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Verpisst euch, dachte Dante in ihre Richtung, öffnete die Lippen und machte sich daran, seiner Blutwirtin die Halsschlagader zu öffnen.

Aber die jungen Vampire ließen sich von seinem abweisenden Blick nicht abwimmeln. Der Größere der beiden, ein blonder Junge in Armeehosen, Motorradstiefeln und schwarzem T-Shirt, kam schon auf ihn zu, im Schlepptau seinen Gefährten, der weite Jeans, hohe Turnschuhe und eine übergroße Lakers-Jacke trug.

„Verdammt.“ Im Grunde hatte Dante nichts dagegen, wenn ihm gelegentlich jemand zusah, aber ein glotzendes Publikum aus nächster Nähe, wenn er Nahrung zu sich nahm, hatte ihm gerade noch gefehlt.

„Was hast du denn?“, jammerte seine Beinahe-Blutwirtin, als er sich von ihr losmachte.

„Nichts, Schätzchen.“ Er legte ihr die Hand flach auf die Stirn und wischte die letzte halbe Stunde aus ihrer Erinnerung. „Geh jetzt zurück zu deinen Freundinnen.“

Folgsam erhob sie sich von seinem Schoß und ging davon, verschmolz mit den durcheinanderwimmelnden Körpern auf der Tanzfläche. Die beiden Vampire aus den Dunklen Häfen würdigten sie kaum eines Blickes, als sie an Dantes Tisch traten.

„Was ist los, Jungs?“ Dante warf ihnen die Begrüßung achtlos entgegen, er hatte wirklich null Interesse an Small Talk.

„Hallo.“ Blondie in der Armeehose schenkte ihm ein Nicken und warf sich in Positur, die muskelbepackten Arme vor der Brust verschränkt. Keine einzige Dermaglyphe war auf dieser jungen Haut zu sehen. Definitiv die aktuelle Generation des Stammes, wahrscheinlich noch keine dreißig. „Entschuldige, wir haben da wohl eben was unterbrochen, aber wir müssen dir einfach sagen, Mann – das war hammermäßig, wie ihr Jungs vor ein paar Monaten die Rogues fertiggemacht habt. Alle reden noch davon. Der Orden jagt in einer einzigen Nacht eine ganze Kolonie von diesen Arschlöchern in die Luft – also, denen habt ihr’s wirklich gegeben, Mann. Wahnsinn.“

„Echt stark“, fügte sein Begleiter hinzu. „Also, und da haben wir uns gefragt … Ich meine, wir haben gehört, dass der Orden neue Rekruten sucht.“

„So, habt ihr das?“

Dante lehnte sich in seinem Stuhl zurück und stieß einen gelangweilten Seufzer aus. Es war nicht das erste Mal, dass er von jungen Vampiren aus den Dunklen Häfen angesprochen wurde, die sich den Kriegern anschließen wollten. Der erfolgreiche Schlag gegen die bisher größte Zusammenrottung von Rogues in einer ehemaligen Nervenheilanstalt im letzten Sommer hatte dem einst geheimen Kader der Stammeskrieger eine Menge ungewollter Aufmerksamkeit eingebracht. Seither, so schien es, wurden sie von den jungen Vampiren wie Stars gehandelt.

Um ehrlich zu sein, es konnte einem tierisch auf die Nerven gehen.

Dante kickte seinen Stuhl vom Tisch weg und stand auf.

„Da bin ich nicht der Richtige“, sagte er zu den beiden hoffnungsvollen Möchtegerns. „Und außerdem erfolgt die Aufnahme in den Orden nur per Einladung. Tut mir leid.“

Er schlenderte davon und fühlte sich fast etwas erleichtert, als sein stumm geschaltetes Handy in seiner Jackentasche zu vibrieren begann. Er fischte es heraus und nahm den Anruf entgegen, er kam von der Zentrale im Hauptquartier der Stammeskrieger.

„Ja?“

„Wie läuft’s denn so?“ Es war Gideon, das Computergenie des Ordens, der in der Zentrale als Dispatcher fungierte. „Irgendwelche Oberflächenaktivität zu melden?“

„Nicht viel los hier. Ziemlich tot momentan.“ Dante ließ seinen Blick über den bevölkerten Club schweifen und bemerkte, dass die beiden jungen Vampire sich anschickten weiterzuziehen, sie gingen mit ein paar kostümierten jungen Frauen auf den Ausgang zu. „Bislang keine Rogues zu sehen. Ist das nicht öde? Ich werde noch verrückt, wenn’s hier nicht bald ein bisschen ordentliche Action gibt, Gid.“

„Kopf hoch, alter Junge“, sagte Gideon, ein Grinsen in der Stimme, „die Nacht ist ja noch jung.“

