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Unser Freund Otto Schott aber wird gewiß keine Verdunklung seines persönlichen Verdienstes darin erblicken, wenn ich ausspreche: daß sein erfolgreiches Eingreifen, welches anerkanntermaßen allen Aufgaben der praktischen Optik neue Bahnen eröffnet hat, diesen Erfolg nicht gehabt haben würde, wenn seine Arbeit nicht unmittelbar sich hätte anschließen können an die fast 20jährige Vorarbeit, die aus dem Ideenkreis der Optischen Werkstätte ihm entgegenkam. Hat er doch die praktische Konsequenz dieses Gedankens rückhaltlos schon selbst gezogen darin, daß er unter freiwilligem Verzicht auf die natürlichen Vorrechte, die ihm aus der vollen Selbständigkeit seiner Arbeit im Chemischen und Technischen zustanden, auch sein Unternehmen in dauernden Zusammenhang mit der Carl Zeiss-Stiftung setzte[12].

Nachdem ich so den leitenden Gedanken in dem Wirken von Carl Zeiss nach seinen inneren Momenten betrachtet habe, muß ich auch noch einige Worte sagen über die besondere Art, wie seine Entwicklung durch die äußeren Umstände beeinflußt worden ist.

Carl Zeiss hat nicht, wie seinerzeit FRAUNHOFERs fast übermenschliche Kraft vermochte, alles selbst leisten können, was für die erfolgreiche Verwirklichung seiner ersten Idee, für die volle Entwicklung ihres inhaltreichen Keimes zu leisten war. Weil seinem persönlichen Können engere Grenzen gesteckt waren, ist er in viel höherem Grad als FRAUNHOFER auf die Mitarbeit anderer angewiesen und in seinem Erfolg von dieser abhängig geblieben. Der Schätzung seines persönlichen Verdienstes tut dieses keinen Eintrag. Die Schranken der eigenen Kraft kühl ermessen können, aus der Erkenntnis solcher Schranken aber nicht Entmutigung zu schöpfen, sondern den Antrieb zum fortgesetzten Suchen nach der richtigen Ergänzung ist auch ein Verdienst; nicht viele bringen es fertig. Hat nun auch die Notwendigkeit solcher Ergänzung seinen Erfolg in höherem Grad, als es sonst der Fall sein würde, von der Gunst äußerer Umstände abhängig gemacht -solcher Umstände nämlich, von denen das Gewinnen geeigneter Mitarbeiter abhängig war -so darf man doch nicht sagen, daß sein Erfolg Sache des Glücks gewesen sei: er hat diese ihm unentbehrlichen Mitarbeiter gefunden, weil er sie gesucht hat -und unentwegt weiter gesucht hat noch in denjenigen Angelegenheiten, hinsichtlich derer mehrfacher Mißerfolg andere vielleicht von neuen Versuchen abgeschreckt haben würde. Soweit man in seinem Fall von Glück reden darf, ist es also nur die Art von Glück, die der Spruch meint: der Mensch ist seines Glückes Schmied.

Ein Moment aber bleibt doch übrig, auf welches dieses Wort nicht Anwendung finden kann: der räumliche und persönliche Zusammenhang seiner Wirksamkeit mit unserer Universität -die geistige Atmosphäre, in die er durch seine Niederlassung gerade in Jena gekommen ist, und gerade in einer Zeit, da aus dieser Atmosphäre neue aufstrebende Gedanken sich erhoben. Wie ich vorher schon andeutete, hat JACOB SCHLEIDEN ihn zuerst auf die Optik überhaupt gelenkt und auf die besonderen Aufgaben, die das Mikroskop darbot. SCHLEIDEN hat seine Arbeit fortgesetzt mit wärmstem Interesse begleitet, ihr immer neue Anregung und wichtige Förderung zuteil werden lassen. Noch in späten Jahren hat Zeiss mit Stolz erzählt, wie der geistreiche Naturforscher stundenlang in seiner kleinen Werkstatt gestanden, seine oder seiner Gehilfen Arbeit aufmerksam verfolgend; und mit dem Gefühl warmen Dankes hat Zeiss jederzeit ausgesprochen, daß sein Emporkommen ganz wesentlich bedingt gewesen ist durch den Rückhalt, den die Anerkennung und die Empfehlung SCHLEIDENS ihm, dem unbekannten Anfänger, damals geboten hat. Man würde aber sicher fehlgehen, wenn man etwa in dem Interesse SCHLEIDENs nur, oder wesentlich nur, den Ausdruck menschlicher Teilnahme für den tüchtigen und strebsamen Mann erblicken wollte, als welchen SCHLEIDEN Zeiss wohl alsbald erkannt hat. Dem widerspräche schon die Tatsache, daß Zeiss damals noch Neuling war im Gebiet der praktischen Optik, technische Vorbereitung nur für Arbeiten anderer Art besaß -und aus bloßem Wohlwollen treibt man nicht leicht jemand an, etwas ganz Neues zu beginnen mit völlig problematischer Aussicht des Erfolges. So muß also das Verhältnis beider Männer zu einander wohl etwas anders gedacht werden, denn als rein menschliche Anteilnahme des berühmten Mannes an dem Fortkommen eines strebsamen Anfängers. Der Mitbegründer der Zellenlehre greift in den Lebensgang von Zeiss vielmehr deutlich ein als der Vertreter der neuen Richtung wissenschaftlicher Interessen, die um die Mitte des Jahrhunderts das Studium der lebenden Natur auf neue Ziele und in neue Wege lenkte, zu ihrer Betätigung aber Hilfsmittel verfeinerter Beobachtungskunst unentbehrlich fand und neue Kräfte für die Vervollkommnung solcher Hilfsmittel in ihren Dienst zu ziehen suchen mußte. In SCHLEIDEN und dessen Schülern hat die neue Richtung der Biologie, die in den folgenden Jahrzehnten dem Mikroskop eine immer wachsende Bedeutung für die wissenschaftliche Arbeit des Jahrhunderts zugewiesen hat, gerade hier in Jena einen besonders kräftigen Anfang genommen. Und das beleuchtet nun die tiefere Wechselbeziehung, die zwischen dem geistigen Leben unserer Hochschule und der praktischen Arbeit von Carl Zeiss frühzeitig bestanden hat und die innere Abhängigkeit seiner Erfolge von den Impulsen aus diesem Kreis.