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Der Dolmetscher Bruno Salvador erhält einen Auftrag vom britischen Geheimdienst. Für zwei Tage wird er an einen geheimen Ort gebracht. Er dolmetscht eine inoffizielle Konferenz, an der auch afrikanische Politiker teilnehmen. Auf dem Spiel steht die Zukunft des Kongo. Die krisengeschüttelte und an Rohstoffen reiche Region ist Brunos Heimat. Bahnt sich in dem fernen Land eine Katastrophe an? Gemeinsam mit seiner jungen Geliebten Hannah sucht Bruno Verbündete, die mit ihm für eine demokratische Zukunft des Kongo streiten. Doch plötzlich werden Hannah und er zu Gejagten, denn in Brunos Besitz befinden sich wertvolle Dokumente …

John le Carré, geboren 1931 in Poole, Dorset, studierte in Bern und Oxford Germanistik, bevor er in diplomatischen Diensten u. a. in Bonn und Hamburg tätig war. Sein Roman Der Spion, der aus der Kälte kam begründete seinen Weltruhm als Bestsellerautor. John le Carré lebt mit seiner Frau in Cornwall und London.

John le Carré

Geheime Melodie

Roman Aus dem Englischen von Sabine Roth und Regina Rawlinson

List

Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel The Mission Song bei Hodder & Stoughton in London.

List ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH

ISBN-13 978-3-471-79547-7 ISBN-10 3-471-79547-2

© by David Cornwell, 20062006

Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany

Gesetzt aus Berling und Bodoni bei Leingärtner, Nabburg Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck

»Die Eroberung der Welt, die im wesentlichen darauf hinausläuft, daß man sie denen fortnimmt, die eine andere Hautfarbe oder etwas plattere Nasen als wir haben, ist, genau besehen, nichts Erfreuliches.«

Joseph Conrad, Herz der Finsterni

© der deutschen Ausgabe by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

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Danksagung

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Mein Name ist Bruno Salvador. Meine Freunde nennen mich Salvo, meine Feinde ebenso. Entgegen anderslautenden Behauptungen bin ich ein unbescholtener Bürger des Vereinten Königreichs und Nordirlands, von Beruf Konferenzdolmetscher für Swahili und die weniger bekannten, aber weitverbreiteten Sprachen des Ostkongo, vormals Teil von Belgisch-Kongo, daher auch meine Beherrschung des Französischen, ein weiterer Pfeil in meinem Köcher. Meine Dienste sind an den Londoner Zivil- und Strafgerichten so regelmäßig gefragt wie auf Dritte-Welt-Konferenzen jedweder Art, siehe meine erstklassigen Referenzen von führenden Konzernen unseres Landes. Meinen besonderen Fertigkeiten verdanke ich außerdem die Ehre, meine patriotische Pflicht gegenüber einer Behörde erfüllen zu dürfen, deren Existenz routinemäßig geleugnet wird. Ich bin nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten, ich zahle gewissenhaft meine Steuern, ich bin kreditwürdig und habe ein gutes Standing bei meiner Bank. Dies sind unumstößliche Fakten, an denen kein noch so hohes Maß an bürokratischer Manipulation etwas ändern wird.

In sechs Jahren ehrlicher Arbeit in der Wirtschaftswelt – ob nun bei Telefonkonferenzen mit ihren obligatorischen verbalen Eiertänzen oder bei diskreten Zusammenkünften in neutralen Städten auf dem europäischen Kontinent – ist mein Können der kreativen Beeinflussung der Öl-, Gold-, Diamanten-, Mineralien-und anderer Rohstoffmärkte zugute gekommen, ganz zu schweigen von den Millionen von Dollar, die es vor den neugierigen Augen der Aktionäre auf Nummernkonten an so entlegenen Orten wie Panama, Budapest oder Singapur zu retten galt. Fragt man mich, ob mir bei meiner Mithilfe bei solchen Transaktionen das Gewissen schlägt, so ist meine Antwort ein dezidiertes »Nein«. Die Berufsehre des Spitzendolmetschers läßt derlei nicht zu. Er wird nicht dafür bezahlt, seinen Skrupeln zu frönen. Er ist seinem Auftraggeber in derselben Weise verpflichtet wie ein Soldat seiner Fahne. Als Geste gegenüber den Benachteiligten dieser Welt habe ich es mir jedoch zur Gewohnheit gemacht, mich unentgeltlich den Londoner Krankenhäusern, Gefängnissen und Einwanderungsbehörden zur Verfügung zu stellen, auch wenn die Aufwandsentschädigung in diesen Fällen kläglich ist.

