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„Hurensohn“, knurrte er, als Elises Aufschrei durch die Wände drang.

Der Rogue wählte diese Sekunde, um sich auf ihn zu werfen, aber darauf war Tegan vorbereitet. Er sprang dem Blutsauger aus dem Weg, landete hinter ihm in der Hocke und riss den Dolch hoch. Im Bruchteil einer Sekunde hatte er den Bastard aufgespießt und rannte schon auf Elises Wohnungstür zu, noch bevor der leblose Körper des Rogue auf dem Boden aufprallte.

Mit seiner Willenskraft und schierer Gewalt riss Tegan die Wohnungstür aus den Angeln und stürmte hinein. Elise lag bäuchlings am Boden, ihr Rücken gefangen unter dem schweren Stiefel eines Rogue, der zum Fenster hereingekommen war. Sie hielt das Tagebuch fest an die Brust gedrückt, schützte es mit ihrem Körper.

Grundgütiger Himmel.

Sie war bei dem Angriff verletzt worden. Auf ihrem Oberarm klaffte eine frische Schnittwunde, hellrot und glitschig von Blut.

Dieser Anblick und Geruch hatte in ihrem Rogueangreifer einen Anfall sabbernder Blutgier ausgelöst. Anstatt sich das Buch zu schnappen, was ohne Zweifel der Auftrag des Trios war, schien der Rogue, der Elise zu Boden drückte, jetzt nur noch auf eins aus zu sein - seinen unendlichen Durst an ihr zu stillen.

„Tegan!“, schrie sie, als ihr panischer Blick ihn erfasste. Jetzt begann sie, sich zu winden, um das Tagebuch unter sich hervorzuziehen. So als wolle sie es ihm zuwerfen, obwohl dabei ihr Leben auf dem Spiel stand. „Sie sollen es nicht kriegen! Nimm das Buch, Tegan.“

Zur Hölle mit dem verdammten Buch, dachte er. In seinen Schläfen hämmerte der Drang, noch mehr Rogueblut zu vergießen. Er sprang den Blutsauger an, und mit einem wilden Hieb seiner Gedanken fegte er ihn von Elise herunter. Ohne den Bastard auch nur anzufassen, allein mit der Kraft seines Willens und seiner wilden, flammenden Wut, warf Tegan den Rogue an die hintere Zimmerwand und hielt ihn dort, sodass der hundertzwanzig Kilo schwere, wild um sich schlagende Vampir gut einen Meter über dem Boden hing.

Er sah den Hunger in den Augen des Rogue, in diesen geschlitzten Pupillen, die immer noch starr auf Elise gerichtet waren, selbst als Tegan seinen mentalen Würgegriff um den Hals des Blutsaugers verstärkte und ihm allmählich die Luft abdrückte. Die ausgefahrenen Fangzähne glänzten von Speichel, der Verstand in dem riesigen Schädel war unfähig, an irgendetwas anderes zu denken, als seinen Durst zu stillen. Tegan verachtete dieses Element seiner Rasse - er kannte es besser als die meisten anderen. Gut genug, um zu wissen, dass Vernichtung für Vampire, die an die Sucht verloren waren, die einzige Lösung bedeutete.

Aber es war nicht Pflichtgefühl oder kühle Logik, die ihm jetzt die Hand führte, als er seine Klinge zog und dem Rogue ins Herz trieb. Es war der Heidekraut- und Rosenduft von Elises Blut, der bittere Geruch ihrer Angst, der wie ein Nebel in der Luft lag. Dieser Bastard hatte ihr wehgetan, einer unschuldigen Frau, und das war etwas, das Tegan nicht ausstehen konnte.

Er ließ den toten Rogue zu Boden fallen. Sofort war er vergessen.

„Bist du in Ordnung?“, fragte er Elise und drehte sich zu ihr um. Gerade kam sie hinter ihm auf die Füße.

Sie nickte. „Mir geht’s gut.“

„Dann nichts wie raus hier.“

Als sie auf die Straße hinauskamen, klappte Tegan sein Handy auf und drückte die Kurzwahltaste zum Hauptquartier.

„Schick mir jemanden, der mich abholt“, sagte er zu Gideon, als der Krieger abnahm. „Und zwar schnell.“

Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte Gideon, zweifellos, weil Tegan, der einsame Wolf, sonst nie Verstärkung anforderte.

„Bist du verletzt?“

„Nein, alles okay. Aber ich bin nicht allein.“ Er warf einen Blick auf Elises Wunde und stieß einen Fluch aus. „Eine Frau aus den Dunklen Häfen ist bei mir. Sie blutet, und ich habe gerade drei Rogues in der Innenstadt eingeäschert. Hab das Gefühl, dass gleich eine Menge mehr im Anmarsch sein werden.“

Selbst wenn dem so war, würden er und Elise ihre Verfolger eine Zeit lang abschütteln können. Aber solange sie eine Duftspur nach Blut hinterließen, würden die Rogues sie hetzen wie eine wilde Meute von Jagdhunden.

