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Marek ging vor seinem Gefangenen in die Hocke, der Gestank und der Anblick des Mannes ekelten ihn an. „Keiner wird erfahren, dass du gesungen hast, wenn du dich jetzt kooperativ zeigst, das kann ich dir garantieren. Ich kann dich an einen Ort schicken, wo du gepflegt wirst und deine Wunden heilen, und wo dein Schutz gewährleistet ist. Das liegt ohne Weiteres in meiner Macht. Verstehst du mich?“

Der Vampir wimmerte, und Marek spürte in dem Schmerzenslaut, dass der Mann jetzt möglicherweise doch weich wurde.

Er hatte nicht die Absicht, die Lügen wahr zu machen, mit denen er seinen Gefangenen fütterte. Sie waren nur Mittel zum Zweck für ihn, um das zu erwirken, was Folter und Leiden bisher nicht geschafft hatten.

„Sprich es aus, und du bist frei“, lockte er, seine Stimme klang ruhig und geduldig, trotz der drängenden Gier nach der Antwort, die in ihm tobte. „Sag mir, wo er ist.“

Mit einem hörbaren Klicken in seiner Kehle versuchte der Gefangene zu schlucken. Ein unbestimmtes Zittern erfasste ihn, als er alle Kraft zusammennahm, um den Kopf von seiner übel zugerichteten Brust zu heben. Marek wartete, begierig vor Hoffnung, und verschwendete keinen Gedanken daran, dass die Lakaien, die um ihn herumstanden, diese Hoffnung, die jetzt von ihm ausging, vermutlich spüren konnten.

„Sag’s mir. Du musst diese Last nicht länger tragen.“

Zwischen den Lippen des Vampirs begann ein Zischen auszuströmen, ein lang gezogenes, rasselndes Atemgeräusch. Wieder überkam ihn ein Zittern, aber er nahm sich zusammen und versuchte es noch einmal, formte mühsam die ersten Worte seines Geständnisses.

Mareks Augen weiteten sich erwartungsvoll, sein eigener Atem ging flach, als er auf die Worte wartete, die den Verlauf seines Schicksals so entscheidend bestimmen würden.

„Fff…“ Unter den versengten Lidern des Vampirs öffnete sich gerade nur spaltweit ein Auge. Nach der langen Tortur glühte die Iris in einem hellen Bernsteingelb, die Pupille war zu einem schmalen schwarzen Schlitz geworden, der Mareks Blick fand und ihn voll brennendem Hass anstarrte. Der Gefangene nahm einen Atemzug und spuckte ihn dann mit einem tiefen Knurren aus. „Fff… fick … dich.“

Mit einer Ruhe, die die tobende Wut Lügen strafte, die in seinem Inneren aufbrüllte, erhob sich Marek und schlenderte mit absichtlicher Lässigkeit auf die Tür zur Treppe zu.

„Öffnet die Sonnenblenden“, wies er die Lakaien an. „Lasst dieses wertlose Gekröse in der Sonne liegen. Wenn er bis Sonnenuntergang nicht krepiert ist, lasst ihn über Nacht hier, spätestens zu Sonnenaufgang wird er schmoren.“

Marek verließ den Raum und verzog keine Miene, als sich hinter ihm wieder die ersten grässlichen Schmerzensschreie erhoben.

9

Als die letzten hellen Minuten des Tages der Dämmerung wichen, hob Tegan das Buch und seine Waffen auf und griff nach seinem dunklen Ledermantel. Elise hatte die letzte Stunde oder mehr, seit sie ihm das FedEx-Päckchen gegeben hatte, damit verbracht, ihm zuzusehen, wie er intensiv jede einzelne Seite des Textes durchging. Die ganze letzte Stunde hatte sie damit verbracht, all ihren Mut zusammenzunehmen, um ihn noch einmal zu fragen, ob er ihr nicht doch dabei helfen konnte, mehr in den Kampf gegen die Rogues miteinbezogen zu werden. Nun, da er in seinen schwarzen Ledermantel fuhr, spürte sie, dass es ihre letzte Chance war.

„Tegan … ich hoffe, das Buch wird euch etwas nützen.“

„Das wird es.“ Seine erstaunlichen grünen Augen flackerten zu ihr hinüber, aber sie konnte sehen, dass er völlig mit den neuen Informationen beschäftigt war, die er in die Hand bekommen hatte. Er blinzelte, und nun war es, als hätte er sie in Gedanken schon vollständig abgeschrieben, als könnte er gar nicht erwarten, von ihr wegzukommen. „Für deine Hilfe ist dir die Dankbarkeit des Ordens sicher.“

„Was ist mit deiner?“

„Meiner?“

Als er mit finsterer Miene innehielt, sagte Elise: „Es ist doch nur fair, oder nicht? Du bist der Einzige, der mir helfen kann, dieses … Problem in den Griff zu bekommen. Bring mir bei, wie ich das ausblenden kann, wie man es anstellt, nichts zu fühlen. Ich kann dir und dem Orden nützlich sein. Ich will helfen.“

Der Blick, den er ihr darauf zuwarf, war brennend. „Ich arbeite allein. Und du weißt nicht, um was du mich da bittest.

