Выбрать главу

„Willst du mich denn nicht einmal begrüßen?“, fragte sie in die unerträgliche Stille hinein. „Irgendwann müssen wir doch miteinander reden, oder nicht?“

Aber Sterling sagte kein Wort.

Mit einem unbestimmten Kopfschütteln drehte er sich einfach um, ging davon und ließ sie allein im langen Korridor stehen.

Tegan verspannte sich, als über dem unterirdischen Schwimmbecken des Hauptquartiers die Lichter ansprangen. Zuerst hatte er den Dunklen Hafen in Berlin angerufen, dann war er hierhergekommen, um die Einsamkeit zu suchen und etwas von dem Dampf abzulassen, der sich nach all dem Stress in ihm angestaut hatte. Er war sauer, dass Gideon nicht herausbekommen konnte, wer dieses FedEx-Päckchen abgeschickt hatte, aber es überraschte ihn auch nicht weiter. Der andere musste über ein riesiges Netzwerk von Lakaien verfügen. Wahrscheinlich war das Tagebuch wie eine Stafette ein halbes Dutzend Mal von Hand zu Hand gegangen, bevor es in Boston angekommen war, nur um keine nachweisbare Spur zu hinterlassen.

Und was das Buch anging, hatte sich nicht einmal Savannahs beeindruckende übersinnliche Fähigkeit, die emotionale Geschichte eines Gegenstandes zu lesen, als hilfreich erwiesen.

Alles, was Gideons Gefährtin dem Tagebuch entlocken konnte, war der tiefe Wahnsinn gewesen, der den Schreiber umnachtet hatte - die Blutgier hatte ihm den Verstand genommen.

Frustriert war Tegan ein paar Bahnen geschwommen, dann hatte er sich in die Ecke des gruftähnlichen unterirdischen Raumes gesetzt und die nackten Beine auf einer Liege aus Teakholz ausgestreckt. Sein Haar und die knappe schwarze Badehose, die ihm eng am Körper klebte, waren immer noch feucht vom Wasser. Er hatte die Einsamkeit und die Dunkelheit genossen - zumindest so lange, bis diese verdammten Neonröhren über dem Pool ansprangen, fast so wie diese Lampen, die einem in Verhörräumen ins Gesicht schienen.

Er stand auf und erwartete schon, Rio mit Tess an seiner Seite hereinhinken zu sehen, um eine Runde Physiotherapie zu absolvieren. Aber wer da gerade aus den Duschräumen in den Poolbereich trat, war jemand anders.

Es war Elise.

Sie sah ihn nicht, als sie barfuss hereinkam, in einem schneeweißen Badeanzug, an den Seiten geschlitzt und zusammengehalten von zierlichen Bronzeringen. Das Vorderteil war tief ausgeschnitten, und ein weiterer Ring hielt es über der perfekten Rundung ihrer Brüste zusammen. Dieser aufreizende Badeanzug war fast eine ebenso große Überraschung wie die, sie hier zu sehen. Nie im Leben hätte Tegan vermutet, dass diese reservierte Witwe aus den Dunklen Häfen in solch unzüchtiger Kleidung so extrem gut aussehen konnte.

Und verdammt noch mal, sie sah tatsächlich zum Anbeißen aus.

Eine tiefe, primitive Regung kam in ihm auf, als er ihr dabei zusah, wie sie das Badetuch wegzog, das sie um den Hals getragen hatte. Sie ließ es am Beckenrand auf die Fliesen fallen, dann trat sie auf die erste wasserbedeckte Treppenstufe am flachen Ende des Beckens.

Geräuschlos zog Tegan sich zentimeterweise tiefer in seine Ecke zurück, atmete kaum in den dünnen Schatten, die ihn verbargen. Obwohl man deutlich sehen konnte, dass ihr Körper in Ermangelung des stärkenden Stammesblutes schmaler war, als er sein sollte, war Elise ein wahrer Augenschmaus. Alles an ihr war wunderschön, angefangen von ihren langen Beinen und der sanften Kurve ihrer Hüften zu den schlanken Rundungen ihrer Taille, ihrer Brüste und ihren zarten Schultern.

Er hatte andeutungsweise ihre Figur gesehen, als sie letzte Nacht in ihrer Wohnung aus der Dusche gekommen war, und auch, als sie bewusstlos auf dem Futon gelegen hatte, aber der dicke Bademantel hatte mehr verborgen als enthüllt. Doch dieser winzige Fetzen aus elastischem, weißem Material, den sie jetzt trug, hob ihre Vorzüge nur umso deutlicher hervor. Und zwar extrem deutlich.

