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Die klimatisierte Luft im Innern wirkte wie eine frische Brise und fühlte sich fantastisch an. Ich lockerte meinen Schlips, knöpfte den obersten Knopf an meinem Hemd auf, holte ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte mich müde auf die Liege, um es zu trinken.

Evan Pentelow war damit beschäftigt, eine alte Rechnung zu begleichen, und leider gab es für mich keine Möglichkeit, ihn daran zu hindern. Ich hatte bisher erst einmal mit ihm gearbeitet, bei seinem ersten großen Film und meinem siebten, und zum Schluß konnten wir uns nicht mehr ausstehen. Die Lage hatte sich auch nicht dadurch gebessert, daß ich es anschließend abgelehnt hatte, unter seiner Regie zu filmen, ein Umstand, durch den ihm mindestens zwei Kassenknüller entgangen waren, die er sonst hätte ergattern können.

Evan war der Liebling jener Kritiker, die glaubten, daß Schauspieler nur spielen können, wenn der Regisseur ihnen haarklein sagt, was zu tun ist. Evan machte keine halben Sachen: Er sah es gern, wenn seine Filme als» der neue Pentelow «bezeichnet wurden, und das erreichte er, indem er die Leichtgläubigen überzeugte, daß die ganze Kiste von A bis Z auf sein Talent zurückging — und nur auf seines. Egal, was für ein alter Hase ein Schauspieler war, Evan brachte ihm rigoros sein Handwerk bei. Evan erörterte nicht, wie eine Szene gespielt, ein Wort betont werden sollte. Er schrieb es vor.

Er hatte etliche große Namen auf Normalmaß gestutzt, ihnen zweifelhaftes Lob eingebracht wie etwa:»Pentelow ist es gelungen, ein ansprechendes Spiel aus Miss XY Superstar herauszuholen. «Und er merkte sich jeden, der ihm, wie ich, keine Gelegenheit dazu gab.

Zweifellos war er ein hervorragender Regisseur, begabt mit einer außerordentlich lebhaften visuellen Vorstellungskraft. Die meisten Schauspieler arbeiteten ausgesprochen gern mit ihm, da ihnen hohe Gagen winkten und seine Filme niemals unbeachtet blieben. Nur unverbesserliche Hornochsen wie ich waren der Ansicht, daß eine Darbietung zu wenigstens neun Zehnteln die Eigenleistung des Schauspielers sein sollte.

Ich seufzte, trank das Bier, ging aufs Klo und dann hinaus zu dem Moke. Apoll, um es einmal poetisch zu sagen, wütete noch immer am gleißenden Himmel.

Der ursprüngliche Regisseur des heißen Action-Krimis, für den wir engagiert waren, war ein ruhiger Intellektueller gewesen, der sich meistens vor dem Frühstück schon einen angezischt hatte und eines Morgens um zehn nach einer Überdosis Scotch tot umfiel. Das passierte an einem freien Wochenende, das ich wandernd allein in den Bergen von Yorkshire verbracht hatte, und als ich dienstags zum Drehort zurückkehrte, hatte Evan sich bereits häuslich eingerichtet und alle in die Zange genommen.

Es war noch ungefähr ein Achtel von dem Film zu drehen. Das durchtriebene Lächeln, das er aufgesetzt hatte, als er mich kommen sah, war reine, knüppeldicke Bosheit gewesen.

Eine Beschwerde bei der Produktion hatte nur beschwichtigende Worte, aber keine erfreulichen Ergebnisse gebracht.

«Sonst war niemand von dem Kaliber frei… Wir können doch das Geld unserer Sponsoren nicht aufs Spiel setzen, oder? Nicht, wie die Dinge heute liegen. Das müssen wir realistisch sehen… Natürlich weiß ich, daß Sie normalerweise nicht mit ihm arbeiten, Link, aber hier handelt es sich um einen Notfall, verdammt noch mal… Es steht auch diesmal nicht schwarz auf weiß in Ihrem Vertrag, müssen Sie wissen, denn ich habe nachgesehen. Na ja, wir haben wohl eigentlich auf Ihre Gutmütigkeit vertraut — «

«Und darauf«, unterbrach ich trocken,»daß ich vier Prozent von den Bruttoeinnahmen kassiere?«

Der Produktionsleiter räusperte sich.»Ehm, wir hätten unsererseits nicht den Fehler gemacht, Sie daran zu erinnern, aber da Sie es schon sagen, ja.«

Belustigt hatte ich schließlich nachgegeben, wenn auch mit einem unguten Gefühl, da die Außenaufnahmen in dem Wagen alle noch bevorstanden. Ich hatte gewußt, daß Evan schwierig war, hatte aber nicht damit gerechnet, daß er es fast bis zum Sadismus treiben würde.

Mit einem Ruck brachte ich den Moke hinter dem Sonnendach zum Stehen und legte die Plane darüber, damit er nicht wieder zu glühen anfing. Ich war genau zwölf Minuten weggewesen, doch als ich in den Unterstand trat, entschuldigte Evan sich gerade bei den Kameraleuten, daß ich sie in dieser Hitze herumhängen ließ. Terry, der eben erst die Arriflex mit einem frischen Magazin aus der Kühlbox versorgt hatte, machte eine wegwerfende Handbewegung, aber niemand raffte sich zu einer Widerrede auf. Bei vierzig Grad im Schatten hatte außer Evan niemand mehr einen Funken Energie.

