine finanzielle Lage nicht ohnehin schon kritisch war«, sagte ich,»dann wird sie es bald sein.«

«Das ist mir ziemlich egal.«

«Du bist stehengeblieben«, sagte ich.»Steckengeblieben wie die Nadel auf der Schallplatte. Die immer wieder das gleiche Ende spielt.«

Er sah an mir vorbei.

«Die Polizei weiß, daß du mit dem Einbruchsdiebstahl nichts zu tun hattest.«

Er nickte langsam.»Dieser Wall war da… und hat es mir gesagt. Heute morgen.«

«Na siehst du.«

«Das ändert doch auch nichts.«

«Wegen Regina?«

Er gab keine Antwort.

«Du mußt damit aufhören, Donald«, sagte ich.»Sie ist tot. Seit fünf Wochen und drei Tagen ist sie tot. Möchtest du sie sehen?«

Er sah mich entsetzt an.»Nein! Natürlich nicht.«

«Dann hör auf, an ihren Leichnam zu denken.«

«Charles!«Er stand so heftig auf, daß er seinen Stuhl dabei umwarf. Sichtlich geschockt, schwankte er zwischen Zorn und Empörung.

«Sie liegt in einem Kühlfach«, sagte ich,»und du hättest sie gern in einer Kiste unter der kalten Erde. Wo ist da der Unterschied?«

«Verschwinde«, sagte er laut,»ich will davon nichts hören.«

«Du meinst, es geht dir um Regina«, sagte ich, ohne mich zu rühren,»aber du bist besessen von einem Haufen Mineralien. Diese… diese Hülle da in der Tiefkühlung ist nicht Regina. Die wahre Frau ist in deinem Kopf. In deiner Erinnerung. Du kannst sie nur am Leben erhalten, indem du an sie denkst. Da, in deinem Kopf, ist sie unsterblich. Wenn du dich dem Leben verweigerst, bringst du sie noch einmal um.«

Er drehte sich auf dem Absatz um und marschierte hinaus. Ich hörte ihn auf dem Flur und nahm an, er wollte ins Wohnzimmer.

Nach einer Weile folgte ich ihm. Die weiß gestrichene Tür war geschlossen.

Ich öffnete sie. Trat ins Zimmer.

«Geh weg«, sagte er.

Was nützt es dem Menschen, dachte ich, wenn er von Balkons geworfen, beschossen und von Felsen aufgespießt wird und doch die Seele seines Cousins nicht retten kann?

«Ich nehme das Bild mit nach London«, sagte ich. Bestürzung. Er sprang auf.»Das tust du nicht!«

«Doch.«

«Nein. Du hast es mir geschenkt.«

«Es muß gerahmt werden«, sagte ich.»Sonst verzieht es sich.«

«Du darfst es nicht mitnehmen.«

«Komm doch auch mit.«

«Ich kann hier nicht weg«, sagte er.

«Wieso nicht?«

«Werd nicht blöd«, fuhr er auf.»Du weißt genau, warum. Weil ich…«Seine Stimme erstarb.

«Regina wird bei dir sein, wohin du auch gehst«, sagte ich.»Wann immer du an sie denkst, wird sie dasein.«

Nichts.

«Sie ist nicht hier im Zimmer. Sie ist in deinem Kopf. Du kannst hier weggehen und sie mitnehmen.«

Nichts.

«Sie war eine tolle Frau. Es ist sicher schrecklich ohne sie. Aber sie hat verdient, daß du dein Bestes gibst.«

Nichts.

Ich ging zum Kamin hinüber und nahm das Bild vom Sims. Reginas Gesicht lächelte mich lebhaft an. Ihr linker Nasenflügel war mir nicht so ganz gelungen, fand ich.

Donald versuchte nicht, mich aufzuhalten.

Ich legte die Hand auf seinen Arm.

«Komm, wir holen deinen Wagen raus und fahren zu mir«, sagte ich.»Jetzt gleich.«