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Peeta schultert Beetee, der jetzt keinen Widerstand mehr leistet. »Wohin?«

»Ich möchte noch mal zum Füllhorn und nachschauen. Um sicherzugehen, dass wir mit der Uhr richtigliegen«, sagt Finnick. Der Plan ist nicht schlechter als jeder andere. Abgesehen davon würde ich auch gern noch mal die Waffen dort begutachten. Und jetzt sind wir zu sechst. Selbst wenn man Beetee und Wiress außer Acht lässt, haben wir vier gute Kämpfer. Eine völlig andere Situation für mich als vor einem Jahr, damals war ich ganz auf mich allein gestellt. Ja, Verbündete sind toll. Solange man den Gedanken ausblenden kann, dass man sie irgendwann töten muss.

Beetee und Wiress werden wahrscheinlich schon selbst dafür sorgen, dass sie sterben. Falls wir vor etwas wegrennen müssen, kommen sie nicht weit. Johanna könnte ich, ehrlich gesagt, ohne mit der Wimper zu zucken umbringen, wenn ich Peeta beschützen müsste. Oder ihr das Maul stopfen. Aber ich brauche unbedingt jemanden, der Finnick für mich aus dem Weg räumt, das würde ich beim besten Willen nicht über mich bringen. Nicht nach all dem, was er für Peeta getan hat. Vielleicht könnte ich ihn in eine Konfrontation mit den Karrieros lotsen. Das ist kaltblütig, ich weiß. Aber was bleibt mir anderes übrig? Jetzt, da wir über die Uhr Bescheid wissen, wird er wohl kaum im Dschungel sterben, also muss ihn jemand im Kampf töten.

Weil der Gedanke daran so abstoßend ist, versuche ich krampfhaft, mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Doch ich kann mich höchstens ablenken, indem ich mir ausmale, wie ich Präsident Snow töten werde. Keine besonders netten Tagträume für eine Siebzehnjährige, aber sehr befriedigend.

Wir laufen über den nächstgelegenen Streifen Sand und nähern uns vorsichtig dem Füllhorn, für den Fall, dass sich die Karrieros dort verstecken. Ich bezweifle das, denn wir waren viele Stunden am Strand und es gab kein Lebenszeichen von ihnen. Wie zu erwarten, ist das Gelände verlassen. Nur das große goldene Horn und der durchwühlte Stapel mit den Waffen sind noch da.

Nachdem Peeta Beetee im spärlichen Schatten des Füllhorns abgesetzt hat, ruft der Wiress zu sich. Sie hockt sich neben ihn und er drückt ihr die Drahtrolle in die Hände. »Mach sie sauber, ja?«, bittet er sie.

Wiress nickt, trippelt zum Ufer und taucht die Rolle ins Wasser. Dabei singt sie ein lustiges Liedchen über eine Maus, die an einer Uhr hochläuft. Offenbar ein Kinderlied, aber es scheint sie glücklich zu machen.

»Oh nein, nicht schon wieder dieses Lied«, sagt Johanna und verdreht die Augen. »Stundenlang ging das so, bis sie mit ihrem Tick-tack anfing.«

Plötzlich richtet Wiress sich kerzengerade auf und deutet auf den Dschungel. »Zwei«, sagt sie.

Ich folge ihrem Finger zu der Stelle, wo die Nebelwand sich gerade auf den Strand wälzt. »Ja, schaut, Wiress hat recht. Es ist zwei Uhr und der Nebel ist aufgezogen.«

»Wie ein Uhrwerk«, sagt Peeta. »Ganz schön clever, dass du das herausgefunden hast, Wiress.«

Wiress lächelt und macht sich wieder daran, zu singen und die Rolle ins Wasser zu tauchen. »Nicht nur clever«, sagt Beetee. »Sie hat auch Intuition.« Alle schauen zu Beetee, der wieder unter den Lebenden zu weilen scheint. »Sie spürt die Dinge lange vor allen anderen. Wie ein Kanarienvogel bei euch im Bergwerk.«

»Was hat es damit auf sich?«, fragt Finnick.

»Bei uns nehmen sie einen Kanarienvogel mit runter in die Kohlestollen. Er soll die Leute warnen, wenn sich die Luft dort unten mit Gas anreichert«, erkläre ich.

»Und was tut er dann, umfallen und sterben?«, fragt Johanna.

»Er hört auf zu singen. Dann sollte man schleunigst machen, dass man rauskommt. Aber wenn die Luft zu schlecht ist, stirbt er, ja. Und alle anderen auch.« Ich möchte nicht über sterbende Singvögel reden. Das weckt Gedanken an den Tod meines Vaters und an den von Rue und an den von Maysilee Donner und an meine Mutter, die Maysilees Singvogel geerbt hat. Na toll, und schon denke ich an Gale, tief unten in dieser schrecklichen Mine, und über ihm schwebt Präsident Snows Drohung. Dort unten ist es so leicht, einen Unfall zu arrangieren. Ein stummer Kanarienvogel, ein Funke, mehr braucht es nicht.

