Auch wenn unter den Literaturnormopathen jegliche die Romanhandlung betreffende Ankündigungen verpönt sind, greife ich hier trotzdem vor und erzähle die Geschichte meines Freundes an dieser einen Stelle kurz weiter: Skopka wurde eines Tages beim Testen seines nach einer Verlängerungsoperation lädierten Penis leider erwischt und vor die Öffentlichkeit gezerrt. Als Bürgermeister einer freizügigen Stadt hätte er das politisch vielleicht überlebt. Er hatte aber Pech — der mit Einwegspiegeln ausgestattete Puff war eine illegale Einrichtung und zahlte keine Steuern. Aber keine Angst! Damit ist Petr Skopkas interessantes Leben lange noch nicht zu Ende erzählt. Er bleibt uns allen in diesem Buch noch erhalten. Mir in meinem realen zukünftigen Leben sowieso — als Freund, Ratgeber in tausend und einer praktischen Angelegenheit und als ein mich unermüdlich und mit einer Meßlatte begleitender Simultanläufer.
Bei einem Ausflug eines Teils unserer Clique gingen wir einmal von einem kleinen Dorfbahnhof an uns gleichgültigen Feldern entlang und waren die Lebensharmonie selbst. Wir näherten uns Schritt für Schritt, Hüftbewegung für Hüftbewegung dem leeren Wochenendhaus der Eltern einer unserer Blondinen. Um uns herum lag eine ereignisloseLandschaft, kein Wäldchen war in Sicht, nur am Straßenrand kämpften einige aufgegebene Obstbäume ums Überleben. Meine Gitarre hatte ich selbstverständlich dabei. Die von mir gerade als mögliche Wochenendschmuserin anvisierte Z. hatte es im Zug nicht geschafft, pinkeln zu gehen, und hätte es draußen auf der Landstraße gern nachgeholt. Ihr fehlte aber der Mut, sich zu offenbaren — außerdem sprach noch etwas anderes dagegen: Ihre drückende Blase bereitete ihr ein recht intensives Klitorisvergnügen. Geeignete Verstecke gab es sowieso nirgends. Zu diesem Zeitpunkt ahnten wir von ihren lustvollen Qualen nicht das geringste. Sie war bei diesem sonnig-friedlichen Gang — wir gingen alle nebeneinander, ich spielte und sang — nur etwas stiller als sonst. Gegen Abend erzählte sie uns dann beim süßen Obstwein, wie gern sie irgendwo am Straßenrand gepinkelt hätte, wie gern sie hinter einem Gebüsch verschwunden wäre. Und wir gaben ehrlich zu, daß sie keine Büsche nötig gehabt hätte und wir ihr gern zugesehen hätten. Und nachdem wir Z. versprochen hatten, nicht zu lachen, verriet sie uns, wie sie es mit dem Entleeren ihrer Harnblase auch ohne Büsche angestellt hatte. Ganz einfach: Sie ließ ihren Urin heimlich und portionsweise ab — eben peu á peu ins Freie. Es muß etwas wie das weibliche Ejakulieren gewesen sein. Der Saft lief ihr beim Gehen an den Beinen lang, hinterließ eine schmale Spur, erzählte sie, diese verlor sich unauffällig im Staub der alten Landstraße. Zum Glück gab es damals noch solche nicht asphaltierten Wege — Straßen vierten Grades, wenn ich mich nicht irre. Wieder und wieder machte sie ihren süßen, hinter dem Kitzler sitzenden Schließer oberhalb der Staubstraße vierten Grades ganz kurz auf und dann wieder zu. Sie hatte Zeit, der Weg war lang genug. Ihre Beine trockneten schnell, ihre Schuhe, die sie irgendwann in die Hände nahm, trockneten nach und nach auch. Die Hitze und die allgemeine Trockenheit kamen ihr entgegen. Ich sehe das Geschehenheute viel plastischer vor mir als damals, als ich es sinnlich nicht unbedingt verinnerlichen wollte. Ich sehe ihre langen schlanken Beine, die innen benäßt waren und deren Haut in der Sonne geglänzt haben muß, ich sehe ihre gutgeschmierten Schenkel, die unter ihrem zum mobilen Pinkeln praktischen Minirock leise aneinanderklatschten. Wie erotisch und süß kommt es mir heute vor. Leider fand ich diese Beichte damals unappetitlich