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»Nicht so wie du«, sagt Effie.

Was soll das heißen? Es heißt, dass ich den Vormittag damit verbringen werde, mir die Haare vom Körper reißen zu lassen, während Peeta ausschlafen kann. Ich hatte nicht groß darüber nachgedacht, aber in der Arena haben wenigstens einige der Jungs ihre Körperbehaarung behalten, von den Mädchen dagegen kein einziges. Jetzt erinnere ich mich an Peetas Behaarung, als ich ihn am Bach gewaschen habe. Sehr blond im Sonnenlicht, nachdem ich den Schlamm und das Blut erst einmal abgespült hatte. Nur sein Gesicht blieb vollkommen glatt. Nicht einer von den Jungs bekam einen Bart, obwohl viele alt genug waren. Ich frage mich, was sie wohl mit ihnen angestellt haben.

Wenn ich mich schon groggy fühle, so scheint mein Vorbereitungsteam in noch schlimmerer Verfassung zu sein. Sie stürzen den Kaffee hinunter und tauschen kleine bunte Pillen. Soweit ich weiß, stehen sie nie vor dem Mittag auf, es sei denn, es gibt eine Art nationalen Notstand, wie zum Beispiel meine behaarten Beine. Ich war so froh, als die Haare wieder wuchsen. Als wären sie ein Zeichen dafür, dass alles wieder wie immer werden könnte. Ich streiche mit den Fingern über den weichen, gekräuselten Flaum auf meinen Beinen und überlasse mich dem Team. Keiner von ihnen ist zu dem üblichen Geplapper aufgelegt, deshalb höre ich, wie jedes einzelne Härchen herausgerissen wird. Ich muss mich in einer Wanne mit einer dicken, unangenehm riechenden Lotion baden, während mein Gesicht und meine Haare mit Cremes ein gekleistert werden. Dann zwei weitere Bäder mit anderen, nicht so ekelhaften Zusätzen. Ich werde gerupft und geschrubbt und massiert und gesalbt, bis ich mir vorkomme wie ein Hühnchen.

Flavius fasst mir mit einer Hand unters Kinn und seufzt. »Es ist ein Jammer, dass Cinna gesagt hat, bei dir darf nichts verändert werden.«

»Ja, wir könnten wirklich etwas Besonderes aus dir machen«, sagt Octavia.

»Wenn sie älter ist«, sagt Venia fast grimmig. »Dann muss er es erlauben.«

Was? Dass sie meine Lippen aufspritzen wie die von Präsident Snow? Mir die Brüste tätowieren? Meine Haut magenta färben und mir Edelsteine einsetzen? Mir Verzierungen ins Gesicht ritzen? Mir gebogene Krallen verpassen? Oder Schnurrhaare? All das und noch viel mehr habe ich bei verschiedenen Leuten im Kapitol gesehen. Wissen sie wirklich nicht, wie abgedreht das auf andere wirkt?

Die Vorstellung, den Geschmacksverirrungen meines Vorbereitungsteams ausgeliefert zu sein, ist nur eine weitere Sorge von vielen, die mich beschäftigen - mein geschundener Körper, Schlafmangel, die drohende Zwangsehe und der Horror, dass ich die Forderungen von Präsident Snow nicht werde erfüllen können. Als ich zum Mittagessen komme, wo Effie, Cinna, Portia, Haymitch und Peeta schon ohne mich angefangen haben, bin ich zu niedergeschlagen, um zu reden. Sie schwärmen vom Essen und davon, wie wunderbar sie im Zug schlafen können. Alle sind ganz aus dem Häuschen über die Tour der Sieger. Na ja, alle bis auf Haymitch. Er hat einen Kater und knabbert an einem Muffin. Ich habe auch keinen großen Hunger, entweder weil ich heute Morgen zu viel schweres Zeug in mich hineingestopft habe oder weil ich so unglücklich bin. Ich rühre in meiner Brühe herum und esse nur ein, zwei Löffel davon. Ich kann Peeta - meinen zukünftigen Mann - nicht einmal ansehen, obwohl ich weiß, dass er keine Schuld an alldem trägt.

Die anderen merken, dass etwas nicht stimmt, und versuchen mich ins Gespräch einzubeziehen, aber ich bin abweisend. Irgendwann hält der Zug. Unser Kellner berichtet uns, dass es diesmal nicht nur wegen Treibstoff ist - irgendein Zugteil ist defekt und muss ausgetauscht werden. Es wird mindestens eine Stunde dauern. Das bringt Effie in Rage. Sie holt ihren Plan heraus und berechnet, wie diese Verzögerung jedes Ereignis bis zum Ende unseres Lebens beeinflussen wird. Schließlich ertrage ich es nicht mehr, mir das anzuhören.

