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Was endlich den rein informatorischen Schlußsatz des § 79 anlangt, so spricht derselbe explicite aus, was ohne ihn aus dem Zusammenhang des Ganzen zu folgern wäre: daß weder die Gewährung der vertragsmäßigen Abgangsentschädigung aus § 77, noch die aus § 79 begründete Versagung derselben von den sonstigen Vertragsbedingungen, insbesondere vom Einhalten der vertragsmäßigen Kündigungsfristen, dispensieren kann - und daß über die Bedingungen, unter welchen der Prinzipal von letzterem entbunden sein soll, Titel V des Statuts nichts festsetzen will. Angesichts der relativen Geringfügigkeit des Objekts und der untergeordneten Bedeutung der Frage im Grundsätzlichen bekümmert es mich nicht weiter, die Möglichkeit bestehen zu lassen, daß einer kraft RGO. sofort entlassen werden kann, ihm aber trotzdem kraft § 79 die Abgangsentschädigung mit auf den Weg gegeben werden müßte. Ein Widersinn liegt darin nicht. Denn es ist ganz selbstverständlich, daß Rechtsnachteile von so verschiedener Größenordnung, wie: Lohnverlust für zwei Wochen und Lohnverlust für ein halbes Jahr oder mehr, ganz verschiedenen Grundsätzen der Beurteilung unterstellt sein müssen.

Zu § 80.

Die Bestrebungen, welchen dieses Statut dient, stehen, wie an vielen Stellen erkennbar wird, nirgends unter philanthropischen Gesichtspunkten. So ist also auch die Einrichtung, die § 77 vorsieht, keine Wohltätigkeits-Veranstaltung, sondern eine unter soziale Zwecke gestellte Rechts_einrichtung. Sie kann also nicht darauf ausgehen wollen, die vertragsrechtlichen Konsequenzen zu verwischen, die an den Unterschied sich knüpfen: ob einer, sei es auch ohne das geringste Verschulden, seinerseits an der Erfüllung des Vertrags behindert wird, oder ob die Vertragsauflösung aus Gründen des Interesses des andern Teils erfolgt. -Der Weg zur Milderung von Härten, die hieraus gelegentlich sich ergeben müssen, ist in § 16 des Statuts dem aufmerksamen Leser angedeutet.

Schlußbemerkung.

Aus allem vorhergehenden ergibt sich, daß die in diesem Statut angestrebte Ordnung des Rechtsverhältnisses zwischen Unternehmer und Arbeiter oder Angestellten sich völlig frei halten muß einerseits von jeder moralisierenden Tendenz und andererseits von jedem Strafanimus. Und das ist für alle Beteiligten eine Wohltat. Der Unternehmer als solcher hat keinerlei Befugnis, aus dem Arbeitsvertrag heraus seinen Kontrahenten gegenüber die Funktionen eines Organs zur Wahrung allgemeiner Interessen der Gesellschaft oder des Staates sich anzumaßen, weder präventiv noch repressiv. Dafür sind Polizei oder Staatsanwalt und Strafrichter da. -Der moralisierende Fabrikherr oder Betriebsleiter, der sich dafür berufen hält, Ehrbarkeit und Staatswohl -und was er von seinem besondern Standpunkt aus just dazu zu rechnen für gut findet - zu befördern nicht nur durch das eigene gute Beispiel und durch den berechtigten Einfluß, den persönliches Ansehen, wenn er solches hat, in seinem Kreise ihm gewähren mag, sondern auch mit der Peitsche angedrohter Wirtschaftsnachteile, ist in meinen Augen eine sozial gemeinschädliche Figur. Es gereicht mir zu einiger Genugtuung zu bemerken, daß die folgerichtige Durchführung der in § 57 zum Ausdruck kommenden Rechtsidee schon für sich allein, ohne alles weitere Zutun, geeignet ist, dieser Figur auch in Zukunft den Eintritt in den Wirkungskreis der CARL ZEISS-Stiftung versperrt zu halten. Was aber das landesübliche Hereinpfuschen der Arbeitgeber in die Geschäfte des Strafrichters anlangt, so ist das überall, wo es geschieht, handgreiflicher Hohn auf alle Gerechtigkeit. Denn geschieht es dem Richter vorgreifend, so setzt es sich hinweg über die erste Voraussetzung jeder ordentlichen Rechtspflege: die Möglichkeit sicherer und erschöpfender Beweiserhebung, und verfällt zudem noch gewöhnlich grobem Mißverhältnis zwischen Delikt und Strafmaß: Vergehen, für welche der Richter nur auf geringe Geldstrafe oder kurze Freiheitsentziehung erkennen darf, maßt der Arbeitgeber, der Dienstentlassung als Strafmittel handhabt, sich an, mit beliebig hohem materiellen Schaden belegen zu können. Geschieht aber jenes Hereinpfuschen dem Richter nachhinkend, also im Sinne von Strafverschärfung, so verletzt es die unbestrittene Forderung jeder gerechten Strafjustiz: ne bis in idem.

