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„Leute wie Sie nennen uns Wilde“, sagte Dante schroff. „Und dann kommen Sie her, geschniegelt und gebügelt in Schlips und Anzug, und bitten uns um Hilfe. Lucan spricht für den Orden, und wenn er sagt, dass wir bei diesem kleinen Problem euren Arsch retten sollen, dann reicht mir das. Aber das muss nicht heißen, dass ich es gut finde. Das muss auch nicht heißen, dass ich Sie mag.“

„Ich habe nicht vor, hier einen Beliebtheitswettbewerb zu gewinnen. Und wenn Sie zu meiner vorgeschlagenen Rolle in dieser Untersuchung irgendwelche Einwände haben, dann bitte ich Sie, diese auszusprechen.“

Dante lachte auf, überrascht von dieser Herausforderung. Er hätte nicht gedacht, dass der Knabe es in sich hatte. „Nun, ich bin nicht der Typ, der um den heißen Brei herumredet, Agent Chase – ’tschuldigung, Special Agent. Was ich tue, was alle hier in diesem Raum jede Nacht tun, ist ein harter, dreckiger Job. Wir kämpfen. Wir töten. Und wir veranstalten garantiert kein Touristenprogramm für irgendwelche weichgespülten Agenten aus den Vampirreservaten, die auf unsere Kosten, auf unserem Blut und Schweiß, politisch Karriere machen wollen.“

„Ich kann Ihnen versichern, dass das nicht in meiner Absicht liegt. Alles, worum es mir geht, ist mein Anteil daran, die Individuen, die in meiner Gemeinschaft vermisst werden, zu lokalisieren und zu bergen. Wenn der Orden dabei den Vertrieb der Droge Crimson stoppen kann, umso besser. Für alle Mitglieder unserer Spezies.“

„Und wieso glauben Sie, dass Sie auch nur im Entferntesten die Fähigkeiten mitbringen, die Sie brauchen, um mit uns auf Streife zu gehen?“

Agent Chase sah durch den Raum, vermutlich um sich von einem der um den Tisch versammelten Krieger Bestätigung zu holen. Es war still. Nicht einmal Lucan machte sich für ihn stark. Dante kniff die Augen zusammen und lächelte, fast hoffte er, die Stille würde den Agenten vertreiben. Ihn mit eingeklemmtem Schwanz in sein ruhiges, kleines Reservat zurückschicken.

Dann könnten Dante und der Rest des Ordens sich endlich wieder ihrer Aufgabe zuwenden, die Rogues auszulöschen – ohne ein verdammtes Publikum, das womöglich auch noch über ihre Abschusszahlen Buch führte.

„Ich habe einen Bachelor-Abschluss in Politikwissenschaften von der Columbia Universität“, sagte Chase schließlich. „Und wie mein Bruder und mein Vater vor mir habe ich in Harvard Jura studiert, wo ich meinen Abschluss als Jahrgangsbester absolviert habe. Außerdem bin ich in drei Kampfsportarten geschult und habe auf elfhundert Fuß eine Trefferquote, die mich als versierten Scharfschützen ausweist. Letzteres ohne die Hilfe eines Zielfernrohrs.“

„Ist das so?“ Die Aufzählung war schon eindrucksvoll, aber Dante verzog trotzdem keine Miene. „Dann sagen Sie mir doch mal, Harvard, wie oft haben Sie Ihre Kampfsportausbildung oder Ihr Waffentraining schon außerhalb des Unterrichts eingesetzt? Wie viel von Ihrem Blut haben Sie schon vergossen? Wie viel haben Sie Ihren Feinden im Kampf genommen?“

Der Agent hielt Dantes ausdruckslosem Starren stand, sein eckiges, glatt rasiertes Kinn hob sich eine Nuance. „Ich habe keine Angst davor, mich auf der Straße zu bewähren.“

„Das ist gut“, knurrte Dante, „das ist wirklich gut. Denn wenn Sie daran denken, mit einem von uns hier zum Tanz zu gehen, dann werden Sie sich weiß Gott bewähren müssen.“

Chase entblößte die Zähne zu einem angespannten Lächeln. „Ich danke Ihnen für die Warnung.“

Er ging an Dante vorbei, wobei er ihn streifte, murmelte Lucan und den anderen eine Verabschiedungsfloskel zu und verließ das Labor, wobei er seine Aktentasche fest umklammert hielt.

Als sich die Flügel der Glastür hinter dem Agenten geschlossen hatten, knurrte Niko in seinem sibirischen Dialekt einen Fluch. „Was für ein Schlamassel. Ein Bürohengst aus dem Dunklen Hafen, der denkt, er hat das Zeug dazu, mit uns auf Streife zu gehen.“

Dante schüttelte den Kopf, er war derselben Meinung, aber seine Gedanken kreisten um etwas anderes, das genauso beunruhigend war. Oder noch beunruhigender.

