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„Wie läuft es?“, fragte er, ließ sich auf einen Stuhl fallen und legte einen großen gestiefelten Fuß auf den Schreibtisch vor ihm. „Ich dachte, du hättest diese Scheißkerle schon für uns in der Tasche, Gid.“

In Dantes Stimme war noch der Anflug des Akzents seiner Heimat zu erkennen, das Italien des achtzehnten Jahrhunderts, aber heute klang seine Stimme etwas rau, sicheres Anzeichen seiner inneren Unruhe und seines Wunsches nach Aktion. Wie um das zu unterstreichen, zog er eine seiner gebogenen Klingen aus einer Scheide an seiner Hüfte und begann träge mit der glänzenden Stahlklaue zu spielen.

Malebranche nannte er die gebogenen Klingen in Anspielung auf Dämonen, die einen der neun Kreise der Hölle bewohnten. Manchmal übernahm Dante die Bezeichnung aber auch ironisch als seinen Nachnamen, dann, wenn er sich unter Menschen aufhielt. Das war aber auch der einzig poetische Zug, den seine Seele aufwies; alles andere in seinem Inneren war ungerührte, kalte, düstere Bedrohung.

Das bewunderte Lucan an ihm und musste zugeben, dass eine besondere Schönheit von Dantes Kampfkunst in seinem Umgang mit diesen erbarmungslosen Klingen lag.

„Gute Arbeit, letzte Nacht“, sagte Lucan, sich dessen wohl bewusst, dass Lob – auch ein verdientes Lob – aus seinem Munde selten vorkam. „Du hast mir da draußen den Arsch gerettet.“

Er meinte nicht den Kampf mit den Rogues, sondern das, was nachher geschehen war. Lucan hatte schon zu lange keine Nahrung mehr zu sich genommen. Unterernährung war für seine Art fast so gefährlich wie die süchtig machende Blutgier der Rogues. Dantes Blick ließ erkennen, dass er die Bedeutung von Lucans Worten verstanden hatte, doch überging er Lucans Lob gewohnt lässig.

„Scheiße“, entgegnete er, indem er das Wort so in die Länge zog, dass es ein tiefes Kichern enthielt. „Nach all den Malen, in denen du mir den Rücken gedeckt hast? Vergiss es, Mann. Ich revanchiere mich nur.“

Die Glastüren des Labors glitten mit einem leisen Geräusch auf, als zwei weitere von Lucans Vampirbrüdern hereinkamen. Sie waren ein bemerkenswertes Paar. Nikolai war groß und athletisch, mit sandfarbenem Haar, auffallend kantigen Gesichtszügen und durchdringenden blauen Augen, die eine Nuance kälter waren als der Winter in seinem sibirischen Heimatland. Als bei Weitem Jüngster der Gruppe war Niko zurzeit des sogenannten Kalten Krieges der Menschen aufgewachsen. Er war schon immer von Technik besessen gewesen und war ständig auf der Suche nach dem nächsten Nervenkitzel. Daher stand er beim Stamm in vorderster Front, wenn es um Dinge wie Schusswaffen, technische Geräte und so weiter ging.

Conlan dagegen war freundlich, sanft und ernsthaft, ein perfekter Taktiker. Neben Niko mit seiner dreisten Angeberei wirkte er so geschmeidig wie eine Raubkatze – eine Mauer aus massigen Muskeln, sein kupferfarbenes Haar kurz geschoren. Er war ein Angehöriger einer jüngeren Generation – nach Lucans Maßstäben ein Jugendlicher –, und seine menschliche Mutter war die Tochter eines schottischen Clanoberhauptes gewesen. Conlans Haltung, sein ganzes Gebaren strahlten eine durchaus majestätische Würde aus.

Zum Teufel, selbst seine geliebte Stammesgefährtin Danika bezeichnete den Highlander sehr oft liebevoll als Mylord – und die ein Meter achtzig große Frau war alles andere als unterwürfig.

„Rio ist unterwegs“, verkündete Nikolai, und sein Mund verzog sich zu einem verschmitzten Grinsen, das zwei Grübchen in seinen schmalen Wangen zum Vorschein kommen ließ. Er nickte Lucan zu. „Eva meinte, ich soll dir sagen, dass wir ihren Mann haben können, wenn sie mit ihm fertig ist.“

„Wenn dann noch was übrig ist“, meinte Dante gedehnt und streckte seine Hand aus, um die anderen zu begrüßen, indem er seine Handfläche über ihre zog und anschließend mit seinen Fingerknöcheln kurz gegen ihre stieß.