«Also gut«, sagte er munter.»Steigen Sie in den Wagen, Link. Szene 623, die zehnte. Und daß es in drei Teufels Namen diesmal klappt.«

Ich sagte nichts. Von den neun vorhergehenden Aufnahmen waren drei verschleiert; blieben die sechs von heute, und ich wußte genau wie alle anderen, daß Evan jede einzelne davon hätte verwenden können.

Ich stieg ein. Wir filmten die Szene noch zweimal.

Evan brachte es fertig, selbst danach noch zweifelnd den Kopf zu schütteln, doch der Chefkameramann sagte ihm, das Licht werde zu gelb und weitere Aufnahmen seien sinnlos, da sie sich nicht auf die Szene davor abstimmen ließen. Evan gab nur nach, weil ihm kein plausibler Grund zum Weitermachen einfiel, und dafür dankte ich Apoll.

Das Team packte zusammen. Das Mädchen kam schlapp herüber und nahm mir die Handschellen ab. Zwei Arbeiter begannen den Sportwagen in Staubdecken und Planen einzumummeln, die sie am Boden festpflockten, und Terry und Lucky bauten ihre Kameras ab und machten sie transportfertig.

Zu zweit oder zu dritt zottelten alle zu den Wohnwagen hinüber, während ich Evan in dem Moke mitnahm und unterwegs nicht ein Wort zu ihm sagte. Der Bus aus der nahen Kleinstadt Madroledo war eingetroffen und hatte die beiden Nachtwächter mitgebracht. Die Bezeichnung» Bus «war schmeichelhaft für ihn — ein alter Flughafenpendler mit viel Gepäckraum und wenig Sitzkomfort. Die Firma behauptete, sie habe sich einen klimatisierten Luxus-Reisebus ausbedungen, doch tatsächlich aufgetaucht war diese Klapperkiste.

Das Hotel in Madroledo, in dem die ganze Crew wohnte, gehörte so ziemlich zur gleichen Kategorie. Die kleine Stadt im Landesinneren, weitab vom Fremdenverkehr, bot Vorzüge, über deren Bescheidenheit jeder Pauschalreiseunternehmer erblaßt wäre, doch die Produktion sagte, sie hätte uns dort unterbringen müssen, da die besten Hotels an der Küste, in Almeria, von Hunderten von Amerikanern belegt seien, die im benachbarten Wüstenabschnitt ein Westernepos drehten.

Eigentlich waren mir selbst die strapaziösen Teile dieses Films noch erheblich lieber als das letzte kleine Abenteuer, in dem ich agiert hatte, eine nebelum waberte Kletterjagd, bei der ich tagelang an Felsvorsprüngen hing, während die Requisite mir eimerweise künstlichen Gewitterregen über den Kopf schüttete. Es nützte nicht viel, wenn ich mich über die Hämmer beschwerte, die mir mitunter zugemutet wurden: Ich hätte als eine Art Stuntman angefangen, hieß es dann, was machte es da schon aus, wenn es ein bißchen kalt, ein bißchen heiß sei? Steigen Sie auf die Felskante, sagte man mir. Steigen Sie in den Wagen. Und denken Sie einfach daran, wieviel Kohle das gibt, mit der Sie sich später über Ihre Arthritis hinwegtrösten können. Nur keine Angst, sagte man, wir lassen nicht zu, daß Ihnen ernstlich was passiert — nicht bei den hohen Versicherungsprämien und nicht, solange noch fast jeder Film, den Sie drehen, die Herstellungskosten innerhalb eines Monats einspielt. Reizende Menschen, die Produzenten, mit Dollarzeichen statt Augen, Registrierkassen statt Herzen.

Abgekühlt und erfrischt traf sich das ganze Team zum Aperitif in Madroledos Vorstellung von einer amerikanischen Bar. Draußen in der Wüste stand der Sportwagen von Scheinwerfern bewacht in der warmen Nacht, ein vermummtes Etwas, das heute nicht mehr gebraucht wurde. Morgen abend oder spätestens übermorgen, dachte ich, würden wir alle Szenen abgedreht haben, für die ich ans Steuer gekettet sein mußte. Vorausgesetzt, daß Evan kein Vorwand einfiel, Szene 623 noch mal zu drehen, fehlten uns bloß noch 624 und 625, die Rettung aus höchster Not. Szene 622 und 621, in denen der Mann aus einem drogeninduzierten Schlaf erwacht und seine mißliche Lage abschätzt, hatten wir fertig, und auch die Helikopterschüsse waren im Kasten: weit ausgreifende und dann näher herangehende Luftaufnahmen, die den Sportwagen auf seinem öden, einsamen Terrain zeigten und den zusammengesackten Mann im Wageninneren erkennen ließen. Das sollten die ersten Bilder des Films sein und der Hintergrund zum Vorspann; der Hauptteil der Geschichte wurde anschließend in einer einzigen langen Rückblende erzählt, aus der hervorging, wie der Wagen und der Mann dorthin gekommen waren.