Jetzt stelle ich mir wieder vor, wie ich den Präsidenten kaltmache.

Trotz ihres Ärgers über Wiress ist Johanna so vergnügt, wie ich sie in der Arena noch nie gesehen habe. Während ich meinen Vorrat an Pfeilen ergänze, wühlt sie in dem Stapel herum, bis sie mit zwei martialisch aussehenden Äxten wieder zum Vorschein kommt. Komische Wahl, denke ich, bis ich mit ansehe, wie sie eine davon mit solcher Kraft schleudert, dass sie in dem von der Sonne aufgeweichten Gold des Füllhorns stecken bleibt. Natürlich. Johanna Mason. Distrikt 7. Holz. Sie hat schon Äxte durch die Gegend geworfen, ehe sie laufen konnte. Wie Finnick mit seinem Dreizack. Oder Beetee mit seinem Draht. Rue mit ihrem Wissen über Pflanzen. Mir wird bewusst, dass die Tribute aus Distrikt 12 in all den Jahren noch mit einem weiteren Nachteil zu kämpfen hatten. Wir gehen erst mit achtzehn ins Bergwerk. Offenbar erlernen alle anderen ihr Handwerk viel früher. Im Bergwerk tut man Dinge, die sich bei den Spielen als nützlich erweisen könnten. Eine Spitzhacke schwingen. Sprengen. Damit kann man sich einen Vorteil verschaffen. Wie ich mit dem Jagen. Aber wir lernen diese Dinge zu spät.

Während ich mich mit den Waffen beschäftigte, hat Peeta sich auf den Boden gehockt und mit der Messerspitze etwas auf ein großes weiches Blatt gemalt, das er aus dem Dschungel mitgenommen hat. Ich schaue ihm über die Schulter. Er zeichnet eine Karte von der Arena. In der Mitte steht das Füllhorn auf seinem Ring aus Sand mit den zwölf Strahlen, die davon abgehen. Wie eine in zwölf gleiche Stücke unterteilte Torte.

Ein weiterer Kreis stellt die Wasserlinie dar und ein noch etwas weiterer bezeichnet den Rand des Dschungels. »Sieh dir mal die Position des Füllhorns an«, sagt er.

Ich betrachte das Füllhorn und sehe, was er meint. »Das spitze Ende weist auf zwölf Uhr«, sage ich.

»Genau, das ist also oben bei der Uhr«, sagt er und ritzt flink die Zahlen eins bis zwölf aufs Ziffernblatt. »Von zwölf bis eins blitzt es.« In kleinen Buchstaben schreibt er Blitz in das entsprechende Tortenstück und in die folgenden Stücke trägt er im Uhrzeigersinn Blut, Nebel und Affen ein.

»Und zwischen zehn und elf kommt die Welle«, sage ich. Er fügt auch diese hinzu. Finnick und Johanna stoßen zu uns, bis an die Zähne mit Dreizacken, Äxten und Messern bewaffnet.

»Ist euch in den anderen Sektoren irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen?«, frage ich Johanna und Beetee, denn vielleicht haben sie ja etwas gesehen, das wir nicht bemerkt haben. Aber alles, was sie gesehen haben, war eine Menge Blut. »Da könnte so ziemlich alles auf uns warten.«

»Ich werde markieren, wo die Waffen der Spielmacher uns auch außerhalb des Dschungels verfolgen, damit wir diese Abschnitte meiden«, sagt Peeta und streicht die Strände bei Nebel und Welle durch. Dann setzt er sich wieder. »Na, da wissen wir doch schon viel mehr als heute Morgen.«

Wir nicken und in diesem Augenblick fällt mir plötzlich die Stille auf. Unser Kanarienvogel hat aufgehört zu singen.

Ich verliere keine Zeit. Während ich herumfahre, lege ich einen Pfeil ein. Ich sehe Gloss, der tropfnass dasteht und Wiress zu Boden gleiten lässt, ihre aufgeschlitzte Kehle sieht aus wie ein hellrotes Lächeln. Die Spitze meines Pfeils verschwindet in seiner rechten Schläfe, und in dem kurzen Augenblick, den es braucht, um einen neuen Pfeil einzulegen, schmettert Johanna eine Axt in Cashmeres Brust. Finnick wehrt den Speer ab, den Brutus auf Peeta geschleudert hat, und bekommt dafür Enobarias Messer in den Oberschenkel. Wäre da nicht das Füllhorn, das ihnen Deckung gibt, wären sie jetzt tot, die beiden Tribute aus Distrikt 2. Ich nehme die Verfolgung auf. Bum! Bum! Bum! Die Kanone bestätigt, dass für Wiress jede Hilfe zu spät kommt und es nicht mehr nötig ist, Gloss oder Cashmere den Rest zu geben. Meine Verbündeten und ich rennen um das Horn herum, wir machen uns an die Verfolgung von Brutus und Enobaria, die über einen Sandstreifen auf den Dschungel zuhetzen.