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Und dann, wie ein Kontrapunkt zu all diesem Frieden, das rasselnde Keuchen eines Atems, nicht weit von da, wo Chase jetzt stand. Der Kies knirschte hinter ihm. Chase’ Finger schlossen sich um den Griff der Neunmillimeter, als er sich langsam umwandte, um der Bedrohung zu begegnen.

Camden.

Das Déjà-vu traf Chase wie ein Kanonenschuss in die Eingeweide. Aber sein Neffe sah noch schlimmer aus als zuvor, sofern das überhaupt möglich war. Krusten von geronnenem Blut und Geweberesten bildeten den grausigen Beweis für jüngst begangene Morde, die seinen Blutdurst offensichtlich nicht gestillt hatten. In einem langsamen Trott kam er hinter der Hecke hervor, die ihn versteckt hatte. Seine großen Fangzähne tropften von Speichel, als er Chase taxierte – offenbar sah er ihn nur als nächstes Opfer des Blutrausches, der seinen Geist und seinen Körper übermannt hatte. Er war unerreichbar gewesen, als Chase ihn in Ben Sullivans Apartment zurechtstutzen wollte. Jetzt war er gefährlich und unberechenbar, ein wilder Hund, der zu lange von der Leine gewesen war.

Chase musterte ihn traurig, voller Gewissensbisse, dass er nicht fähig gewesen war, ihn rechtzeitig zu finden – nicht fähig gewesen war, ihn zu retten, dass er diese unumkehrbare Verwandlung in einen Rogue nicht hatte verhindern können.

„Es tut mir so leid, Cam. Das sollte dir niemals passieren.“ Unter dem Schoß seines dunklen Wollmantels entsicherte Chase die Beretta und zog die Waffe aus dem Holster. „Wenn ich an deiner statt wäre, ich schwöre …“

Hinter sich, oben am Haus, hörte Chase das metallische Knacken vom Offnen der Vordertür, dann Elises plötzliches Aufkeuchen. Die Zeit lief auf einmal langsamer. Alles dehnte sich aus. Die Wirklichkeit spannte sich wie ein schwerfälliger Traum, ein Albtraum, der mit dem Moment begann, in dem Elise aus dem Haus trat.

„Camden!“ Ihre Stimme schien merkwürdig entfernt, verlangsamt wie die übrige Situation. „Oh Gott … Camden!“

Chase schwang zu ihr herum. Er rief ihr zu, zurückzubleiben, aber da rannte sie schon. Sie breitete die Arme aus, und das weiße Witwengewand umflatterte sie wie zarte Mottenflügel, als sie ihrem Sohn entgegenflog. Ihrem sicheren und gewaltsamen Tod entgegen, wenn Chase zuließ, dass sie nahe genug an den Rogue herankam, der einst ihr geliebter Sohn gewesen war.

„Elise, bleib weg!“

Aber sie ignorierte ihn. Sie rannte weiter, obwohl ihre tränengefüllten Augen Camdens abscheuliche, furchterregende Erscheinung wahrnahmen. Sie würgte an einem Schluchzen, aber ihre Arme blieben geöffnet, und ihre Füße rannten weiter auf dem Rasen hinunter zum Kiesweg.

Aus den Augenwinkeln sah Chase, wie die Aufmerksamkeit des wilden, bernsteinfarbenen Rogue-Blicks sich Elise zuwandte. Jetzt auf sie fixiert, ließ der blutrünstige Vampir ein schreckliches, lautes Knurren ertönen und sank in eine lauernde, sprungbereite Hockstellung. Chase wirbelte herum und warf sich zwischen Mutter und Sohn. Er hatte die Pistole gezogen und angelegt, bevor es ihm bewusst wurde.

Eine Sekunde tickte vorbei.

Elise kam immer noch auf sie zu, weinend und Camdens Namen rufend.

Chase maß im Geiste die Entfernung und wusste, dass ihm nur noch wenige Sekunden blieben, bis diese Konfrontation in eine Tragödie ausarten würde. Er hatte keine Wahl. Er musste handeln. Er konnte nicht danebenstehen und ihr Leben riskieren …

Der Knall des Schusses krachte wie Donner durch die Nacht.

Elise schrie. „Nein! O Gott – neiiin!“

Chase stand da, taub, sein Finger zog immer noch den Abzug durch. Das Titangeschoss hatte sein Ziel direkt in die Mitte der Brust getroffen und den Rogue zu Boden geworfen. Das Todeszucken setzte ein und radierte alle Hoffnung aus, dass Camden von der Besessenheit der Blutlust gerettet werden könnte. Das Crimson hatte einen wandelnden Toten aus ihm gemacht. Jetzt war es zu Ende. Camdens Leiden war vorbei.