Dante lachte leise. „Sag Lucan, dass ich ihn schon wieder vor ein paar Möchtegerns gerettet habe, die sich bei uns verpflichten wollten. Weißt du, mir war es viel lieber, als wir noch nicht so prominent waren, als wir noch gefürchtet waren und die Leute Abstand hielten. Kommt Lucan mit der Anwerbung voran? Oder wird unser verehrter Anführer zu sehr von seiner atemberaubenden Stammesgefährtin in Beschlag genommen?“

„Ja und ja“, erwiderte Gideon. „Was die Anwerbung angeht, wir haben einen neuen Kandidaten aus New York reinbekommen, und Nikolai hat bei einigen seiner Kontakte in Detroit vorgefühlt. Wir müssen bald mal ein paar Tests für die Neuen arrangieren – du weißt schon. Sie sollen das Ganze erst mal durchlaufen haben, bevor wir verbindlich zusagen.“

„Du meinst, wir werden ihnen ihren Hintern auf einer Platte servieren und dann schauen, welche von ihnen wiederkommen und um mehr betteln?“

„Wieso, geht das denn auch anders?“

„Bin dabei“, knurrte Dante, als er durch den Club auf die Tür zuging.

Er schlenderte in die Nacht hinaus, ging einer Gruppe von Clubbern aus dem Weg – Menschen in zerschlissenen Kleidern und schauderhafter Gesichtsbemalung, Marke aufgewärmter Tod, die wohl Zombies darstellen sollten. Sein hochsensibles Gehör nahm Hunderte von Geräuschen wahr – den üblichen Verkehrslärm, durchsetzt vom Kreischen und Gelächter betrunkener Halloween-Feiernder, die sich auf den Straßen und Gehsteigen drängten.

Und da war noch etwas anderes.

Etwas, das ihn aufhorchen ließ. Das seinen Kriegerinstinkt blitzartig in Alarmzustand versetzte.

„Muss los“, sagte er zu Gideon am anderen Ende. „Jetzt habe ich doch einen Blutsauger geortet, den hol ich mir. So wie’s aussieht, ist die Nacht noch nicht ganz verloren.“

„Ruf durch, wenn du ihn ausgeräuchert hast.“

„Mach ich. Bis später.“ Dante klappte das Handy zu und steckte es in die Tasche.

Er schlich eine Seitengasse entlang, folgte dem tiefen Grunzen und dem muffigen, wabernden Gestank eines Roguevampirs auf Beutejagd. Wie die anderen Stammeskrieger des Ordens empfand Dante tiefe Verachtung für die Mitglieder seiner Spezies, die zu Rogues geworden waren. Jeder Vampir dürstete nach Blut, jeder musste Nahrung zu sich nehmen, manchmal auch töten, um zu überleben. Aber jeder Einzelne von ihnen wusste auch, dass der Grat zwischen notwendiger Lebenserhaltung und Völlerei nur sehr schmal war, oft ging es dabei lediglich um ein paar Schlucke. Wenn ein Vampir zu viel nahm oder seinem Durst zu oft nachgab, lief er Gefahr, süchtig zu werden. Dann wurde der Hunger zu einem Dauerzustand, den sie Blutgier nannten. Diese Krankheit machte einen zum Rogue, zum gewalttätigen Junkie, der für seinen nächsten Schuss alles tat.

Wild und unvorsichtig wie sie waren, brachten die Rogues auch alle anderen Angehörigen ihrer Rasse in Gefahr, von den Menschen bemerkt und verfolgt zu werden, eine Gefahr, die Dante und der Rest des Ordens nicht gewillt waren zu riskieren. Und seit ein paar Monaten wurde immer deutlicher, dass es inzwischen eine noch größere Bedrohung gab: Die Rogues begannen sich zusammenzurotten und zu organisieren, ihre Anzahl wuchs, und ihre Taktiken richteten sich auf ein bestimmtes Ziel aus: den offenen Krieg. Wenn sie nicht aufgehalten wurden, und zwar bald, dann würde sowohl die Menschheit als auch das Vampirvolk zwischen die Fronten eines höllischen, bluttriefenden Gemetzels geraten, gegen das sich das ärgste Weltuntergangsszenario noch harmlos ausnahm.

Solange die Stammeskrieger sich wie jetzt darauf beschränkten, die neue Kommandozentrale der Rogues aufzuspüren, war ihre Aufgabe einfach. Möglichst jeder einzelne Rogue musste gejagt und zur Strecke gebracht werden. Man musste sie auslöschen wie krankes Ungeziefer, das sie waren – eine Aufgabe, die Dante genoss. Nie fühlte er sich mehr in seinem Element, als wenn er mit der Waffe in der Hand durch die Straßen zog und den Kampf suchte. Er empfand es als das, was ihn am Leben hielt, mehr noch: Er wusste, es war die einzige Art, seine schlimmsten inneren Dämonen in Schach zu halten.