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»Und womit lässt du dir dann das Vergnügen deiner Gesellschaft vergüten?«, frage ich.

»Mit Geheimnissen«, sagt er sanft. Er neigt den Kopf nach vorn, sodass sich unsere Lippen fast berühren. »Was ist eigentlich mit dir, Mädchen in Flammen? Hast du irgendwelche Geheimnisse, die meine Zeit wert wären?«

Aus irgendeinem albernen Grund werde ich rot, aber ich zwinge mich, nicht zurückzuweichen. »Nein, ich bin ein offenes Buch«, flüstere ich zurück. »Anscheinend glaubt jeder, meine Geheimnisse zu kennen, bevor ich selbst sie kenne.«

Er lächelt. »So leid es mir tut - aber ich glaube, das stimmt.« Sein Blick zuckt zur Seite. »Da kommt Peeta. Schade, dass ihr eure Hochzeit abblasen müsst. Ich weiß, wie niederschmetternd das für dich sein muss.« Er wirft sich noch einen Zuckerwürfel in den Mund und schlendert davon.

Peeta stellt sich neben mich, er ist genauso gekleidet wie ich. »Was wollte der denn?«, fragt er.

Ich drehe mich um, bringe meine Lippen ganz nah an Peetas und senke die Lider genau wie Finnick. »Er hat mir Zucker angeboten und wollte alle meine Geheimnisse erfahren«, sage ich, so verführerisch ich kann.

Peeta lacht. »Igitt. Das gibt’s doch nicht.«

»Oh doch«, antworte ich. »Den Rest erzähl ich dir, wenn die Gänsehaut weg ist.«

»Meinst du, wenn nur einer von uns beiden gewonnen hätte, wären wir auch so geendet?«, fragt er und wirft einen Blick auf die anderen Sieger. »Als Teil dieser Freakshowr?«

»Na klar. Vor allem du«, sage ich.

»Ach, und warum vor allem ich?«, fragt er und lächelt.

»Weil du eine Schwäche für die schönen Dinge hast und ich nicht«, sage ich mit einem Anflug von Überlegenheit. »Wenn sie dich mit der Lebensart des Kapitols locken würden, wärst du vollkommen verloren.«

»Einen Sinn für Schönheit zu haben, ist doch keine Schwäche«, sagt Peeta. »Außer vielleicht, was dich betrifft.« Die Musik beginnt, die großen Tore öffnen sich für den ersten Wagen, die Menge tobt. »Wollen wir?« Er reicht mir die Hand und hilft mir auf den Wagen.

Ich klettere hinauf und ziehe ihn nach. »Halt still«, sage ich und richte seine Krone. »Hast du deinen Overall in eingeschaltetem Zustand gesehen? Wir werden wieder fantastisch aussehen.«

»Und ob. Portia sagt, wir sollen diesmal über allem stehen. Kein Winken oder so was«, sagt er. »Wo stecken die beiden eigentlich?«

»Ich weiß nicht.« Ich suche die Prozession der Wagen ab. »Vielleicht sollten wir uns lieber selbst einschalten.« Das tun wir, und sobald wir aufleuchten, deuten die anderen auf uns und fangen an zu tuscheln. Ich weiß, dass wir auch diesmal das Gesprächsthema Nummer eins der Eröffnungsfeier sein werden. Wir sind fast am Tor. Ich recke den Hals, doch weder Portia noch Cinna, die voriges Jahr bis zur letzten Sekunde bei uns waren, sind irgendwo zu sehen. »Sollen wir dieses Jahr auch Händchen halten?«, frage ich.

»Ich glaube, das wollen sie uns überlassen«, sagt Peeta.

Ich schaue in diese blauen Augen, die kein noch so dramatisches Make-up gefährlich erscheinen lassen kann, und denke daran, dass ich noch vor einem Jahr bereit war, ihn zu töten. Weil ich überzeugt war, dass er versuchen würde, mich zu töten. Nun ist es genau umgekehrt. Ich bin entschlossen, ihn zu retten, und ich weiß, dass es mich mein eigenes Leben kosten wird, aber der Teil von mir, der nicht so tapfer ist, wie ich es gern hätte, ist froh, dass jetzt Peeta neben mir steht und nicht Haymitch. Ohne weitere Diskussion finden sich unsere Hände. Keine Frage, wir werden uns dieser Sache gemeinsam stellen.

Als wir in die Abenddämmerung hinausrollen, bricht die Menge in Geschrei aus, aber keiner von uns beiden reagiert. Ich starre einfach auf einen Punkt in der Ferne und tue so, als gäbe es keine Zuschauer, keine Hysterie. Unwillkürlich fällt mein Blick auf die riesigen Bildschirme entlang der Strecke und ich erhasche ein paar Bilder von uns: Wir sind nicht nur schön, wir sind düster, mächtig. Mehr noch. Das tragische Liebespaar aus Distrikt 12, das so viel gelitten hat und die Früchte des Sieges so wenig hat auskosten dürfen, sucht nicht nach der Gunst der Fans, schenkt ihnen kein Lächeln, fängt nicht ihre Küsse auf. Wir sind unversöhnlich.

