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«Ich habe Ezra Gideon besucht, nachdem Sie und John Millington Welfram aufgestöbert hatten«, sagte er.»Ich zeigte Ezra Ihr Foto von Welfram. Ich dachte, er fällt in Ohnmacht, so blaß wurde er, aber geredet hat er dennoch nicht. Und jetzt, verdammt noch mal, haben wir an einem Tag beide Kontakte verloren. Wir wissen nicht, wen Filmer sich als nächstes vornimmt oder ob er schon wieder zugange ist, und es wird teuflisch schwer sein, noch so einen Angstmacher aufzuspüren.«

«Wahrscheinlich hat er selbst noch keinen gefunden«, sagte ich.

«Bestimmt keinen gleichwertigen. So verbreitet sind die doch nicht, oder?«

«Die Polizei sagt, sie werden jünger.«

Er schaute ungewöhnlich mutlos drein für jemand, dessen Erfolgsquote sonst rundum beeindruckend war. Die verlorene Schlacht wurmte ihn; die Siege waren abgetan. Ich trank Wein und wartete darauf, daß der Kommandeur in dem besorgten Mann zum Vorschein kam, wartete darauf, daß er den Aktionsplan darlegte.

Er überraschte mich jedoch, indem er sagte:»Ich hätte nicht gedacht, daß Sie bei dem Job so lange bleiben.«

«Wieso nicht?«

«Das wissen Sie doch ganz genau. Sie sind ja nicht dumm. Clement sagte mir, der Haufen Geld, den Ihr Vater Ihnen hinterließ, hat sich zwanzig Jahre lang nichts als vermehrt und ist gewachsen wie ein Pilz. Wächst immer noch. Wie ein ganzes Feld von Pilzen. Warum gehen Sie nicht hin und pflücken sie?«

Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und fragte mich, was ich sagen sollte. Ich wußte sehr gut, warum ich sie nicht pflückte, war mir aber nicht sicher, ob es auch vernünftig klang.

«Kommen Sie«, sagte er.»Ich muß das wissen.«

Ich sah in seine gespannten Augen und spürte seine Konzentration, und plötzlich wurde mir klar, daß er, ohne es auszusprechen, meine Antwort offenbar als Grundlage für den Einsatzplan nehmen wollte.

«Es ist gar nicht so einfach«, sagte ich langsam,»und lachen Sie jetzt nicht, es ist wirklich nicht so einfach, sich alles leisten zu können, was man will. Abgesehen von den Kronjuwelen und derlei Kleinigkeiten. Na ja… mir fällt es nicht leicht. Ich bin wie ein Kind, das auf einen Süßwarenladen losgelassen wird. Ich könnte essen und essen. mich krank futtern. und nur immer noch mehr wollen… und hoffnungslos abschlaffen. Also lasse ich die Finger von den Bonbons und beschäftige mich damit, daß ich Gauner verfolge. Wäre das eine Antwort?«

Er brummte unverbindlich.»Wie stark ist die Versuchung?«

«An eiskalten Tagen bei Wind und Schneeregen, auf einer Bahn wie Doncaster, wirklich sehr stark. In Ascot bei Sonnenschein spüre ich sie nicht.«

«Im Ernst«, sagte er.»Drücken wir es mal anders aus. Wie stark ist Ihr Engagement für den Sicherheitsdienst?«

«Das sind an sich zwei verschiedene Dinge«, sagte ich.»Ich pflücke nicht allzu viele Pilze, weil ich Ordnung halten will… festen Boden unter den Füßen haben möchte. Pilze können schließlich halluzinogen sein. Ich arbeite für Sie, für den Sicherheitsdienst, statt im Bankgeschäft oder als Landwirt und so weiter, weil es mir gefällt und mir eigentlich gar nicht so schlecht von der Hand geht; außerdem ist es nützlich, und im Däumchendrehen bin ich nicht besonders gut. Ob ich mein Leben für Sie opfern würde, weiß ich nicht. Wollten Sie das hören?«

Seine Mundwinkel zuckten. Er sagte:»Also gut. Wie stehen Sie denn heute so zur Gefahr? Ich weiß, daß Sie auf Ihren Reisen ziemlich waghalsige Sachen gemacht haben.«

Nach kurzem Zögern sagte ich:»Welche Art von Gefahr?«

«Körperliche. «Er rieb sich mit Daumen und Zeigefinger über den Nasenrücken und sah mich mit ruhigem Blick an.»Möglicherweise.«

«Was soll ich denn tun?«

Wir waren beim Zweck der Zusammenkunft angelangt, aber er zauderte immer noch.

Ich wußte irgendwie, daß er sich wegen der von ihm so genannten Pilze angewöhnt hatte, mit mir so zu sprechen, wie er es tat, wohl Vorschläge zu machen, selten aber ausdrückliche Befehle zu erteilen. Hätte ich ihm als Offizier in der Armee unterstanden, wäre er direkter gewesen. Millington, der von den Pilzen nichts wußte, konnte mich hemmungslos herumkommandieren wie ein Hauptfeldwebel und tat es in Streßsituationen knallhart.

