Выбрать главу

Die hier bezeichnete und auf unserem Arbeitsfeld für neu erklärte Art der Verbindung von Wissenschaft und Technik ist uns durch ihre längst offenkundige Herrschaft auf vielen anderen Gebieten der Technik -wie im Maschinenbau, dem Ingenieurwesen und anderen -jetzt schon so geläufig, daß sie fast als etwas Selbstverständliches erscheint und man sich leicht wundern könnte, die Einführung dieser Idee in unserem Gebiet überhaupt als etwas Bemerkenswertes und Bedeutsames hingestellt zu sehen. Könnte doch jetzt nur noch ein Stümper eine Dampfmaschine wirklich zu bauen beginnen, ohne daß er vorher ganz genau wüßte, wieviel Pferdekräfte sie entwickelt, wenn man sie, genau nach seinen Vorschriften ausgeführt, zum erstenmal in Gang setzen wird; und wird doch längst keine eiserne Brücke mehr gebaut, ohne daß der Erbauer, noch ehe das Erz zu ihren Rippen aus der Erde geholt, schon genau angeben kann, wieviel Zentimeter sie sich durchbiegen wird, wenn sie nach drei oder vier Jahren fertig dasteht und der erste Eisenbahnzug sie befährt. So ist es aber auch auf diesen Gebieten nicht immer gewesen, und so auch nicht in der Optik. |Eine alte Sache ist die vorher geschilderte Art des Eingreifens der wissenschaftlichen Theorie in die Technik nur auf den Gebieten der Technik, deren Erzeugnisse auf Bewegungseffekte, also phoronomische, geometrisch bestimmbare Wirkungen ausgehen -wie bei der Mechanik im engeren Sinne. Die Idee, auch Gebilde, durch die nicht körperliche Formen an sich, oder Bewegungsformen als Effekt bezweckt werden, bei welchen vielmehr bestimmte körperliche Formen an bestimmten Stoffen eine zum voraus bestimmte physische Wirkung hervorbringen sollen -die Idee, auch solche Gebilde auf die gedachte streng rationale Art zu gewinnen, ist auf allen Gebieten der Technik sehr neu -weil die Möglichkeit solchen Verfahrens mehrere sehr schwer zu erfüllende Postulate einschließt.| Und wenn es nicht immer so gewesen ist, so bezeugt nun gerade die Ausbreitung und die Macht, die jener Gedanke des rationalen Aufbaues körperlicher Gebilde behufs Erzielens bestimmter physischer Effekte jetzt gewonnen hat das Verdienst derer, welche die Pfadfinder dieses Gedankens gewesen sind. Und zu diesen Pfadfindern gehört auch Carl Zeiss.

Zum erstenmal auf irgend einem Feld der Technik überhaupt rein durchgeführt ist jene Idee, glaube ich, erst im Anfang dieses Jahrhunderts durch JOSEPH FRAUNHOFER, und zwar ist es zum erstenmal geschehen gerade auf dem Feld der praktischen Optik -und an einem Objekt, das der nächste Verwandte des Mikroskops ist -dem astronomischen Fernrohr. Denn die ersten Gebilde der bezeichneten Kategorie, die streng auf diesem Weg zustande gekommen sind, also die frühesten Zeugen der Betätigung jener Idee auf dem Gebiet praktischen Schaffens, sind die Objektive zu Fernröhren, die im Beginn der 20er Jahre FRAUNHOFER von München aus den Astronomen in die Hand geben konnte. Man darf also wohl die rationale Methode der Konstruktion technischer Erzeugnisse zu physischen Effekten im allgemeinsten Sinne die FRAUNHOFERsche Methode nennen.

Das Verdienst von Zeiss erleidet aber keine Einschränkung durch den Umstand, daß der gleiche Gedanke gerade auf dem Gebiet der Optik, und an einem dem Mikroskop so nahe verwandten Ding, wie das Fernrohr ist, schon 40 Jahre vorher mit Erfolg betätigt worden ist. Denn die genauere Würdigung aller sachlichen Momente führt zu der Einsicht, daß diese frühere Betätigung durch FRAUNHOFER zwar wohl einen Wink für die Anwendung der gleichen Grundidee auch dem Mikroskop gegenüber gegeben hat, aber kein irgendwie leitendes Vorbild für die Verwirklichung hat bieten können -trotz der Gleichheit des Arbeitsfeldes und trotz der scheinbaren inneren Verwandtschaft der Aufgaben. Dieser auf den ersten Blick befremdliche Schluß beruht auf einem erst viel später[7] erkannten Gegensatz der beiden Grundprobleme der praktischen Optik, des Fernrohr-Problems und des Mikroskop-Problems, im Theoretischen sowohl wie in wesentlichen praktischen Bedingungen -einem Gegensatz, der es mit sich bringt, daß die Aufgabe der rationalen Darstellung, auch nachdem sie für das Fernrohr gelöst war, für das Mikroskop doch einen neuen, selbständigen Ansatz nehmen mußte, keine Übertragung des Verfahrens zuließ[8].