„Ich bin heute Nacht in der City angegriffen worden“, sagte er und sah in die angespannten Gesichter seiner Brüder. „Ich dachte erst, es wäre ein Rogue, er war vor einem Club auf Beutefang. Ich habe den Dreckskerl angegriffen, aber er war nicht so einfach zu besiegen. Schließlich musste ich ihn bis ans Flussufer verfolgen, und dort bin ich dann wirklich in einen schönen Schlamassel geraten. Eine ganze Gruppe von Scheißkerlen hat mich angegriffen. Sie waren schwer bewaffnet.“

Gideon warf ihm einen strengen Blick zu. „Verdammt, D. Warum hast du nicht Meldung gemacht und Verstärkung angefordert?“

„Dazu war keine Zeit. Ich hatte Mühe, meinen Arsch zu retten“, sagte Dante und rief sich erneut die Bösartigkeit des Angriffs ins Gedächtnis. „Die Sache ist die, dieser Bastard, den ich da runtergejagt habe, hat gekämpft wie ein Dämon. Er war einfach nicht zu stoppen, wie ein Gen-Eins-Rogue. Und Titan hat bei ihm nicht gewirkt.“

„Wenn er ein Rogue gewesen wäre“, sagte Lucan, „hätte das Titan ihn auf der Stelle verätzt.“

„Genau“, stimmte Dante zu, „er zeigte alle Anzeichen fortgeschrittener Blutgier, aber er war noch nicht zum Rogue mutiert. Und da ist noch etwas. Könnt ihr diesen rosafarbenen Schaum auf Chases Leichenhausfotos sehen? Dieser Kerl, der hatte ihn auch im Gesicht.“

„Verdammt.“ Gideon hob die Fotos auf und zeigte sie den anderen Kriegern. „Zusätzlich zu unserem ständigen Rogueproblem müssen wir uns jetzt auch noch mit Vampiren auf Crimson abgeben. Wie sollen wir die denn in der Hitze des Gefechts auseinanderhalten?“

„Das können wir nicht“, sagte Dante.

Gideon zuckte die Achseln. „Auf einmal scheinen die Dinge nicht mehr so eindeutig.“

Tegans Miene war ruhig und beherrscht. Er lachte trocken auf. „Erst vor ein paar Monaten sind unsere Scharmützel mit den Rogues zu einem Krieg geworden. Da ist nicht viel Platz für Unklarheiten und halbe Sachen.“

Niko nickte zustimmend. „Wenn mir so ein Scheißkerl über den Weg läuft, ob Crimson-Junkie oder Rogue, kann er sich auf eins gefasst machen: den Tod. Sollen es die in den Dunklen Häfen doch hinterher aussortieren.“

Lucan wandte seine Aufmerksamkeit Dante zu. „Was ist mit dir, D.? Bist du dabei?“

Dante verschränkte die Arme vor der Brust. Mehr denn je sehnte er sich nach seiner Dusche und danach, dass diese Nacht endlich ein Ende nahm. Es war mit ihr bergab gegangen, seit er den Fuß aus dem Bett gesetzt hatte.

„Was wir über Crimson wissen, und das ist nicht viel, klingt nicht gut. All diese vermissten Zivilisten, es werden ständig mehr, das wird bei der Bevölkerung der Dunklen Häfen Panik auslösen. Schlimm genug, dass wir diese Crimson-Konsumenten als neues Problem haben. Aber kann sich einer von euch vorstellen, was passiert, wenn eine Schar Agenten aus den Reservaten auf den Straßen herumläuft und auf eigene Faust versucht, Vermisste zu identifizieren und in Gewahrsam zu nehmen?“

Lucan nickte. „Damit wären wir wieder bei Agent Chase und seinem Gesuch, an der Operation teilzunehmen. Er ist mit ganz ähnlichen Befürchtungen zu uns gekommen – es gilt, eine Massenpanik zu vermeiden und trotzdem die Vermissten zu bergen und eine schnelle und effiziente Lösung für das Problem zu finden, das Crimson für den Stamm offensichtlich darstellt. Ich denke, er könnte für uns auch ein Vorteil sein. Nicht nur bei der Operation selbst, sondern auch auf seinem Territorium, in den Reservaten. Es kann dem Orden nicht schaden, einen Verbündeten in den Dunklen Häfen zu haben.“

Dante konnte sich ein ungläubiges Knurren nicht verkneifen. „Wir haben die nie gebraucht. Seit Jahrhunderten retten wir ihre kleinen blanken Ärsche, Lucan. Sag mir nicht, dass wir jetzt anfangen, uns bei ihnen anzubiedern. Verdammt noch mal! Wenn wir sie erst mal bei unserem Job mitmachen lassen, müssen wir doch bald jedes Mal um schriftliche Genehmigung ersuchen, wenn wir nur zum Pissen wollen.“