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Mit leeren, unmenschlichen Augen starrte er auf sie herunter.

„Aus dem Weg, du Kuh!“

Kaum hatte sie sich bewegt, da pflügte er auch schon an ihr vorbei und auf die Tür zu, die er mit solcher Wucht aufstieß, dass die Scheiben gefährlich klirrten.

„Arschloch“, murmelte einer der Kunden in der Schlange, als der Lakai endlich gegangen war.

Elise spürte, wie sich sofort eine Welle der Erleichterung unter den anderen Kunden ausbreitete. Ein Teil von ihr war auch erleichtert, froh darüber, dass niemand zu Schaden gekommen war. Sie hätte gern noch einen Augenblick in der momentan wohltuend beruhigten Atmosphäre des Ladens gewartet, aber diesen Luxus konnte sie sich nicht leisten. Der Lakai stürmte jetzt über die Straße, und die Dämmerung brach um diese Jahreszeit früh herein.

Ihr blieb höchstens eine halbe Stunde, bevor es dunkel wurde und die Rogues auf Nahrungssuche aus ihren Löchern kamen.

Das, was sie tat, war tagsüber schon gefährlich, aber in der Nacht kam es praktisch einem Selbstmord gleich. Einem Lakaien konnte sie beikommen, ihn mit Heimlichkeit und Stahl töten - was sie auch schon des Öfteren getan hatte. Aber wie jeder andere Mensch, ob Frau oder Mann, hatte sie gegen die übernatürliche Kraft der blutsüchtigen Rogues keine Chance.

Elise wappnete sich innerlich gegen das, was sie tun musste, schlüpfte aus der Tür und folgte dem Lakaien die Straße hinauf.

Er war wütend, seine Bewegungen abgehackt, im Vorbeigehen rempelte er andere Passanten an und knurrte ihnen Obszönitäten zu. Ein Bombardement mentaler Schmerzen erfüllte ihren Kopf, als sich neue Stimmen dem Höllenlärm zugesellten, der schon in ihrem Kopf dröhnte. Aber Elise hielt weiter Schritt mit ihrer Beute, blieb immer einige Meter hinter ihm, die Augen durch das leise Schneegestöber fest auf seinen bulligen Rücken in der hellgrünen Jacke geheftet. Er bog nach links um ein Eckgebäude und ging in eine schmale Gasse hinein. Jetzt beeilte sich Elise, entschlossen, ihn nicht zu verlieren.

Auf halber Höhe der kleinen Seitenstraße riss er eine verbeulte Stahltür auf und verschwand. Sie schlich sich an das fensterlose Metallviereck heran. Trotz der kühlen Luft schwitzten ihre Handflächen. Seine gewalttätigen Gedanken erfüllten ihren Kopf - mörderische Gedanken, an all die grauenvollen Dinge, die er aus Loyalität zu seinem Herrn und Meister tun würde.

Elise griff in die Jackentasche und zog den Dolch heraus. Sie hielt ihn eng an sich gedrückt, die Klinge einsatzbereit gezückt, aber hinter einer Falte ihres Anoraks verborgen. Mit der freien Hand packte sie den Riegel und zog die unverschlossene Tür auf. Schneeflocken wirbelten ihr voran in den dämmrigen Vorraum, in dem es nach Schimmel und altem Zigarettenrauch stank. Der Lakai stand neben einer Reihe von Briefschlitzen, die Schulter an die Wand gelehnt, während er ein Handy aufklappte, wie sie es alle trugen - die Direktverbindung der Lakaien zu ihrem vampirischen Herrn und Meister.

„Mach die verdammte Tür zu, Schlampe!“, blaffte er, die seelenlosen Augen glitzerten. Er runzelte die Stirn, als sich Elise mit schneller, tödlicher Zielstrebigkeit auf ihn zubewegte. „Was zum Teufel ist …“

Sie trieb ihm den Dolch tief in die Brust. Das Überraschungsmoment war immer einer ihrer größten Vorteile. Seine Wut traf sie wie ein körperlicher Schlag und stieß sie nach hinten, und seine Bösartigkeit drang in sie ein wie Säure, verbrannte ihre Sinne. Elise kämpfte sich durch den psychischen Schmerz und kam wieder so weit zu Bewusstsein, um ihm erneut einen Stoß mit der Klinge zu versetzen. Auf ihrer Hand war plötzlich eine nasse Hitze, sein Blut quoll ihr entgegen, aber sie beachtete es nicht.