Im Wählerverzeichnis stehe ich unter Norfolk Mansions Nr. 17, Prince of Wales Drive, Battersea, South London – eine Eigentumswohnung in bester Lage, die zum Teil mir gehört und zum größeren Teil meiner mir gesetzlich angetrauten Ehefrau Penelope (um Gottes willen nicht »Penny«!), einer hochkarätigen Oxbridge-Journalistin, vier Jahre älter als ich und mit ihren zweiunddreißig Jahren ein aufsteigender Stern am Firmament eines großen britischen Boulevardblattes, das die Meinung von Millionen bildet. Penelopes Vater ist Seniorpartner einer Londoner Nobelkanzlei, Penelopes Mutter gibt in ihrem Tory-Ortsverein den Ton an. Wir haben vor fünf Jahren geheiratet, aufgrund gegenseitiger körperlicher Anziehung sowie mit dem einvernehmlichen Ziel einer Schwangerschaft, sobald ihre Karriere es zuließe, da fester Bestandteil meiner Lebensplanung die Gründung einer stabilen Kernfamilie nach konventionellem britischem Vorbild war. Der geeignete Zeitpunkt hat sich jedoch nicht ergeben, was mit ihrem rasanten Aufstieg bei der Zeitung zu tun hat, aber auch mit anderen Dingen.

Unsere Verbindung war nicht in jeder Hinsicht orthodox. Penelope ist die ältere Tochter einer angesehenen weißen Familie aus Surrey, Bruno Salvador alias Salvo der ungeplante Sohn eines gewöhnlichen irischen Missionars und eines kongolesischen Dorfmädchens, dessen Name in den Wirren der Kriege und Zeiten für immer verlorengegangen ist. Um es genauer zu sagen: Ich kam hinter den verschlossenen Pforten eines Kar-melitinnenklosters in der Stadt Kisangani zur Welt, dem damaligen Stanleyville, entbunden von Nonnen, die ewiges Stillschweigen gelobt hatten, was für jeden außer mir komisch, surreal oder frei erfunden klingt. Für mich jedoch ist es eine schlichte biologische Wahrheit, wie es das für jeden wäre, der als Zehnjähriger in einem Missionshaus im tiefgrünen Hochland von Süd-Kivu im östlichen Kongo am Bett seines frommen Vaters sitzen und dessen schluchzender Beichte lauschen mußte, hervorgestoßen halb im Französisch der Nor-mandie, halb in Ulster-irischem Englisch, dieweil tropische Regengüsse wie Elefantenfüße auf das grüne Blechdach trommelten und über seine fieberhohlen Wangen solche Tränenbäche strömten, als würden sämtliche Naturgewalten herandrängen, um bei dem Spektakel dabeizusein. Fragt man einen Abendländer, wo Kivu liegt, so wird er mit bedauerndem Lächeln den Kopf schütteln. Fragt man einen Afrikaner, dann sagt er »im Paradies«, denn genau das ist es: ein zentralafrikanisches Paradies aus dunstverschleierten Seen und vulkanischen Bergen, smaragdgrünen Weiden, üppigen Obsthainen und und und …

Im siebzigsten und letzten Jahr seines Lebens war die größte Sorge meines Vaters, er könnte mehr Seelen in Ketten gelegt als befreit haben. Die vatikanischen Missionare in Afrika, so er, waren gefangen in einem ewigen Dilemma zwischen dem, was sie dem Leben, und dem, was sie Rom schuldeten, und ich war Teil dessen, was er dem Leben schuldete, sosehr das seine Glaubensbrüder auch empörte. Wir beerdigten ihn auf Swahili, wie er es sich gewünscht hatte, doch als es an mir war, an seinem Grab »Der Herr ist mein Hirte« zu lesen, tat ich das in meiner ganz persönlichen Übersetzung, auf Shi, das er von allen Sprachen des Ostkongo am meisten liebte, weil es so kraftvoll und dabei so geschmeidig ist.

Uneheliche Mischlings-Schwiegersöhne fügen sich nicht nahtlos in die Gesellschaftsstrukturen des reichen Surrey – eine altbewährte Regel, von der Penelo-pes Eltern keine Ausnahme bildeten. Im richtigen Licht, so hatte ich mir als Heranwachsender oft gesagt, sehe ich mehr nach sonnengebräuntem Iren als nach mittelbraunem Afrikaner aus, und mein Haar ist glatt und nicht kraus, was keine geringe Assimilationshilfe ist. Aber so leicht ließen sich Penelopes Mutter und die anderen Damen aus dem Golfclub nicht täuschen, und der größte Alptraum der armen Frau war und blieb, ihre Tochter könnte ein kohlschwarzes Enkelkind in die Welt setzen. Was vielleicht Penelopes Zaudern erklärt, die Probe aufs Exempel zu machen, auch wenn ich im Rückblick meine Zweifel daran habe: schließlich hatte sie mich nicht zuletzt in der Absicht geheiratet, ihre Mutter zu schockieren und ihrer kleinen Schwester den Rang abzulaufen.