Lucan grüßte Niko und Conlan mit ähnlichem Respekt, aber er verspürte leichten Ärger über Rios Verspätung. Er gönnte jedem Vampir seine erwählte Stammesgefährtin, aber Lucan persönlich sah keinen Sinn darin, sich den Forderungen und der Verantwortung zu unterjochen, die es mit sich brachte, wenn man mit einer Frau im Blut verbunden war. Von dem Durchschnittsvolk des Stammes wurde erwartet, dass sie sich eine Frau nahmen, sich mit ihr verbanden und die nächste Generation hervorbrachten, aber für die Klasse der Krieger, die wenigen auserwählten Männer, die die Zuflucht der Dunklen Häfen bereitwillig mieden und ihr Leben dem Kampf widmeten, sah Lucan die Blutsverbindung bestenfalls als sentimental an.

Schlimmstenfalls war es der Beginn großen Unheils, dann nämlich, wenn ein Krieger in Versuchung geriet, die Gefühle für seine Gefährtin über seine Verpflichtung gegenüber dem Stamm zu stellen.

„Wo ist Tegan?“, fragte er, als sich seine Gedanken dem Letzten ihrer Gruppe zuwandten.

„Noch nicht zurück“, antwortete Conlan.

„Hat er seinen Aufenthaltsort angegeben?“

Conlan wechselte einen Blick mit Niko, der leicht den Kopf schüttelte. „Kein Wort.“

„So lange war er noch nie verschwunden“, bemerkte Dante in die Runde hinein und ließ seinen Daumen über die geschwungene Schneide seiner Klinge gleiten. „Wie lange ist das jetzt her – drei, vier Tage?“

Es waren vier Tage, und bald würden es fünf sein.

Aber wer zum Teufel zählte mit?

Antwort: Sie alle, aber niemand äußerte laut die Besorgnis, die in letzter Zeit unter den Mitgliedern ihrer Gruppe herrschte. Und Lucan selbst musste sich zwingen, die Gehässigkeit, die ihn überkam, wenn er an Tegan dachte, zu unterdrücken. Tegan war der größte Einzelgänger unter ihnen, ein wahrer Einsiedler.

Er hatte es schon immer vorgezogen, alleine auf die Jagd zu gehen, aber seine Verschlossenheit begann die anderen mehr und mehr zu nerven. In letzter Zeit war er immer unberechenbarer geworden, und um ganz ehrlich zu sein, fiel es Lucan schwer, ihm zu vertrauen – nicht dass er ihm je völlig über den Weg getraut hätte. Zwischen ihnen beiden herrschte ohne Zweifel eine gewisse Feindschaft, aber die Ursache dafür gehörte der Vergangenheit an. Musste ihr auch angehören, denn der Krieg, dem sie sich beide vor so langer Zeit verpflichtet hatten, war wichtiger als ihre feindseligen Gefühle füreinander.

Dennoch beobachtete der Vampir ihn genau. Lucan kannte Tegans Schwächen besser als jeder andere. Und er würde nicht zögern, Maßnahmen zu ergreifen, wenn Tegan die Grenze auch nur mit einer Zehenspitze überschritt.

Die Labortüren gingen erneut auf, und herein kam, endlich, Rio, der eben den losen Zipfel eines eleganten weißen Designerhemdes in eine maßgeschneiderte schwarze Hose steckte. Einige der Knöpfe fehlten, aber Rio trug seine durch das Schäferstündchen mit seiner Gefährtin leicht derangierte Erscheinung mit der gleichen Lässigkeit zur Schau, die ihn in allem umgab, was er tat. Unter den Strähnen seines dichten schwarzen Haars, die in seine Stirn hingen, tanzten die topasfarbenen Augen des Spaniers. Als er lächelte, schimmerten die Spitzen seiner Fangzähne, die nach dem leidenschaftlichen Tête-à-tête mit seiner Gefährtin immer noch ausgefahren waren. „Ich hoffe, ihr habt mir ein paar Rogues übrig gelassen, meine Freunde.“ Er rieb seine Hände gegeneinander. „Ich fühle mich gut – lasst uns loslegen!“

„Setz dich“, sagte Lucan gedehnt. „Und versuche Gideons Computer nicht ganz vollzubluten.“

Rios lange Finger wanderten zu dem karmesinroten Fleck an seiner Kehle, wo Eva ihn offenbar gebissen hatte, um von seinem Blut zu trinken. Obwohl sie eine Stammesgefährtin war, war sie trotzdem genetisch ein Mensch. Auch wenn sie und die anderen Stammesgefährtinnen schon viele Jahre mit ihren Gefährten zusammen waren, wuchsen bei ihnen weder Fangzähne noch nahmen sie andere Eigenschaften der Vampire an. Es war jedoch eine weithin akzeptierte Praktik, dass ein Vampir seine Gefährtin aus einer selbst zugefügten Wunde an seinem Handgelenk oder Unterarm trinken ließ. Die Leidenschaft der Stammeskrieger ebenso wie die der von ihnen erwählten Frauen loderte wild. Sex und Blut waren eine mächtige Kombination – manchmal zu mächtig.