Der Lakai keuchte und spuckte, versuchte sie zu packen und fiel schließlich gegen sie. Seine Wunde war tödlich, er verlor so viel Blut, dass sich Elise von dem Anblick und Geruch fast der Magen umdrehte. Sie wand sich unter dem schweren, noch halb stehenden Körper hervor und trat rasch zur Seite, als er ohne Stütze zusammensackte und auf den Boden fiel. Ihr Atem ging keuchend, ihr Herz raste, ihr Kopf platzte fast vor Qual, als das wilde Sperrfeuer seiner Wut in ihrem Kopf nachhallte.

Der Lakai schlug um sich und zischte, als der Tod ihn überwältigte. Dann, endlich, gab er Ruhe.

Endlich Ruhe.

Mit zitternden Fingern nahm Elise sein Handy an sich, das neben ihr auf dem Boden lag, und ließ es in die Jackentasche gleiten. Der Mord hatte sie erschöpft, die vereinte psychische und physische Anstrengung war fast mehr, als sie ertragen konnte. Jedes Mal fiel es ihr schwerer, jedes Mal dauerte es länger, bis sie sich wieder davon erholt hatte. Sie fragte sich, ob sie eines Tages so tief in diesen Abgrund hinuntergleiten würde, dass sie überhaupt nicht mehr herausfand. Vermutlich würde es tatsächlich einmal so weit kommen, dachte sie, aber heute noch nicht.

Und solange sie noch einen Atemzug im Körper hatte und der Schmerz ihres Verlustes noch in ihrem Herzen lebendig war, würde sie weiterkämpfen.

„Für Camden“, flüsterte sie und starrte auf den toten Lakaien herunter, während sie den MP3-Player einschaltete, um sich auf ihren Rückweg durch die Stadt nach Hause vorzubereiten. Musik dröhnte und wummerte durch die winzigen Kopfhörer und blendete die Gabe aus, die ihr die Macht gab, die dunkelsten Geheimnisse der menschlichen Seele hören zu können.

Für heute hatte sie genug gehört.

Ihre düstere Mission des Tages beendet, drehte sich Elise um und floh vom Schauplatz des blutigen Gemetzels, das sie angerichtet hatte.

2

Die schwache winterliche Brise führte den Geruch von Blut mit sich. Er war schwach, frisch, ein kupfriges Prickeln in der Nase des Vampirkriegers, der geräuschlos vom Dach eines verdüsterten Gebäudes zum nächsten sprang. Schneeflocken umwirbelten ihn wie schwebende weiße Ascheflocken und breiteten einen Teppich über die Stadt, die sich sechs Stockwerke unter ihm erstreckte.

Tegan kauerte sich am Dachrand nieder und schaute auf das Straßen- und Gassengewirr hinunter, das von geschäftigem Leben pulsierte. Als Mitglied des Ordens - einer kleinen Elitetruppe von Stammesvampiren, die sich dem Kampf gegen ihre verseuchten Brüder, die Rogues, widmeten - war es Tegans allnächtliche Mission, seinen Feinden den Tod zu bringen. Das war etwas, das er mit kalter Effizienz betrieb, eine Fähigkeit, die er in den über sieben Jahrhunderten seiner Existenz zur Perfektion gebracht hatte. Aber tief in seinem Inneren blieb er doch ein Stammesvampir, und es gab keinen Angehörigen seiner Spezies, der den Ruf von frischem menschlichem Blut ignorieren konnte.

Er kräuselte die Lippen und sog die kalte Luft durch die Zähne. Sein Zahnfleisch prickelte, ein Schmerz, der ankündigte, dass sich seine Eckzähne zu Fangzähnen ausfuhren. Seine Sicht schärfte sich übernatürlich, als sich die Pupillen seiner grünen Augen zu dünnen, vertikalen Schlitzen verengten. Der Jagdtrieb - der Urtrieb nach Nahrung - stieg rasch in ihm empor. Es war eine automatische Reaktion, die selbst er mit seiner eisernen Selbstbeherrschung nicht unterdrücken konnte.

Umso schlimmer für ihn als Angehörigen der ersten Vampirgeneration, die auf Erden gezeugt worden war. Die Triebe der Gen-Eins-Vampire - physischer, sexueller oder sonstiger Natur - brannten am stärksten.

Tegan schlich an der Dachkante entlang und sprang dann auf das Dach des niedrigeren Nachbargebäudes hinunter, seine Augen fest auf die Bewegungen der Menschen unten auf der Straße gerichtet, und suchte nach dem verletzten Schaf der Herde. Aber er durchkämmte die Menge nicht nur um seiner eigenen Bedürfnisse willen. Man brauchte nur einen Menschen mit einer offenen Fleischwunde zu finden, und konnte sichergehen, dass sich alle Rogues im Umkreis einer Meile einstellten.

Als er sich nun der Quelle des Blutgeruchs näherte, erkannte er plötzlich, dass der Geruch etwas Abgestandenes an sich hatte. Das Blut war gar nicht frisch, sondern schon mehrere Minuten alt.