bis abstoßend und meine damaligen Freunde auch. Und es tut mir bis heute leid, unsere süße Pisserin für ihre damalige Offenheit nicht belohnt, sondern indirekt beschämt zu haben. Wir haben bei ihrer Beichte zwar — wie versprochen — nicht gelacht, waren über die Geschichte aber alles andere als erfreut. Und das sah man uns einfach an. Wir fanden auch ihre goldenen langen Haare plötzlich etwas weniger anziehend — als ob diese mit Urin gestärkt worden wären. Der ganze Abend verlief vielleicht deshalb wenig prickelnd. Wir wollten uns dafür wenigstens ordentlich betäuben und tranken viel zu viel von unserem mitgebrachten Billigwein. Obstweine gab es damals in jedem Gemüsegeschäft zu kaufen. Zur Strafe bekamen in der Nacht alle einen üblen Durchfall — nur die zurückhaltende Z. einen nur mäßigen. Das schönste an unserem Landaufenthalt war die morgendliche und unumgängliche Säuberungsaktion. Wir alle hatten keine Lappen und keine Handtücher dabei, fließend warmes Wasser gab es in dem einfachen Bauernhaus auch nicht, und wir hatten keine andere Wahl — wir zogen uns alle aus und spritzen uns einfach mit dem Wasser aus dem Gartenschlauch gegenseitig ab. Und dabei sollte und MUSSTE ausgerechnet zwischen die hingehaltenen HINTERBACKEN gezielt werden — etwas vorsichtiger auch auf die Schamhügel und auf das bei der Blondesten tatsächlich blonde Schamhaar. Unglaublich war das — Befruchtung mit einer schier unerschöpflichen Flüssigkeitsmenge! Das Brunnenwasser war furchtbar kalt, abwechselnd mußte sich einer wie ein Besessener mit einer rostigen Doppelkolbenpumpe abquälen. Dieser aktuelle Pumpensklave wurde angebrüllt und angetrieben, den Wasserdruck konstant zu halten. Ihm wurde dabei wenigstens wieder warm. Derjenige aber, der das spritzende Ende des Schlauchs halten durfte, fror dagegen. Wir konnten und konnten mit den Spritzorgien nicht aufhören.
Wie schon erzählt, fand man auf den friedlichen Straßen meiner weltbekannten Stadt damals dauernd benutzte Präservative. Aber natürlich war auch der ungeschützte Verkehr in dieser VorAids-Ära in vollem Gange, hinterließ bloß keine sachlich-materiellen Spuren — nur uneheliche Kinder. Die Prager Männer mußten nun mal außereheliche Beziehungen unterhalten, um ihre überschüssigen Energien zu kanalisieren. Das Leben war aber gleichzeitig auch voller Härten. Diese begegneten einem eher zufällig, flackerten an der Oberfläche auf, wenn man ab und an etwas (Zuschauer-) Glück hatte. Über alltägliche Gewalt und Kriminalität wurde sonst nur im Telegrammstil, vor allem aber stark selektiv berichtet. Die kompakte Polizeirubrik der Zeitungen hieß SCHWARZE CHRONIK, SCHATTEN VON GESTERN oder so ähnlich. Ein typisches Textbeispieclass="underline" »Der achtzehnjährige P. R. versuchte im Stadtpark von xxx die dreizehnjährige F. G. zu vergewaltigen. Eine Polizeistreife verhinderte die Tat. «Punkt. Und so ähnlich fleischlos und bündig ging es dann weiter — bevorzugt wurden hier selbstverständlich die bosheitsneutralen und auch im Sozialismus nicht vermeidbaren Verkehrsunfälle vermeldet. Im führenden Parteiblatt» Rüde prävo «hieß die Rubrik ehrlicherweise AUS DER SCHWARZEN CHRONIK. Die Präposition AUS deutete immerhin an, daß es sich bei diesen fettgedruckten Meldungen nur um eine vorab getroffene Auswahl handelte. Diese Minimalnachrichten wurden oft fett oder sonstwie auffällig gedruckt und bildeten auf densonst optimismusverwöhnten Zeitungsseiten einen kleinen Schandfleck — und das sollten sie auch. Wenn es längere Artikel zu gezielt ausgewählten Kriminalfällen gab, sollten diese in erster Linie abschrecken und erziehen. Die verschwiegenen Fälle überließ man der Mundpropaganda.