„Ach du Scheiße“, keuchte Gideon, er erfasste die Situation sofort. „Wo genau seid ihr?“

Immer noch in vollem Laufschritt, Elise neben ihm, gab Tegan ihre Koordinaten durch und die Richtung, in die sie rannten.

„Jau, ich hab euch auf dem Schirm“, sagte Gideon über das hektische Klicken seiner Computertastatur hinweg. „Ich werfe mein GPS an und schaue, wer in eurer Nähe ist … Okay, sieht so aus, als wären Dante und Chase nur fünfzehn Minuten nördlich von euch auf Patrouille.“

„Sag ihnen, ich brauch sie in fünf. Und, Gideon?“

„Hm?“

„Sag ihnen, dass die Verletzte … es ist Elise.“

„Fuck, T. Ist das dein Ernst?“ Gideons Stimme fiel um eine Oktave. Offenbar traute er seinen Ohren nicht. „Was zur Hölle treibst du da mit dieser Frau?“

Tegan hörte den Argwohn in seinem Tonfall, aber er ignorierte ihn. „Sag Dante einfach, er soll schleunigst seinen verdammten Arsch hierher bewegen.“

10

Elise bemühte sich, mit Tegan Schritt zu halten, als sie eine dunkle Straße nach der anderen hinunterrannten. Sie wusste, dass sie ihn aufhielt; kein Mensch konnte mit der unglaublichen Schnelligkeit der Stammesvampire mithalten. Auch der Rogue, der sich eben an ihre Fersen geheftet hatte, war tödlich schnell.

Sobald Tegan seinen Anruf im Hauptquartier beendet hatte, sichtete er auch schon diese neue Bedrohung, die auf sie zukam.

„Hier lang“, sagte er, packte ihre Hand und zog sie in einen engen Durchgang zwischen zwei Gebäuden aus der Kolonialzeit.

Hinter ihnen hörte Elise das Geräusch von schweren Stiefeln.

Eine Sekunde lang war alles still, dann ertönte ein lautes metallisches Scheppern. Sie warf einen Blick über die Schulter und sah, dass ihnen nun ein anderer Rogue im Nacken saß. Der riesige Vampir hatte sich in die Luft erhoben und war auf einer Feuertreppe gelandet, die an der Seitenwand des alten Ziegelbaus hing. Wieder machte er einen Satz und schwang sich dann aufs Dach hinauf, um sie von oben weiter zu verfolgen.

„Tegan - da oben!“

„Ich weiß.“

Seine Stimme war grimmig, seine Hand fest um ihre geschlungen, als sie sich dem Ende des Durchgangs näherten. Sein Griff war so fest wie Eisen, ein unausgesprochenes Versprechen, dass er sie nicht loslassen würde. Elise holte sich Kraft von ihm, zwang ihre Beine dazu, schneller zu rennen, beachtete ihre schmerzenden Lungen nicht und das Brennen im Arm, dort, wo der Rogue sie bei seinem Angriff aufgeschlitzt hatte.

Als sie aus dem Durchgang auf die dahinter gelegene Straße rannten, kam ein dunkler Geländewagen mit quietschenden Reifen angebraust und legte vor ihnen am matschbedeckten Bordstein eine schliddernde Vollbremsung hin. Die hintere Tür flog auf.

„Rein mit euch!“

Tegan ließ ihre Hand nur los, um sie in das Fahrzeug zu stoßen, und Elise fiel mit wild hämmerndem Herzen auf die lederbezogene Rückbank. Mit einer Bewegung, so schnell, dass sie mit bloßem Auge kaum noch wahrzunehmen war, fuhr er herum, zückte den Dolch und ließ ihn in den Durchgang fliegen.

Irgendwo in der Dunkelheit ertönte ein Schmerzensschrei, dann folgte das tiefe, qualvolle Aufheulen eines Rogue, der an der Spitze von Tegans Titanklinge verendete.

Tegan schlüpfte neben Elise in den Geländewagen und knallte die Tür zu. „Gib Gas, Dante. Es sind noch mehr unterwegs.

Kommen von oben …“

Im selben Moment fiel etwas Schweres auf das Wagendach.

Mit quietschenden Reifen legte Dante den Rückwärtsgang ein und schleuderte den Rogue auf die Kühlerhaube. Nach einem schnellen Zickzackmanöver fiel er vollends vom Wagen, und als sich der wutschnaubende, rasende Rogue auf der Straße abrollte und wieder hochkam, lehnte sich der ledergewandete Krieger auf dem Beifahrersitz aus dem offenen Fenster und verpasste ihm einen gnadenlosen Kugelregen. Er stieß einen heiseren Kampfschrei aus, als eine scheinbar endlose Salve wie Donner durch die Nacht hallte.