So stehen also alle Nachteile, welche Titel V für irgend welche Verstöße anzudrohen gestattet, unter der deutlichen Richtschnur: niemals Strafe, lediglich vertragsmäßig begründeter Rechtsnachteil. Den Unterschied, den dieses gelegentlich auch praktisch bedeutet, kann sich jeder klar machen, wenn er die Konsequenzen erwägt, welche die Anwendung des an vorletzter (fünfter) Stelle des § 79 ausgesprochenen Satzes auf den Fall wechselseitiger tätlicher Beleidigung zwischen zweien nach sich zieht, je nachdem die Dienstentlassung als Strafe oder als Rechtsnachteil anzusehen ist. -Daß aber in der großen Mehrzahl der Fälle der Rechtsnachteil ungewollterweise die praktische Wirkung einer Strafe, und öfters einer sehr harten, gewinnt, muß vom Standpunkt sowohl der Gerechtigkeit wie des allgemeinen sozialen Interesses als ein unvermeidliches Übel betrachtet werden. Es anders ansehen zu wollen wäre Spott auf das Verhalten der vielen, die als Unternehmer genötigt sind, einen bürgerlich Entgleisten zu entlassen, als Privatpersonen aber Vereinen angehören oder Vereine unterstützen, welche solche Entgleiste vor weiterem Verfall zu bewahren und für die bürgerliche Gesellschaft noch zu retten sich zur Aufgabe stellen.

Jena, Mai 1896.

Dr. E. Abbe.

Fußnoten:

[Fußnote 88: [Vgl. hierzu S. 347-364.]]

[Fußnote 89: [jetzt für gewisse Fälle auch bereits nach zurückgelegter halbjähriger Dienstzeit, vgl. Stiftungs-Statut § 77, vorletzter Absatz.]]

Xb.

Die Verfassung der Carl Zeiss-Stiftung.

Erläuterungen zu Titel I und II des Stiftungsstatuts vorn 26. Juli/16. August 1896[90].

Der nachstehend gegebene Kommentar zu den Titeln I und II des Statuts der CARL ZEISS-Stiftung stützt sich lediglich auf den Text dieses Statuts, so wie er gedruckt vorliegt. In keinem Punkt ist dabei Bezug genommen weder auf die Motive, die den Anordnungen des Statuts zugrunde liegen, noch auf die tatsächlichen Umstände, unter welchen dieses Statut im Zusammenhang mit der Entwicklung der Stiftung selbst entstanden ist. Es wird also ausschließlich dasjenige dargelegt, was jedermann aus dem gegebenen Text herauszulesen vermag, wenn er die Paragraphen in ihrem Zusammenhang und unter der Präsumtion auffaßt, die bis zum Beweis des Gegenteils für die Auslegung jeder Urkunde zu gelten hat: daß sie mit Sinn und Verstand abgefaßt sei.

I. Verhältnis der Stiftung zum Staat.

In allem Grundsätzlichen ist dieses Verhältnis durch die §§ 4, 5 des Statuts geregelt.

Die oberste Richtschnur für die Organisation der CARL ZEISS-Stiftung gibt § 4, dem alle nachfolgenden Bestimmungen in Titel I des Statuts unterstellt sind.

Dadurch, daß dieser § 4 eine »besondere« Stiftungsverwaltung vorschreibt, diese (der Überschrift zufolge) als Organ der Stiftung hinstellt und ihr außerdem für bestimmte Funktionen noch andere Organe, als Organe der Stiftung, neben_ordnet, kommt zum Ausdruck, daß die CARL ZEISS-Stiftung ihre eigene selbständige Verwaltung besitzen soll, also nicht, wie es bei Stiftungen häufig geschieht, dem Staat, oder einer Gemeinde oder irgend einer sonst bestehenden Institution zur Verwaltung überwiesen ist.