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Ich nehme ein Tablett und gehe an den mit Essen beladenen Wagen entlang, die ringsum stehen. Beim Eintopf gesellt sich Peeta zu mir. »Wie läuft’s?«

»Gut. Prima. Die Sieger aus Distrikt 3 finde ich nett«, sage ich. »Wiress und Beetee.«

»Wirklich?«, fragt er. »Die anderen machen sich über sie lustig.«

»Wieso überrascht mich das nicht?«, sage ich. Ich erinnere mich daran, dass Peeta in der Schule immer mit einer Schar Freunde herumhing. Komisch, dass er mich überhaupt wahrgenommen hat außer als irgendwie merkwürdig.

»Johanna nennt sie nur Plus und Minus«, sagt er. »Ich glaube, Wiress ist Plus und Beetee ist Minus.«

»Aha, ich bin also blöd, weil ich glaube, dass sie nützlich sein können. Wegen irgendeines Spruchs, den Johanna Mason von sich gegeben hat, während sie ihre Brüste fürs Ringen eingeölt hat«, entgegne ich scharf.

»Ich glaube, ehrlich gesagt, diese Spitznamen tragen sie schon seit Jahren. Und ich hab’s nicht als Beleidigung gemeint. Ich gebe nur Informationen weiter«, sagt er.

»Wiress und Beetee sind schlau. Sie sind Erfinder. Sie erkennen mit bloßem Auge, dass zwischen uns und den Spielmachern ein Kraftfeld installiert wurde. Wenn wir schon Verbündete brauchen, dann möchte ich sie.« Ich werfe den Schöpflöffel zurück in den Topf und spritze uns beide mit Suppe voll.

»Wieso bist du so sauer?«, fragt Peeta, während er sich die Suppe vom T-Shirt wischt. »Weil ich dich im Aufzug geneckt habe? Das tut mir leid. Ich dachte, du würdest darüber lachen.«

»Vergiss es«, sage ich und schüttele den Kopf. »Es hat viele Gründe.«

»Darius«, sagt er.

»Darius. Die Spiele, Haymitch, der meint, wir mussten uns mit anderen verbünden«, sage ich.

»Wir beide allein ginge auch, das weißt du«, sagt er.

»Ich weiß. Vielleicht hat Haymitch ja auch recht«, sage ich. »Sag’s ihm bitte nicht weiter, aber was die Spiele anbelangt, hat er eigentlich immer recht.«

»Na ja, du kannst ja das letzte Wort haben, was unsere Verbündeten betrifft. Ich für meinen Teil gehe jetzt zu Chaff und Seeder«, sagt Peeta.

»Seeder ist genehmigt, Chaff nicht«, sage ich. »Zumindest noch nicht.«

»Komm und iss mit ihm. Ich verspreche, ich werde verhindern, dass er dich noch mal küsst«, sagt Peeta.

Beim Mittagessen macht Chaff gar keinen schlechten Eindruck. Er ist nüchtern. Er spricht zwar zu laut und reißt dauernd schlechte Witze, aber die meisten gehen auf seine Kosten. Ich begreife, warum er Haymitch mit seinen düsteren Gedanken guttut. Aber ich weiß noch nicht recht, ob ich bereit bin, mich mit ihm zu verbünden.

Ich bemühe mich, geselliger zu sein, nicht nur, was Chaff betrifft, sondern gegenüber der ganzen Gruppe. Nach dem Essen gehe ich an die Essbare-Insekten-Station, wo schon die Tribute aus Distrikt 8 stehen: Cecelia, die drei Kinder zu Hause hat, und Woof, ein alter Bursche, der schwerhörig ist und offenbar nicht recht weiß, worum es hier geht, denn er versucht, sich giftige Käfer in den Mund zu stopfen. Ich würde gern meine Begegnung mit Bonnie und Twill in den Wäldern erwähnen, aber ich weiß nicht, wie. Cashmere und Gloss, das Geschwisterpaar aus Distrikt 1, winken mich zu sich, und wir flechten eine Weile Hängematten. Die beiden sind höflich, aber kühl, und ich muss die ganze Zeit daran denken, wie ich letztes Jahr Glimmer und Marvel, die beiden Tribute aus ihrem Distrikt, getötet habe.