Und ich genieße es. Endlich mal ich selbst sein.

Als wir in den Kreisverkehr des Zentralen Platzes einbiegen, stelle ich fest, dass ein paar von den anderen Stylisten Cinnas und Portias Idee geklaut und ihre Tribute beleuchtet haben. Die mit kleinen elektrischen Lämpchen übersäten Outfits aus Distrikt 3, wo Elektronik hergestellt wird, haben ja noch einen gewissen Sinn. Aber die Viehhüter aus Distrikt 10, die angezogen sind wie Kühe mit brennenden Gurten um den Bauch? Wollen die sich selbst grillen? Lächerlich.

Peeta und ich dagegen in unserem sich dauernd verändernden Kohle-Kostüm wirken so hypnotisierend, dass die meisten anderen Tribute uns nur anstarren. Besonders fasziniert ist offenbar das Paar aus Distrikt 6, von dem bekannt ist, dass sie Morfixer sind: beide klapperdürr und mit schlaffer gelblicher Haut. Sie können die übergroßen Augen gar nicht abwenden, selbst dann nicht, als Präsident Snow auf seinem Balkon zu reden beginnt und uns alle zum Jubel-Jubiläum willkommen heißt. Die Hymne erklingt, und während wir das letzte Stück fahren - irre ich mich? Oder starrt sogar der Präsident mich an?

Peeta und ich warten, bis die Tore des Trainingscenters sich wieder hinter uns geschlossen haben. Erst dann entspannen wir uns. Cinna und Portia erwarten uns, sie sind angetan von unserem Auftritt, und dieses Jahr ist sogar Haymitch erschienen, nur dass er nicht zu uns kommt, sondern am Wagen von Distrikt 11 steht. Ich sehe, wie er in unsere Richtung nickt, und dann kommen sie allesamt herüber, um uns zu begrüßen.

Chaff kenne ich vom Sehen, ich habe jahrelang im Fernsehen verfolgt, wie er sich mit Haymitch die Flasche teilt. Er ist dunkelhäutig, gut eins achtzig groß, und einer seiner Arme endet in einem Stumpf, weil er die dazugehörige Hand in den Hungerspielen verloren hat, die er vor dreißig Jahren gewann. Bestimmt hat man ihm künstlichen Ersatz angeboten wie Peeta, als dem der Unterschenkel amputiert werden musste, aber wie es aussieht, hat er abgelehnt.

Die Frau, Seeder, sieht mit ihrer olivfarbenen Haut und dem glatten schwarzen Haar mit den silbernen Strähnen fast aus, als stammte sie aus dem Saum. Nur ihre goldbraunen Augen verraten den fremden Distrikt. Sie dürfte um die sechzig sein, aber sie sieht immer noch stark aus, und nichts deutet darauf hin, dass sie sich über die Jahre in Alkohol oder Morfix oder sonst eine chemische Substanz geflüchtet hätte. Bevor einer von uns etwas sagen kann, umarmt sie mich. Wegen Rue und Thresh, denke ich. Ich kann mich nicht bremsen und flüstere: »Und was ist mit den Familien?«

»Sie leben«, erwidert sie sanft und lässt mich los.

Chaff schlingt seinen gesunden Arm um mich und drückt mir einen Schmatz direkt auf den Mund. Erschrocken zucke ich zurück, während er und Haymitch schallend loslachen.

Mehr Zeit bleibt uns nicht, denn die Bediensteten des Kapitols scheuchen uns in Richtung Aufzüge. Ich habe den Eindruck, dass ihnen eine solche Verbrüderung unter den Siegern nicht recht ist, aber denen ist das vollkommen egal. Während ich mich, immer noch Hand in Hand mit Peeta, auf den Weg zu den Aufzügen mache, pirscht sich noch jemand an mich heran, eine junge Frau, die ihre Kopfbedeckung aus Blätterzweigen abzieht und achtlos hinter sich wirft.

Johanna Mason. Aus Distrikt 7. Holz und Papier, deshalb das Geäst. Sie hat ihre Spiele gewonnen, indem sie sich sehr überzeugend als schwach und hilflos darstellte, sodass die anderen sie weitgehend ignorierten. Aber dann bewies sie ein gemeines Talent zum Morden. Sie fährt sich durchs dornige Haar und verdreht die weit auseinanderstehenden braunen Augen. »Ist das nicht ein grässliches Kostüm? Ich habe die dämlichste Stylistin des Kapitols. Seit vierzig Jahren staffiert sie unsere Tribute als Bäume aus. Ich hätte auch mal gern so einen wie Cinna. Du siehst fantastisch aus.«