Millington sagte meistens Kelsey zu mir und nur an guten Tagen auch mal Tor. (»Tor? Was ist denn das für ein Name?«hatte er am Anfang zu wissen verlangt.»Die Kurzform von Torquil«, sagte ich. »Torquil? Haha. Ich kann es Ihnen nicht verdenken.«) Sich selbst nannte er stets Millington (»Hier Millington«, wenn er anrief), und so dachte ich auch an ihn — er hatte mich nie aufgefordert, John zu ihm zu sagen. Ich nahm an, daß ein Mann, der lange in einer streng hierarchischen Organisation gedient hatte, Nachnamen ganz natürlich fand.

Die Aufmerksamkeit des Brigadiers schien weiterhin auf das

Glas gerichtet, das er langsam in seinen Händen drehte, doch schließlich setzte er es exakt auf die Mitte eines Bierfilzes, als sei er zu einem ebenso exakten Schluß gelangt.

«Ich habe gestern einen Anruf von meinem Kollegen beim kanadischen Jockey Club bekommen. «Wieder hielt er inne.

«Waren Sie schon mal in Kanada?«

«Ja«, sagte ich.»Eine Zeitlang, so ungefähr drei Monate, hauptsächlich im Westen. Calgary. Vancouver. von dort bin ich mit dem Schiff nach Alaska rauf.«

«Waren Sie in Kanada beim Pferderennen?«

«Ein paarmal, ja, aber das muß so sechs Jahre her sein… und ich kenne da niemand — «, verwirrt brach ich ab, da ich nicht wußte, um was es ihm ging.

«Sind Sie über diesen Zug informiert?«fragte er.»Den Transkontinentalen Erlebnis- und Rennexpress? Schon mal gehört davon?«

«Hm«, sagte ich nachdenklich.»Ich habe neulich was darüber gelesen. Lauter große kanadische Besitzer, die mit ihren Pferden auf Vergnügungstour gehen und sie auf Rennbahnen entlang der Strecke laufen lassen. Meinen Sie den?«

«Den meine ich. Aber die Besitzer sind nicht alles Kanadier. Es sind auch Amerikaner dabei, einige Australier und ein paar Briten. Einer der britischen Passagiere ist Julius Filmer.«

«Oh«, sagte ich.

«O ja. Der Jockey Club von Kanada hat der ganzen Geschichte seinen Segen gegeben, weil sie weltweite Publicity bringt und sie sich Rekordbesucherzahlen erhoffen, neuen Auftrieb für den gesamten kanadischen Rennsport. Mein Kollege Bill Baudelaire sagte mir gestern, er habe mit der Firma gesprochen, die das alles arrangiert — anscheinend gibt’s da regelmäßige Informationsrunden —, und habe festgestellt, daß jemand nachträglich in die Passagierliste aufgenommen worden ist, nämlich Julius Filmer. Bill Baudelaire weiß natürlich Bescheid über das Fiasko mit dem Prozeß. Er fragte, ob es uns nicht möglich wäre, den unerwünschten Mr. Filmer von diesem renommierten Zug fernzuhalten. Ob wir ihn nicht zur Persona non grata auf allen Rennplätzen erklären könnten, auch und insbesondere den kanadischen? Hören Sie, sagte ich ihm, wenn wir irgendwelche Gründe hätten, Filmer Rennbahnverbot zu erteilen, hätten wir es schon getan, aber der Mann ist freigesprochen worden. Wir dürfen ihn nicht ächten, nachdem man ihn für unschuldig erklärt hat, sonst bekommen wir alle möglichen Scherereien. Daß er Gideon zwei Pferde abgekauft hat, reicht nicht aus, um ihn von der Rennbahn zu verweisen. Heutzutage können wir ihn nicht ausschließen, bloß weil wir das gerne möchten, er kann nur Bahnverbot bekommen, wenn er gegen die Rennordnung verstößt.«

Die ganze Wut und Enttäuschung des Jockey Club schwang in seiner Stimme. Er war kein Mann, der Ohnmacht leichtnahm.

«Bill Baudelaire weiß das natürlich alles«, fuhr er fort.»Er sagte, wenn wir Filmer nicht aus dem Zug rausholen könnten, möchten wir bitte einen unserer Würdenträger mit hineinsetzen. Das ganze Ding ist zwar ausgebucht, aber er hat die Veranstalter gedrängt, ihm noch eine Fahrkarte auszustellen, und er wollte, daß einer unserer Stewards oder ein Ressortleiter des Jockey Club oder ich selbst deutlich sichtbar mitfährt, damit Filmer sich scharf beobachtet weiß und von allen Sünden abläßt, die er vielleicht im Sinn hat.«