Da ich auf die Rechtfertigung dessen in meinem Vortrag nicht näher eingehen darf, begnüge ich mich zur Erhärtung des Gesagten mit dem Hinweis auf eine äußere Tatsache, aus der hervorgeht, wie weit der Gedanke von Carl Zeiss dem Bewußtsein gerade seiner Fachgenossen fern gelegen hat -nicht nur zur Zeit als jener ihm nachzugehen begann, sondern noch viel später. Denn noch vor etwa 15 Jahren, also zu einer Zeit, als längst alle Dampfmaschinen und alle Eisenbahnbrücken nach FRAUNHOFERscher Art gebaut wurden, konnte behauptet werden: die Mikroskope könnten auf diese Art nicht gebaut werden, und ein angesehener und unterrichteter Schriftsteller der Mikroskopie, der einem der besten Optiker der alten empirischen Schule persönlich nahe stand und daher das Arbeitsfeld kannte, konnte daraufhin die Richtigkeit der Angabe: daß sie hier in Jena seit 10 Jahren so gebaut würden, auch öffentlich in Zweifel ziehen. Auch ist es noch gar nicht so lange her, daß in den Augen vieler beim Mikroskop der Anspruch auf eine höhere Wertschätzung seitens der Vertreter der alten empirischen Schule noch mit der Erklärung begründet werden konnte: von ihnen werde es nicht wie in Jena gebaut. Erst seit etwa 10 Jahren ist die umgekehrte Versicherung: es werde genau wie in Jena gebaut, allgemein die Stütze für den Anspruch auf die höhere Schätzung geworden -wiederum Beweis dafür, daß die Idee des neuen Arbeitsplanes und die Möglichkeit ihrer Würdigung außerhalb des Gesichtskreises der Zeitgenossen lag.

Die Geschichte unserer Werkstätte ist nun hinsichtlich des ersten 30jährigen Abschnittes grundlegender Tätigkeit und zum Teil noch über diese Zeit hinaus nichts anderes als die Geschichte der Bestrebungen, in welchen jener Gedanke einer neuen, anders geregelten Art des Ineinandergreifens von Wissenschaft und Technik an den Aufgaben der Mikroskop-Optik sich betätigt und allmählich verwirklicht hat. -Die vorher zur Sprache gebrachten Umstände aber: einerseits die historische Priorität FRAUNHOFERs hinsichtlich der erstmaligen Einführung dieses Gedankens in die Optik überhaupt, anderseits die eben betonte innere und äußere Selbständigkeit seines nochmaligen Auftretens gegenüber einer anderen Aufgabe des gemeinsamen Arbeitsfeldes -diese Umstände bringen es mit sich, daß in meiner weiteren Betrachtung das hiesige Geschehen überall in Vergleich treten muß mit der Tätigkeit FRAUNHOFERs. Ich muß so das Wirken meines verstorbenen Freundes heranrücken an die phänomenale Figur, die auf dem gleichen Arbeitsfeld aus einem armen Münchener Spiegelschleifer im Anfang dieses Jahrhunderts herausgewachsen ist. In der Nähe dieser Figur muß allerdings manches kleiner sich ausnehmen, was, in der gewöhnlichen Umgebung gesehen, mit weniger abnormem Maßstab gemessen, größer erscheinen würde. Es gibt aber gar keinen anderen Standpunkt für eine richtige Würdigung der Lebensarbeit von Carl Zeiss, als ohne Scheu vor diesem Maßstab ihre Erfolge in Parallele zu setzen zu dem Wirken des größeren Vorgängers -obwohl, nachdem die geschichtliche Nachforschung auch auf die Einzelheiten dieses Wirkens Licht geworfen, jetzt an manchen Punkten mit bezug auf ihn zu sagen ist: mutato nomine fabula de te narratur -unter anderem Namen die Geschichte von Dir erzählt!