Außerdem hatten wir das schon geklärt.“

„Ich kann lernen. Ich will lernen. Bitte, Tegan. Ich muss das lernen.“

„Und du denkst, ausgerechnet ich bin derjenige, der dir dabei helfen soll?“

„Ich denke, dass du meine einzige Hoffnung bist.“

Er schnaubte verächtlich und schüttelte den Kopf. Als er sich von ihr entfernte, ging Elise ihm unerschrocken nach, als könnte sie ihn handgreiflich vom Gehen abhalten. Sie fing sich, um Haaresbreite davon entfernt, ihn zu berühren, und ließ die Hand sinken. „Glaubst du nicht, dass ich jemand anderen fragen würde, wenn ich könnte?“

Einen Augenblick lang schwieg er, sie hoffte, dass er darüber nachdachte. Aber dann stieß er einen Fluch aus und griff nach der Tür. „Ich habe dir meine Antwort gegeben.“

„Und ich habe dir dieses Tagebuch gegeben. Das muss doch etwas wert sein, oder etwa nicht?“

Er stieß ein schneidendes Lachen aus und fuhr herum, um sie anzusehen. „Du scheinst zu denken, dass wir hier miteinander verhandeln. Das tun wir nicht.“

„Wenn dieses Buch in aktuelle Machenschaften der Rogues Einblick gewährt, bin ich sicher, dass die Dunklen Häfen genauso daran interessiert sein werden wie du. Alles, was ich tun muss, ist, einen Kontakt meines Mannes in der Agentur anzurufen, und im Hauptquartier des Ordens wimmelt es innerhalb einer Stunde von Agenten.“

Das war allerdings wahr. Quentin Chase hatte in der Agentur einen der höchsten Ränge bekleidet, und als seine Witwe verfügte Elise immer noch über beträchtlichen politischen Einfluss. Sie war mit einer Menge einflussreicher Persönlichkeiten der Dunklen Häfen persönlich bekannt. Allein Quentins Name würde ihr noch zehnmal mehr Türen öffnen, wenn sie es für nötig hielt, ihn zu benutzen.

Diese Tatsache brauchte sie Tegan nicht extra zu erklären.

Wut flammte in seinem normalerweise so eisigen Blick auf, der erste Hinweis einer Gefühlsregung, die sie an ihm entdecken konnte.

„Jetzt drohst du mir.“ Bei seinem kehligen Kichern setzte sich ein eisiger Knoten aus Angst in ihrer Kehle fest. „Frau, ich hab dich gewarnt: Du spielst mit dem Feuer.“

Elise wurde unbehaglich vor Nervosität, aber sie konnte nicht nachgeben. Zu lange hatte man sie in einer hübschen kleinen Schachtel eingesperrt, verhätschelt und beschützt. Wenn sie das Temperament eines Kriegers aufstacheln musste, um aus dieser Schachtel ausbrechen zu können - selbst eines so tödlichen GenEins-Vampirs wie Tegan - dann würde sie eben so mutig sein und es tun, und beten, dass sie heil und in einem Stück aus der Sache herauskam.

„Ob du es gutheißt oder nicht, ich bin ein Teil dieses Kampfes. Ich habe mir das nicht ausgesucht, die Rogues haben mir den Krieg erklärt, als Camden starb. Alles, worum ich dich bitte, ist, dass du mir zeigst, wie ich effizienter sein kann. Man sollte meinen, dass der Orden alle Verbündeten nötig hat, die er bekommen kann.“

„Hier geht es nicht um den Orden, und das weißt du auch.

Hier geht es um Rache, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Deine Emotionen laufen Amok, seit du mit ansehen musstest, wie dein Rogue-Sohn vor deinen Augen eingeäschert wurde.“

Tegans harte Worte schnitten in sie wie Glas, die Realität dessen, was er sagte, sickerte in ihre Wunden wie Säure.

„Es geht mir um Gerechtigkeit“, sagte sie scharf. „Ich muss das in Ordnung bringen! Verdammt, Tegan, muss ich dich denn auf Knien anbetteln?“

Sie hätte ihn nicht anfassen sollen. Sie war so verzweifelt, ihn zu überzeugen, dass sie, bevor sie sich dessen bewusst war, die Hand ausgestreckt und auf seinen Arm gelegt hatte. Tegans harte Muskeln bewegten sich unter ihren Fingerspitzen und wurden so angespannt wie der Ausdruck seines unergründlichen Gesichtes.