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„Alles bekommen?“, fragte er, als sie sich, die Stirn gegen die Tür gepresst, einen Augenblick ausruhte. Zur Antwort nickte sie nur schwach. „Wieder Kopfschmerzen im Anzug?“

„Mir geht’s gut“, antwortete sie ruhig. Mit einer Anstrengung, die sie all ihre Kraft zu kosten schien, drehte sie sich um und ging, die rechte Hand an die Schläfe gepresst, zum Küchenblock hinüber. „Keiner von den schlimmen Anfällen … Ich war nicht lange draußen, also wird es gleich besser werden.“

Ohne die Einkaufstüte abzusetzen oder ihre Daunenjacke auszuziehen, ging sie am Stepper vorbei in die enge Nasszelle.

Jetzt war sie außerhalb seines Blickfelds, aber Tegan hörte den Hahn laufen, Wasser lief in ein Glas. Er stand auf und stellte sich hin, sodass er sie sehen konnte, und haderte mit sich, ob er ihr wieder seine lindernde Trance anbieten sollte. So wie sie aussah, würde es ihr guttun.

Gierig trank Elise das Wasser aus, ihr zarter Hals arbeitete bei jedem Schluck. Es lag eine animalische Wildheit in ihrem Durst, eine so primitive Gier, dass es auf Tegan auf absurde Weise erotisch wirkte. Er überlegte, wie lange sie schon ohne das Blut eines Stammesvampirs lebte. Es mussten mindestens fünf Jahre sein. Ihrem Körper war der Mangel schon anzusehen, Muskelgruppen wurden schmaler, die Haut weniger rosig und zunehmend blass. Sie würde besser mit ihrer Gabe leben können, wenn sie von Stammesblut genährt würde, aber so lange, wie sie schon unter dem Vampirvolk lebte, musste sie das eigentlich selbst wissen.

Sie trank mehr Wasser, und nach ihrem dritten vollen Glas sah Tegan, dass die Spannung in ihren Schultern etwas nachließ.

„Die Stereoanlage … machst du sie mir bitte an?“

Tegan schickte einen mentalen Befehl durch den Baum, und die lärmende Musik vertrieb die Stille. Sie lief nicht auf voller Lautstärke, wie sie es mochte, schien ihr aber zu helfen, das Schlimmste zu dämpfen. Einen Moment später begann Elise, ihre Einkäufe wegzuräumen. Mit jeder Sekunde, die verstrich, kehrten ihre Lebensgeister mehr zurück. Sie hatte recht; jetzt war es nicht annähernd so schlimm wie der Zustand, in dem er sie letzte Nacht vorgefunden hatte.

„Es ist schlimmer, wenn du Lakaien nahe kommst“, vermutete er laut. „Dieser Dimension des Bösen ausgesetzt zu sein - so nahe ranzukommen, dass du es berühren kannst - bringt dir die Migräneanfälle und das Nasenbluten.“

Sie versuchte gar nicht, es abzustreiten. „Ich tue, was ich tun muss. Ich leiste meinen Beitrag. Und bevor du mir wieder sagst, dass ich dem Orden keinerlei Nutzen bringe, könnte dich vielleicht interessieren, dass der Lakai, den ich gestern Abend getötet habe, gerade dabei war, für den Vampir, der ihn erschaffen hat, eine Besorgung zu machen.“

Tegan erstarrte. Seine Augen wurden schmal, als er die zierliche Frau betrachtete, die sich jetzt endlich zu ihm umdrehte und ihn ansah. „Was für eine Besorgung? Was weißt du?“

„Ich bin ihm vom Bahnhof zu einer FedEx-Niederlassung gefolgt. Er wollte dort etwas abholen.“

Tegans Hirn schaltete sofort auf Suchmodus. Er begann, sie mit Fragen zu überschütten. „Weißt du, was es war? Oder woher es kam? Was genau hat der Lakai gesagt oder getan? Alles, woran du dich erinnern kannst, könnte …“

„Nützlich sein?“, schlug Elise vor, ihr Tonfall honigsüß, obwohl ihre Augen herausfordernd blitzten.

Tegan beschloss, ihre Spitze nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Jetzt fing sie wieder damit an! Diese Scheiße hier war zu wichtig, als dass man auf gekränkte Eitelkeit Rücksicht nehmen konnte.

Er hatte weder Zeit noch Interesse für Spielchen mit dieser Frau.

„Sag mir alles, woran du dich erinnern kannst, Elise. Geh davon aus, dass keine Einzelheit unwichtig ist.“

Sie rekapitulierte kurz, was sie an dem Lakaien beobachtet hatte, den sie am Vorabend gejagt hatte. Verflucht noch mal, wenn diese Frau nicht eine vorzügliche Kundschafterin abgab!