Wahrscheinlich kannten sie sie, vielleicht waren sie sogar ihre Mentoren. Sowohl meine Hängematte als auch mein Versuch, Kontakt herzustellen, gelingen mehr schlecht als recht. Ich gehe zu Enobaria beim Schwertkampf, wir wechseln ein paar Bemerkungen, doch es ist offensichtlich, dass sich keine mit der anderen verbünden will. Ich bekomme gerade Tipps zum Fischen, als Finnick wieder auftaucht, aber diesmal möchte er mir einfach nur Mags vorstellen, die ältere Frau, die wie er aus Distrikt 4 stammt. Wegen ihres Distriktakzents und ihrer brabbeligen Aussprache - vemudich hat sie einen Schlaganfall hinter sich - verstehe ich nur ein Viertel von dem, was sie sagt. Aber dafür kann sie buchstäblich aus allem Angelhaken herstellen - aus Dornen, dem Schlüsselbein eines Vogels, einem Ohrring. Nach einer Weile höre ich nicht mehr auf das, was der Trainer sagt, sondern versuche nur noch nachzumachen, was Mags tut. Als ich aus einem krummen Nagel einen ordentlichen Haken fabriziere und ihn an eine Schnur aus Strähnen meiner Haare binde, schenkt sie mir ein zahnloses Lächeln und einen unverständlichen Kommentar, möglicherweise ein Lob. Plötzlich fällt mir wieder ein, wie sie sich anstelle der hysterischen jungen Frau aus ihrem Distrikt freiwillig gemeldet hat. Bestimmt nicht, weil sie sich Chancen ausgerechnet hat, die Spiele zu gewinnen. Sie wollte das Mädchen retten, so wie ich mich letztes Jahr gemeldet habe, um Prim zu retten. Ich beschließe, dass Mags zu meinem Team gehören soll.

Großartig. Jetzt muss ich Haymitch sagen, dass ich eine Achtzigjährige sowie Plus und Minus als Verbündete haben will. Das findet er bestimmt toll.

Ich geb’s auf, Freunde finden zu wollen, und gehe zur Erholung hinüber zum Bogenschießstand. Es ist wunderbar, all die verschiedenen Bogen und Pfeile auszuprobieren. Als Tax, der Trainer, merkt, dass stehende Ziele für mich keine Herausforderung sind, wirft er Stoffvögel hoch in die Luft, und ich muss sie abschießen. Erst kommt mir das albern vor, aber dann macht es doch Spaß. Sogar mehr, als ein Lebewesen zu jagen. Da ich alles treffe, was er hochwirft, beginnt er mehrere Vögel gleichzeitig zu werfen. Ich vergesse die Turnhalle um mich herum und die Sieger und mein Unglück und gebe mich ganz dem Schießen hin. Als ich fünf Vögel auf einmal abschieße, wird es um mich herum so ruhig, dass ich höre, wie sie einzeln auf dem Boden aufschlagen. Ich drehe mich um und sehe, dass fast alle Sieger ihr Treiben unterbrochen haben und mir zuschauen. In ihren Gesichtern spiegelt sich alles, von Neid über Hass bis zu Bewunderung.

Nach dem Training lungern Peeta und ich herum und warten, dass Haymitch und Effie erscheinen. Als wir zum Abendessen gerufen werden, stürzt sich Haymitch sofort auf mich. »Mindestens die Hälfte der Sieger hat ihre Mentoren angewiesen, dich als Wunschverbündete anzugeben. Kann mir nicht vorstellen, dass es wegen deines sonnigen Wesens ist.«

»Sie haben sie schießen gesehen«, sagt Peeta lächelnd. »Und ich habe sie auch zum ersten Mal richtig schießen gesehen. Ich trage mich mit dem Gedanken, ebenfalls einen förmlichen Antrag zu stellen.«

»Bist du wirklich so gut?«, fragt Haymitch mich. »So gut, dass Brutus dich will?«

Ich zucke die Schultern. »Aber ich will Brutus nicht. Ich will Mags und die beiden aus Distrikt 3.«

»Das war ja klar«, seufzt Haymitch und bestellt eine Flasche Wein. »Ich werde allen sagen, du überlegst noch.«

Nach meiner Schießdarbietung kommt nur noch hier und da mal eine Stichelei, aber ich fühle mich nicht mehr verspottet. Es kommt mir vor, als wäre ich erst jetzt in den Kreis der Sieger aufgenommen worden. An den folgenden beiden Tagen verbringe ich viel Zeit mit fast jedem, der in die Arena muss. Sogar mit den Morfixern, die mich mit Peetas Hilfe anmalen und in ein Feld aus gelben Blumen verwandeln. Sogar mit Finnick, der mir im Tausch für eine Stunde Bogenschießen eine Stunde lang beibringt, wie man mit dem Dreizack umgeht. Und je besser ich diese Leute kennenlerne, desto schlimmer wird es. Denn ich hasse sie ja nicht. Manche mag ich sogar. Und viele sind so lädiert, dass ich sie eigentlich instinktiv beschützen möchte. Aber sie alle müssen sterben, damit ich Peeta retten kann.

Der letzte Tag des Trainings endet mit unseren Einzelstunden. Jeder hat fünfzehn Minuten, um die Spielmacher mit seinen Fähigkeiten für sich einzunehmen, aber ich weiß nicht, was wir ihnen zeigen könnten. Beim Mittagessen machen wir uns darüber lustig. Darüber, was wir tun könnten. Singen, tanzen, strippen, Witze erzählen. Mags, die ich jetzt ein bisschen besser verstehe, meint, sie werde einfach ein Nickerchen halten. Ich weiß nicht, was ich tun werde. Ein paar Pfeile abschießen, schätze ich mal. Haymitch hat gesagt, dass wir sie möglichst überraschen sollen, nur fällt mir absolut nichts ein.