Das von Elise – wie auch das von Chase – hatte erst begonnen.

Sie raste auf ihn los and prügelte mit beiden Fäusten auf ihn ein. Sie traf sein Gesicht, seine Schultern, seine Brust, schlug auf alles ein, was sie treffen konnte. Ihre lavendelfarbenen Augen waren von Tränen überschwemmt, ihr schönes Gesicht bleich und verzerrt, ihre Stimme ertrunken im Schluchzen und Weinen, das aus ihrer Kehle strömte.

Chase ertrug die Züchtigung mit Schweigen. Was konnte er tun? Was gab es zu sagen?

Er ließ sie all ihren Hass an ihm auslassen, bis sie schließlich in einer Drehung neben ihrem Sohn zusammenbrach. Das Titan verwandelte seine Überreste schnell in Asche. Erst jetzt fand Chase die Kraft, sich zu bewegen. Er starrte auf ihre zusammengekauerte Gestalt auf dem Kiesweg, seine Ohren klingelten von den traurigen Geräuschen ihres Grams. Dann, in müdem Schweigen, ließ er die Waffe aus der schlaffen Hand fallen.

Er wandte sich ab – von ihr, von seiner Zuflucht im Dunklen Hafen, die lange sein Heim gewesen war – und ging allein in die Dunkelheit.

Dante wurde wachgerüttelt. Seine Augenlider flogen auf, sein Atem sägte in ihm. Er war zwischen Wänden aus Flammen gefangen, geblendet von Feuer und Asche. Unfähig, Tess zu erreichen. Er setzte sich auf, schwankend, die frische Vision in seinem Geist schnitt in sein Herz.

O Gott, wenn er versagt hätte …

Wenn er sie verloren hätte …

„Dante?“

Eine totale Erlösung durchflutete ihn beim Klang ihrer Stimme, bei der herrlichen Erkenntnis, dass sie da war, dass sie auf seiner Bettkante saß. Er hatte sie aus einem dämmrigen Schlaf geweckt. Sie hob den Kopf von den Armen, die Haare verwüstet, ihre freundlichen Augen von Schläfrigkeit beschattet.

„Dante, du bist wach.“ Ihre Züge hellten sich auf, und sie rückte zu ihm, streichelte seine Haare und sein Gesicht.

„Ich war so besorgt. Wie fühlst du dich?“

Er dachte, er müsste sich bedeutend schlechter fühlen, als er es tat. Er fühlte sich gut genug, um sie in seine Arme zu nehmen. Stark genug, sie neben sich ins Bett zu ziehen, wo er sie hingebungsvoll küsste.

Er war lebendig genug, um zu wissen, was er jetzt mehr brauchte als alles andere: ihren an ihn gepressten nackten Körper zu spüren.

„Es tut mir leid“, murmelte er. „Tess, es tut mir alles so leid, was du meinetwegen durchmachen musstest …“

„Psst, dafür haben wir später Zeit. Wir können all das später klären. Jetzt musst du dich ausruhen.“

„Nein“, sagte er, zu glücklich, dass er mit ihr zusammen war, um noch mehr Zeit mit Schlafen zu verschwenden.

„Was ich dir erzählen muss, kann nicht warten. Ich habe heute etwas Schreckliches erfahren. Ich habe erfahren, wie es wäre, dich zu verlieren. Das ist ein Ort, an dem ich niemals wieder sein will. Ich muss wissen, dass du beschützt wirst, dass du sicher bist …“

„Ich bin hier, Dante. Du hast mich gerettet.“

Er streichelte die samtene Haut ihrer Wange, so dankbar, dass er das jetzt tun konnte. „Du bist es, die mich gerettet hat, Tess.“

Er sprach nicht von seinen Verletzungen durch das Sonnenlicht, die sie mit ihrer erstaunlichen Gabe der Berührung geheilt hatte. Er sprach auch nicht von jener ersten Nacht, in der ihr Blut ihn in seinem schwächsten Moment gestärkt hatte. Tess hatte ihn auf so viele Arten gerettet, die weit über alldem standen. Diese Frau besaß ihn, sein Herz, seinen Leib und seine Seele, und er wollte, dass sie das jetzt erfuhr.

„Alles ergibt Sinn, wenn ich mit dir zusammen bin, Tess. Mein Leben ergibt einen Sinn, nach so vielen Jahren, die ich verschreckt im Dunkeln auf der Flucht war. Du bist das Licht, der Grund, warum ich lebe. Ich bin so tief mit dir verbunden. Es wird niemals eine andere geben.“