Sogar seinen Namen hatte sie mitbekommen, was nützlich sein würde, falls sich Tegan dazu entschließen sollte, die Wohnung des toten Lakaien zu lokalisieren und dort nach weiteren Informationen zu stöbern.

„Was wirst du jetzt machen?“, fragte Elise, als er sich seinen Plan für die heutige Nacht zurechtlegte.

„Warten, bis es dunkel wird. In den FedEx-Laden einbrechen. Mir dieses verdammte Päckchen schnappen und hoffen, dass es uns irgendwelche Antworten gibt.“

„Es wird erst in ein paar Stunden dunkel. Was, wenn die Rogues jemanden schicken, um es abzuholen, bevor du die Möglichkeit dazu hast?“

Ja, daran hatte er auch schon gedacht. Verdammt.

Elise legte den Kopf schief. „Vielleicht haben sie das schon getan. Und weil du vom Stamm bist, steckst du hier bis Sonnenuntergang fest.“

Tegan wusste diesen Hinweis nicht sonderlich zu schätzen, aber sie hatte recht. Verfluchter Mist! Er musste etwas tun, und zwar jetzt, weil die Chancen gut standen, dass es kein Später geben würde.

„An welcher Straße ist diese FedEx-Filiale?“, fragte er sie, klappte sein Handy auf und rief die Auskunft an.

Elise gab ihm die genaue Adresse und Tegan rezitierte sie nach Anweisung der Computerstimme am anderen Ende. Als er mit der FedEx-Filiale verbunden wurde, bereitete er sich darauf vor, demjenigen, der abnahm, eine Dosis mentale Suggestion zu verpassen, um das Terrain zu ebnen, solange er die Chance dazu hatte. Nach dem fünften Läuten wurde abgenommen und die Stimme eines jungen Mannes, der sich als Joey vorstellte, leierte eine desinteressierte Grußformel herunter. Wie eine Viper schnellte Tegan in den empfindlichen menschlichen Verstand hinein, so darauf konzentriert, dem Mann Informationen zu entlocken, dass er kaum bemerkte, wie Elise um den Küchenblock herum auf ihn zukam. Wortlos ließ sie die schwere Einkaufstüte vor ihm auf die Ablage fallen, die rechteckige Schachtel, die zuunterst in der Tüte lag, plumpste auf die Arbeitsfläche.

Durch das gelbe Smiley-Logo, das auf die Tüte aufgedruckt war, sah Tegan einen Luftfrachtschein schimmern, adressiert an einen Sheldon Raines - den Lakaien, den Elise am gestrigen Abend getötet hatte.

Himmel noch mal.

Das hätte sie nicht …

Sofort brach er die mentale Verbindung mit dem FedEx-Angestellten ab und legte auf, ehrlich verblüfft. „Du bist vorhin zurückgegangen und hast es abgeholt?“

Diese blassvioletten Augen begegneten seinem überraschten Blick klar und begierig. „Ich dachte, es wäre vielleicht nützlich, und falls ja, wollte ich nicht das Risiko eingehen, dass die Rogues es kriegen.“

Gottverdammt.

Obwohl sie es nicht sagte, konnte Tegan sehen, dass nur Elises gute Manieren, wie man sie in den Dunklen Häfen so wertschätzte, sie davon abhielten, ihn daran zu erinnern, wie er ihr erst vor wenigen Stunden versichert hatte, dass es nichts gab, was sie tun konnte, um dem Orden in diesem Krieg von Nutzen zu sein. Ob sie aus Trotz und Verbohrtheit nach draußen gegangen war, oder deshalb, weil sie wirklich Köpfchen hatte - jedenfalls musste er sich insgeheim eingestehen, dass diese erstaunliche Frau wirklich voller Überraschungen steckte.

Er war froh darüber, dass sie das Päckchen abgefangen hatte, was auch immer es enthalten mochte. Wenn die Rogues - insbesondere ihr Anführer Marek - dieses Päckchen erwarteten, musste es ihnen auch etwas wert sein. Die Frage war nur, warum?

Tegan zog die Schachtel heraus und schlitzte das Klebeband mit einem der Dolche auf, die er an den Hüften trug. Die Absenderadresse schien eine dieser Massenversandfirmen zu sein.

Wahrscheinlich sowieso gefälscht. Gideon konnte das überprüfen, aber Tegan würde darauf wetten, dass Marek nicht so leichtsinnig war, eine Spur zu hinterlassen, die sich zurückverfolgen ließ.