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»Peeta!«, rufe ich. »Deine Pfeile!«

Peeta dreht sich um, sieht meine missliche Lage und will seincn Köcher abnehmen, als es passiert. Ein Affe stürzt sich aus einem Baum und wird Peeta im nächsten Moment auf die Brust springen. Ich habe keinen Pfeil, keine Möglichkeit zu schießen. Ich höre den dumpfen Schlag von Finnicks Dreizack und weiß, dass er anderswo im Einsatz ist. Peeta kann mit der Hand, in der er das Messer hält, nichts machen, weil er versucht, den Köcher abzunehmen. Ich ziele mit meinem Messer auf den heranrasenden Affen, doch er weicht mit einem Purzelbaum aus und prescht weiter vor.

Hilflos, ohne Waffe, tue ich das Einzige, was mir einfällt. Ich laufe zu Peeta, um ihn umzuwerfen und seinen Körper mit meinem zu schützen, obwohl ich weiß, dass ich es nicht rechtzeitig schaffen werde.

Aber sie schafft es. Wie aus dem Nichts taucht sie auf und wirbelt plötzlich vor Peeta herum. Blutüberströmt, den Mund zu einem schrillen Schrei geöffnet, die Pupillen so groß, dass ihre Augen aussehen wie schwarze Löcher.

Die verrückte Morfixerin aus Distrikt 6 reißt die knochigen Arme hoch, als wollte sie den Affen umarmen, und der Affe schlägt die Zähne in ihre Brust.

22

Peeta lässt den Köcher fallen und stößt dem Affen das Messer in den Rücken. Immer und immer wieder sticht er auf ihn ein, bis das Tier den Biss lockert. Mit einem Tritt befördert er die Mutation beiseite und steht da in Erwartung weiterer. Ich habe jetzt Peetas Pfeile und einen gespannten Bogen, Finnick steht hinter mir, er keucht, aber er kämpft nicht mehr.

»Los, kommt schon! Kommt schon!«, brüllt Peeta wütend. Doch irgendetwas ist passiert. Die Affen ziehen sich zurück, wieder rauf auf die Bäume, zurück in den Dschungel, wie von einer unhörbaren Stimme gerufen. Der Stimme eines Spielmachers, die sagt, dass es genug ist.

»Trag du sie«, sage ich zu Peeta. »Wir geben dir Deckung.« Behutsam hebt Peeta die Morfixerin hoch und trägt sie die letzten Meter zum Strand. Finnick und ich lauern schussbereit, doch bis auf die orangefarbenen Kadaver auf dem Boden sind die Affen verschwunden. Peeta legt die Morfixerin auf dem Sand ab. Ich schneide den Stoff über ihrer Brust auf und lege vier tiefe Bisswunden frei. Das Blut sickert so langsam heraus, dass sie gar nicht so gefährlich aussehen. Doch die eigentlichen Verletzungen liegen innen. Die Öffnungen sind an Stellen, wo sich lebenswichtige Organe befinden, möglicherweise hat das Biest einen Lungenflügel zerfetzt, vielleicht sogar das Herz.

Wie ein Fisch auf dem Trockenen liegt die Morfixerin auf dem Sand und schnappt nach Luft. Ihre Haut ist schlaff und blassgrün, die Rippen stehen hervor wie bei einem hungernden Kind. Bestimmt hätte sie sich Lebensmittel leisten können, aber anscheinend hat sie sich dem Morfix verschrieben, wie Haymitch sich dem Trinken. Alles an ihr verrät, dass es zu Ende geht - ihr Körper, der leere Blick. Ich halte ihre zuckende Hand und weiß nicht, ob die Bewegung von dem Nervengift herrührt, vom Schock des Angriffs oder vom Entzug jener Droge, die ihr Nahrung war. Wir können nichts tun. Nur bei ihr bleiben, während sie stirbt.

»Ich sehe mich mal bei den Bäumen um«, sagt Finnick und entfernt sich. Ich möchte auch weg von hier, doch sie hält meine Hand so fest, dass ich mich gewaltsam befreien müsste, und für so eine Grausamkeit habe ich nicht die Kraft. Ich überlege, ob ich ihr wie Rue ein Lied singen soll. Doch ich kenne nicht mal den Namen der Morfixerin, und ob sie gern Lieder hört, weiß ich schon gar nicht. Ich weiß nur, dass sie stirbt.

Peeta geht auf der anderen Seite in die Hocke und streicht ihr übers Haar. Als er mit sanfter Stimme zu sprechen beginnt, verstehe ich erst nicht, was das soll, aber die Worte sind auch gar nicht für mich. »Mit meinem Malkasten zu Hause kann ich jede erdenkliche Farbe mischen. Rosa. So blass wie Babyhaut. Oder so tiefdunkel wie Rhabarber. Grün wie Frühlingsgras. Blau, das schimmert wie Eis auf Wasser.«

Die Morfixerin starrt Peeta in die Augen und klammert sich an seine Worte.