»Das interessiert doch keinen, Effie!«, sage ich schroff. Alle am Tisch starren mich an, sogar Haymitch, der doch auf meiner Seite sein müsste, weil Effie ihm auf die Nerven geht. Sofort fühle ich mich in die Enge getrieben. »Absolut keinen!«, sage ich, stehe auf und verlasse den Speisewagen.

Auf einmal kommt es mir stickig vor im Zug und mir ist regelrecht mulmig. Ich suche den Ausgang, mache die Tür gewaltsam auf - wobei ich irgendeinen Alarm auslöse, den ich ignoriere - und springe hinaus in der Erwartung, im Schnee zu landen. Doch die Luft fühlt sich warm und mild auf der Haut an. Die Bäume haben noch grüne Blätter. Wie weit südlich sind wir an einem Tag gereist? Ich laufe an den Schienen entlang, blinzele ins grelle Sonnenlicht und bereue schon, was ich zu Effie gesagt habe. Sie kann ich kaum dafür verantwortlich machen, dass ich in der Zwickmühle stecke. Eigentlich müsste ich zurückgehen und mich entschuldigen. Mein Ausbruch war der Gipfel an schlechtem Benehmen und gutes Benehmen ist für Effie sehr wichtig. Doch meine Füße gehen weiter am Gleis entlang, am Ende des Zuges vorbei und immer noch weiter. Eine Stunde Verspätung. Ich kann mindestens zwanzig Minuten in eine Richtung gehen und wieder zurück, dann habe ich trotzdem noch reichlich Zeit. Aber nach ein paar Hundert Metern lasse ich mich auf dem Boden nieder, bleibe dort sitzen und schaue in die Ferne. Wenn ich Pfeil und Bogen hätte, würde ich dann einfach weitergehen?

Nach einer Weile höre ich hinter mir Schritte. Bestimmt Haymitch, der mich zusammenstauchen will. Nicht, dass ich es nicht verdient hätte, aber ich will es trotzdem nicht hören. »Ich bin nicht in der Stimmung für eine Lektion«, sage ich warnend zu dem Gras vor meinen Füßen.

»Ich versuche es kurz zu machen.« Peeta setzt sich neben mich.

»Ich dachte, du wärst Haymitch«, sage ich.

»Nein, der kämpft immer noch mit seinem Muffin.« Ich sehe, wie Peeta seine Prothese in die richtige Position bringt. »Schlechter Tag, was?«

»Es ist nichts«, sage ich.

Er holt tief Luft. »Hör mal, Katniss, ich wollte schon länger mit dir darüber reden, wie ich mich im Zug benommen hab. Ich meine, im letzten Zug - der, mit dem wir nach Hause gefahren sind. Ich wusste, dass zwischen Gale und dir etwas war. Ich war schon eifersüchtig auf ihn, bevor ich dich überhaupt offiziell kennenlernte. Und es war unfair, dich auf das festzunageln, was in den Spielen passiert ist. Das tut mir leid.«

Seine Entschuldigung überrumpelt mich. Es stimmt, dass er mir die kalte Schulter gezeigt hat, nachdem ich ihm gestand, dass ich ihm in der Arena etwas vorgespielt hatte. Aber das werfe ich ihm nicht vor. In der Arena habe ich auf Teufel komm raus den Liebesengel gespielt. Es gab Momente, in denen ich mir nicht sicher war, was ich für ihn empfand. Ich bin mir immer noch nicht so ganz sicher.

»Mir tut es auch leid«, sage ich. Ich weiß nicht so recht, was mir eigentlich leidtut. Vielleicht, dass ich ihn jetzt möglicherweise wirklich zerstören werde.

»Dir braucht überhaupt nichts leidzutun. Du hast nur versucht, uns beiden das Leben zu retten. Aber ich will nicht, dass wir so weitermachen - dass wir uns im richtigen Leben ignorieren und uns dann zusammen in den Schnee fallen lassen, sobald eine Kamera in der Nähe ist. Ich hab mir gedacht, wenn ich nicht mehr so, hm, verletzt bin, dann könnten wir doch versuchen, einfach Freunde zu werden«, sagt er.

Wie es aussieht, sind alle meine Freunde zum Sterben verdammt, aber wenn ich Peeta zurückweise, rettet ihn das auch nicht. »Gut«, sage ich. Nach seinem Angebot geht es mir schon besser. Ich komme mir nicht mehr so verlogen vor. Es wäre schön gewesen, wenn er damit früher herausgerückt wäre - bevor ich erfuhr, dass Präsident Snow anderes im Sinn hat, und die Möglichkeit, einfach Freunde zu sein, zunichtegemacht wurde. Doch zumindest freue ich mich, dass wir wieder miteinander reden.

»Also, was ist los?«, fragt er.

Ich kann es ihm nicht sagen. Ich zupfe am Unkraut.

»Dann fangen wir mit was Einfacherem an. Ist es nicht komisch, dass ich weiß, du würdest dein Leben für mich aufs Spiel setzen … aber deine Lieblingsfarbe nicht kenne?«, sagt er.