Sie ließ sich ins Wasser gleiten und begann, langsam zur Mitte des Beckens zu schwimmen. Plötzlich tauchte sie unter und verschwand aus seinem Blickfeld, bis sie am gegenüberliegenden Ende wieder auftauchte, um Luft zu holen. Als ihr Gesicht durch die Wasseroberfläche brach, öffnete sie die Augen und bemerkte ihn. Ihr überraschtes kleines Aufkeuchen hallte von der gewölbten Decke wider.

„Tegan.“ Sie hob den Arm, um sich am Beckenrand festzuhalten, hielt aber ihren Körper unter Wasser, als wollte sie sich so vor seinen aufdringlichen Blicken schützen. „Ich dachte, ich wäre hier allein.“

„Das dachte ich auch.“ Er kam aus seiner Ecke ins Licht hinaus, und ihm entging nicht, dass sich ihre Wangen röteten und sie schnell den Blick abwandte, als sie sah, dass er praktisch nackt war.

Er kam näher an den Beckenrand und grinste, als sie prompt in Richtung Poolmitte auf Abstand ging. „Dein Arm sieht besser aus.“

„Tess hat meine Wunde versorgt“, sagte sie. „Gabrielle und Savannah haben mir etwas zu Essen gemacht und mir was Frisches zum Anziehen gegeben. Savannah sagte, es wäre in Ordnung, wenn ich hier ein paar Bahnen schwimme …“

Tegan zuckte die Schultern und sah ihr beim Wassertreten zu, ihre schlanken Arme und Beine bewegten sich geschmeidig unter der Wasseroberfläche. „Tu, wonach dir der Sinn steht. Du bist mir keine Erklärung schuldig.“

Sie sah ihn über das Wasser hinweg an. „Warum gibst du mir dann das Gefühl, dass es so ist?“

„Tue ich das?“

Statt einer Antwort drehte sie sich herum und begann, in entspannten Zügen zu schwimmen, brachte mehr Distanz zwischen sie. „Habt ihr etwas über das Tagebuch herausfinden können?“

„Themawechsel, was?“ Er sah ihr zu, wie sie auf das tiefe Ende zuschwamm, und aus irgendeinem absurden Impuls heraus wäre er am liebsten ins Wasser gesprungen und ihr gefolgt. Es kostete ihn seine ganze Selbstbeherrschung, es nicht zu tun.

„Wir haben vielleicht eine Spur nach Berlin. Morgen Abend fliege ich hin.“

„Berlin?“ Sie griff nach dem Beckenrand und drehte sich stirnrunzelnd zu ihm um. „Was ist in Berlin?“

„Jemand, den wir vielleicht überzeugen können, uns Informationen zukommen zu lassen. Dummerweise ist momentan unsere beste Spur ein Rogue. Er hat die letzten Jahre in einer Gummizelle verbracht.“

„Eine Rehabilitationseinrichtung?“, fragte Elise. Als Tegan nickte, sagte sie: „Die werden von der Agentur kontrolliert.“

„Und?“

„Wieso glaubst du, dass sie dich da hineinlassen? Du bist dir doch darüber im Klaren, dass der Orden in den Dunklen Häfen nicht gerade viele Bewunderer hat. Sie waren nie mit euren Methoden einverstanden, wenn es darum ging, wie mit Vampiren umzugehen ist, die zu Rogues mutieren.“

Eines musste er dieser Frau lassen - mit Politik kannte sie sich aus, und was die Agentur anging, hatte sie recht. Die hatte allerdings vor, dem Orden den Zugang zu dem gefangenen Rogue zu verweigern. Tegan hatte einen alten Verbündeten in Berlin angerufen, Andreas Reichen, und der hatte ihm nur bestätigt, womit Lucan und er sowieso schon gerechnet hatten. Der einzige Weg, um an Peter Odolf heranzukommen, führte über jede Menge bürokratische Hürden und an ignoranten Amtsschimmeln vorbei.

Und das auch nur dann, wenn es Reichen gelang, Tegan überhaupt Gehör zu verschaffen.

Auch Elise wusste das. „Ich habe Kontakte zur Agentur. Vielleicht, wenn ich dich begleite …“

Tegan knurrte verächtlich. „Nichts da. Kommt nicht in Frage.“

„Warum nicht? Bist du so störrisch, dass du meine Hilfe sogar in einer solchen Angelegenheit zurückweist?“

„Ich arbeite alleine. Punkt.“

„Selbst wenn das heißt, dass du nur mit dem Kopf gegen eine Wand rennst?“ Jetzt lachte sie, verletzte ihn mit ihrem offenen Spott. „Ich hätte dich für klüger gehalten, Tegan.“