»Einmal habe ich drei Tage lang nach dem richtigen Farbton für Sonnenlicht auf weißem Pelz gesucht. Weißt du, ich dachte die ganze Zeit, es müsse Gelb sein, aber es war viel mehr. Alle möglichen Farben. In Schichten, eine über der anderen«, sagt Peeta.

Die Morfixerin schnappt jetzt nur noch flach nach Luft. Mit der freien Hand zeichnet sie in dem Blut auf ihrer Brust die kleinen Wirbel, die sie so gern gemalt hat.

»Den Regenbogen habe ich bis heute nicht rausgekriegt. Er kommt und geht so plötzlich. Ich habe nie genug Zeit, um ihn einzufangen. Nur ein bisschen Blau hier und Lila da. Und schon verblasst er wieder. Geht wieder in der Luft auf«, sagt Peeta.

Peetas Worte scheinen die Morfixerin zu hypnotisieren. Als wäre sie in Trance. Sie hebt die zitternde Hand und zeichnet auf Peetas Wange etwas, das ich als Blume deute.

»Danke«, flüstert er. »Sieht wunderschön aus.«

Einen Augenblick lang verzieht sich das Gesicht der Morfixerin zu einem Grinsen und sie gibt ein leises Quieken von sich. Dann sinkt ihre blutbefleckte Hand zurück auf die Brust, sie atmet ein letztes Schnaufen aus, und die Kanone wird abgefeuert. Der Griff um meine Hand lockert sich.

Peeta trägt sie ins Wasser. Dann kommt er zurück und setzt sich neben mich. Die Morfixerin treibt eine Zeit lang auf das Füllhorn zu, bis das Hovercraft erscheint und ein Greifer mit vier Klauen sich herabsenkt, sie packt und in den Nachthimmel hinaufträgt. Dann ist sie fort.

Finnick gesellt sich wieder zu uns. In der Hand hat er meine Pfeile, an denen noch das Affenblut klebt. Er wirft sie neben mich in den Sand. »Dachte, die hättest du vielleicht gern wieder.«

»Danke«, sage ich. Ich wate ins Wasser und wasche das Blut ab, von meinen Waffen, meinen Wunden. Als ich in den Dschungel gehe, um ein bisschen Moos zum Abtrocknen zu sammeln, sind die Affenkörper allesamt verschwunden. »Wo sind sie hin?«, frage ich.

»Ich weiß nicht. Die Ranken haben sich beiseitegeschoben und weg waren sie«, sagt Finnick.

Benommen und erschöpft starren wir in den Dschungel. In der Stille fällt mir auf, dass sich über den Stellen, an denen die Nebeltropfen meine Haut berührt haben, eine Kruste gebildet hat. Die Stellen tun nicht mehr weh, sie jucken jetzt. Und zwar sehr. Ich versuche, das als gutes Zeichen zu nehmen. Dass sie heilen. Ich schaue zu Peeta und Finnick und sehe, dass beide sich im lädierten Gesicht kratzen. Sogar Finnicks Schönheit hat in dieser Nacht Schaden genommen.

»Nicht kratzen«, sage ich, dabei würde ich es am liebsten selbst tun. Meine Mutter würde das Gleiche raten. »Dadurch entzündet es sich nur. Meint ihr, wir können es wagen, noch mal Wasser zu zapfen?«

Wir gehen zurück zu dem Baum, an dem Peeta sich zu schaffen gemacht hatte, bevor die Affen angriffen. Während er den Zapfhahn einschlägt, stehen Finnick und ich mit gezückten Waffen da, aber es taucht nichts Bedrohliches auf. Peeta hat eine gute Ader gefunden und das Wasser fließt heraus. Wir stillen unseren Durst, lassen das warme Wasser über unsere juckenden Körper laufen. Wir füllen Muschelschalen mit Wasser und gehen zurück zum Strand.

Es ist immer noch Nacht, obwohl die Dämmerung nicht mehr weit sein kann. Es sei denn, die Spielmacher haben andere Pläne. »Ruht euch ein bisschen aus«, sage ich zu den beiden. »Ich halte so lange Wache.«

»Nein, das übernehme ich«, sagt Finnick. Ich schaue in seine Augen, sein Gesicht und sehe, dass er nur mühsam die Tränen zurückhalten kann. Mags. Wenigstens das kann ich für ihn tun - ihm ein bisschen Raum geben, um sie zu betrauern.

»Na gut, Finnick, danke«, sage ich. Ich lege mich in den Sand neben Peeta, der sofort wegdämmert. Während ich in die Nacht starre, kommt mir der Gedanke, was sich an einem Tag doch alles verändern kann. Gestern Morgen stand Finnick noch auf meiner Abschussliste und heute lasse ich ihn bereitwillig über meinen Schlaf wachen. Er hat Peeta gerettet und Mags sterben lassen, und ich weiß nicht, warum. Nur, dass ich es nie wiedergutmachen kann. In diesem Moment kann ich nur schlafen und ihn in Ruhe trauern lassen. Also mache ich das.