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«In Ordnung.«

Er erhob sich zum Gehen.»Also… bon voyage«, sagte er und fügte nach einer kurzen Pause hinzu:»Vielleicht versucht er ja gar nichts.«

«Hoffentlich nicht.«

Er nickte, schüttelte mir die Hand, trank den Rest seines Wodkas auf einen Zug und ließ mich mit meinen Gedanken allein.

Der erste davon war, wenn ich vorhatte, einen ganzen Kontinent mit der Bahn zu durchqueren, könnte ich die Reise ebensogut auf die Art antreten, wie ich sie fortsetzen wollte. Falls ein Zug von Ottawa nach Toronto ging, würde ich damit fahren, anstatt zu fliegen.

Es ging tatsächlich ein Zug, bestätigte das Hotel. Abfahrt 17 Uhr 50, Ankunft vier Stunden später. Abendessen an Bord.

Ottawa hatte seinen zentral gelegenen Bahnhof sozusagen unter den Teppich gekehrt, als ob Eisenbahnen, wie die unteren Gesellschaftsklassen, nicht zu sehen sein sollten, und mehrere Meilen außerhalb der Stadt in denkbar ungünstiger Lage einen großen neuen Bahnhof gebaut. Der Bahnhof selbst erwies sich jedoch als Augenweide, ein riesiges, hohes Zelt aus Glas zwischen Bäumen, in das sich die Nachmittagssonne ergoß und schräge Schatten auf den glänzend schwarzen Boden warf.

Die Leute, die auf den Zug warteten, hatten ihr Gepäck in einer Reihe abgestellt und sich auf die Bänke entlang den Glaswänden gesetzt, eine sehr vernünftige Regelung, wie ich fand, und so stellte ich meinen Koffer ans Ende der Schlange und suchte mir auch einen Platz. Filmer hin, Filmer her, dachte ich, bis jetzt fühlte ich mich ausgesprochen wohl.

Das Essen im Zug wurde serviert wie in Flugzeugen. Mehrere Stewards in Hemdsärmeln und dunkelgelben Westen schoben zuerst einen Wagen mit Getränken, dann einen mit Speisen durch den Mittelgang und bedienten im Vorübergehen links und rechts. Ich schaute ihnen eine Zeitlang müßig zu, und als sie an mir vorbei waren, konnte ich mich nicht mehr an ihre Gesichter erinnern. Ich trank französischen Wein, während es über der vorbeifliegenden Landschaft dämmerte, aß nach Einbruch der Dunkelheit ein Dinner, wie es wenige Fluglinien anboten, und dachte über Chamäleons nach; in Toronto nahm ich dann ein Taxi und stieg wieder in einem Hotel der Four-Seasons-Kette ab, wie ich es Bill Baudelaire gesagt hatte.

Am Morgen, einige hundert Gedanken später, folgte ich der Wegbeschreibung des Hotelportiers und ging zu Fuß zum Büro der Reiseveranstalter, Merry & Co, deren Prospekt ich bereits kannte.

Der Eingang in Straßenhöhe war nicht imponierend, das Gebäude wirkte klein, um so geräumiger aber das hell erleuchtete Innere, mit hellem Teppichboden, hellem Holz und einem Flair von absoluter Ruhe. Es gab ein paar Grünpflanzen, ein oder zwei Sofas und jede Menge Schreibtische, hinter denen leise, bedächtige Telefongespräche geführt wurden. Alle Telefonierenden saßen zur Mitte des riesigen Raums hin und blickten nach vorn, nicht auf die Wände.

Ich ging zu dem Schreibtisch eines zielbewußt aussehenden Mannes mit Bart, der nicht gerade am Telefon sprach, sondern sich die Fingernägel reinigte.

«Kann ich helfen?«fragte er knapp.

Ich sagte, ich wolle zu dem, der den Rennexpreß organisiere.

«Ah ja. Da drüben. Drittnächster Tisch.«

Ich dankte ihm. Der drittnächste Tisch da drüben war nicht besetzt.

«Sie kommt gleich wieder«, tröstete der übernächste Tisch.

«Nehmen Sie ruhig Platz.«

Vor den Schreibtischen standen Sessel, vermutlich für die Kundschaft. Bequeme Sessel zum Verwöhnen der Kunden, dachte ich flüchtig, als ich mich hinsetzte.

Auf dem verlassenen Schreibtisch stand eine Plastikkarte mit

Prägedruck, die den Namen seiner Inhaberin verkündete: Nell. Eine ruhige Stimme hinter mir sagte leise:»Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, und ich stand höflich auf und sagte:

«Ja, bitte.«

Sie hatte blondes Haar, graue Augen, ein irgendwie frisches, mit Sommersprossen besprenkeltes Gesicht, aber sie war nicht so jung, wie es auf den ersten Blick aussah, dachte ich, sonst wäre sie achtzehn gewesen.

«Ich komme wegen des Zuges«, sagte ich.

«Ja. Könnten Sie sich vielleicht auf fünf Minuten beschränken? Da ist noch so viel zu regeln. «Sie ging um ihren Schreibtisch herum, setzte sich und sah auf einen Berg von Listen nieder.

«Mein Name ist Tor Kelsey«, begann ich.

Ihr Kopf fuhr hoch.»Wirklich? Der Jockey Club hat uns Ihren Namen heute morgen mitgeteilt. Also, wir haben Sie reingenommen, weil Bill Baudelaire sagte, sonst würde er die ganze Veranstaltung abblasen. «Die kühlen grauen Augen taxierten mich nicht gerade so, als ob der, den sie vor sich sah, das Theater nicht wert wäre, aber es ging in die Richtung.»Der Speisewagen ist das Problem«, sagte sie.»Der hat nur achtundvierzig Plätze. Alle müssen gleichzeitig zu Tisch sein, weil der Krimi vor und nach den Mahlzeiten aufgeführt wird, und auf zwei oder drei von diesen Plätzen sitzen Schauspieler. So war es jedenfalls vorgesehen, nur ist für die jetzt auch kein Platz mehr, weil mein Boß zu viele Karten an Nachzügler verkauft hat, und Sie sind genau Nummer neunundvierzig. «Sie hielt kurz inne.»Das ist wohl unsere Sorge, nicht Ihre. Wir haben Ihnen ein Einbettabteil reserviert, und Bill Baudelaire sagt, wir möchten Ihnen bitte jeden Wunsch erfüllen. Wir fragten ihn, was für Wünsche Sie haben könnten, und er wußte es nicht. Hilft einem wie verrückt. Wissen Sie selbst, was Sie wollen?«»Ich wüßte gern, wer die Schauspieler sind und welche Handlung ihr Stück hat.«

«Nein, das geht nicht. Das verdirbt Ihnen doch den Spaß. Wir verraten den Reisenden nie was.«

«Hat Bill Baudelaire Ihnen gesagt«, fragte ich,»warum er mich unbedingt in dem Zug haben wollte?«

«Eigentlich nicht. «Sie krauste ein wenig die Stirn.»Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht, muß mich ja um so viel anderes kümmern. Er hat einfach darauf bestanden, daß wir Sie mitnehmen, und da der Jockey Club unser Kunde ist, richten wir uns nach ihm.«

«Fahren Sie auch mit dem Zug?«fragte ich.

«Ja. Es muß jemand von der Firma dabeisein, um die Krisen zu beheben.«

«Und wie gut können Sie ein Geheimnis bewahren?«

«Ich bewahre jeden Morgen vor dem Frühstück schon ein halbes Dutzend.«

Ihr Telefon klingelte leise, und sie meldete sich mit leiser Stimme, fügte ihr Murmeln dem anderen Gemurmel im Raum hinzu. Mir wurde klar, daß die Stille eine gezielte Politik war, denn sonst hätten sie alle aus vollem Hals schreien müssen und von dem, was ihre Anrufer sagten, kein Wort verstanden.

«Ja«, sagte sie gerade.»Vor zehn in Mimico. Vier Dutzend, ja. Packen Sie sie in den Sonderspeisewagen. Gut. Prima. «Sie legte den Hörer auf und sagte ohne Übergang zu mir:»Was für ein Geheimnis soll denn gewahrt bleiben?«

«Daß der Jockey Club mich engagiert hat. um Krisen abzuwenden.«

«Oh. «Es war ein gedehnter Laut des Verstehens.»In Ordnung, bleibt geheim. «Sie dachte kurz nach.»Die Schauspieler proben gerade hier in der Nähe. Da ich heute sowieso noch zu ihnen muß, kann das genausogut gleich

passieren. Was soll ich ihnen sagen?«

«Am liebsten, daß Ihre Firma mich als Störungssucher in den Zug setzt, weil eine ganze Zugladung von Rennsportfreunden eine unbeständige Masse ist, die nur einen Vorwand sucht, um zu explodieren. Sagen Sie, es sei für alle Fälle.«

«Das ist es ja auch«, sagte sie.

«Na gut. Und ich möchte auch Ihr Problem mit dem neunundvierzigsten Platz lösen. Ich möchte als Kellner in dem Zug mitfahren.«

Sie sah nicht erstaunt drein, sondern nickte.»Ja, okay. Gute Idee. Wir setzen ziemlich oft einen Schauspieler als Kellner ein, aber auf dieser Tour zum Glück nicht. Die Eisenbahngesellschaft ist sehr hilfsbereit, wenn man sie bittet. Ich mach das schon. Also kommen Sie, es gibt noch so viel zu tun.«

Sie bewegte sich schnell, ohne daß es so aussah, und bald darauf flitzten wir in ihrem kleinen blauen Wagen um irgendwelche Ecken und hielten mit einem Ruck vor der Garage eines großen Hauses an.