Выбрать главу

Gott, lass diese Fahrt nur bald zu Ende sein. Alles, was sie jetzt wollte, war, sich im Bett zu verkriechen und die letzten paar Nächte hinter sich zu lassen.

„… gut gemacht.“

Tegans tiefe Stimme holte sie aus ihrer wachsenden Panik.

Sie war so zerstreut gewesen, dass ihr ganz entgangen war, dass er endlich begonnen hatte, mit ihr zu reden. „Bitte?“

„In der Anstalt. Das war wirklich gut, wie du mit Kuhn fertig geworden bist … und all den anderen. Ich bin beeindruckt.“

Sein Lob wärmte sie, besonders weil sie wusste, wie selten es war. Er war nicht der Typ, der einem Honig ums Maul schmierte, wenn er es nicht wirklich ernst meinte. „Ich wünschte nur, wir hätten mehr Glück mit Odolf gehabt.“

„Morgen werden wir von ihm bekommen, was wir brauchen.“

„Ich hoffe es.“

Müßig rieb sie ihre pulsierende Schläfe, eine Bewegung, die Tegan nicht entging. „Alles okay mit dir?“

„Alles bestens“, sagte sie und verzog etwas das Gesicht, als der Wagen vor einer roten Ampel an einer belebten Kreuzung mit dichtem Fußgängerverkehr hielt. Passanten überquerten vor ihnen den Zebrastreifen, ein dichtes Gewühl von Menschen, deren Gedanken in Elises Kopf widerhallten wie ein langgezogenes Donnergrollen. „Mir wird’s gut gehen, sobald wir aus der Stadt heraus sind.“

Tegan starrte sie an.

„Du brauchst mehr Blut“, meinte er, von dem Gedanken offenbar nicht sonderlich angetan. „Nach so langer Zeit ohne Stammesblut wird eine einzige Dosis nicht lange ausreichen.“

„Es geht mir gut“, beharrte sie und wünschte sich, es wäre so.

„Ich werde nicht mehr von dir nehmen, Tegan.“

„Ich hab’s dir auch nicht angeboten.“

Demütigung überflutete sie bei dieser grimmigen Feststellung. „Das erste Mal hast du’s mir auch nicht angeboten. In der Nacht im Hauptquartier habe ich mir deine Hand mit Gewalt genommen, tut mir leid.“

„Vergiss es. Es wird mich nicht umbringen.“

Nun, dieses Thema hatte er offensichtlich abgeschlossen.

Doch etwas anderes beschäftigte ihn offenbar, er schien nervös.

Elise hatte gesehen, wie abstoßend Tegan die Praktiken in der Hochsicherheitsklinik fand.

Sie hatte auch gesehen, wie er Peter Odolf angeschaut hatte, in Fesseln gelegt und fiebrig vor Blutgier, die ihn seines Verstandes und wahrscheinlich auch seiner Seele beraubt hatte. Tegan, der normalerweise so distanziert und unbeweglich war, hatte für den Rogue, der in dieser Zelle festgehalten wurde, eine Spur Mitgefühl empfunden. So unglaublich das auch sein mochte, für Elise hatte es so ausgesehen, als könnte Tegan den jämmerlichen Zustand des Vampirs nachempfinden.

Das konnte sich Elise kaum vorstellen, so felsenfest, wie der Krieger an seiner Selbstbeherrschung festhielt. Aber vielleicht tat er das ja nur, weil er wusste, wie es war, die Kontrolle zu verlieren …

Sie hätte noch länger darüber nachgegrübelt, aber als sich ein weiterer Fußgängerstrom am Auto vorbeischob, während es auf Grün wartete, packte sie eine neue Schwindelwelle.

Mit einer fließenden Bewegung kam Tegan zu ihr herüber und setzte sich neben sie.

„Komm her. Ich versetze dich in Trance.“

„Nein.“ Sie wich vor ihm zurück, wollte sein Mitleid nicht.

„Nein, ich muss allein damit fertig werden. Es ist mein Problem, wie du gesagt hast. Ich will allein damit klarkommen.“

Zum Glück fuhr der Wagen wieder an und bog in eine Seitenstraße ein, abseits der exklusiven Hauptgeschäftsstraße mit ihren hell erleuchteten Boutiquen und den drängenden, schiebenden Menschenmassen. Hier war es besser, aber immer noch fiel es ihr schwer, den unablässigen inneren Ansturm auszuhalten. Ihr Kopf fühlte sich wie ein kaputtes Radio an, das nur die schlechtesten Sender empfing und sie mit unzähligen Signalen bombardierte, bis das vielstimmige Getöse sie vollkommen auszufüllen schien.

„Finde eine, auf die du dich konzentrieren kannst“, sagte Tegan neben ihr. Sein Atem war warm, seine Finger sanft, aber nachdrücklich, als er ihre Hand ergriff. Sein Daumen fuhr über ihre Haut und beruhigte sie. Erdete sie. „Alles, was du brauchst, ist eine einzige Stimme, mit der du fertig werden kannst. Trenne sie von den anderen. Lass den Rest los. Lass sie einfach von dir abfallen.“

Seine tiefe Stimme war fast hypnotisch, leitete sie tiefer in den Schmerz ihrer Gabe hinein, sodass sie lernen konnte, sie zu bändigen. Mit geschlossenen Augen folgte sie seiner Anweisung, durchsiebte den schrecklichen Lärm, um etwas zu finden, das sich festhalten ließ. Langsam, Stück für Stück, schälte sie die schlimmsten Stimmen in ihrem Kopf ab, bis sie die hörte, die am wenigsten wehtat.

„Konzentriere dich auf diese eine“, murmelte Tegan. Immer noch hielt er ihre Hand, immer noch führte er sie mit seinen Worten und der beschützenden Wärme seiner Berührung. „Zieh eine Stimme näher an dich ran, auch wenn dann die anderen anfangen, sich um dich herumzulegen. Sie können dir nichts tun. Du bist stärker als deine Gabe, Elise. Deine Macht liegt in dir, in deinem Willen.“

Sie konnte jedes seiner Worte spüren, sie wusste, dass er die Wahrheit sagte. Mit seinen Fingern um ihre geschlossen, seine Stimme ein tiefes Schnurren nahe an ihrem Ohr, fühlte sie, dass sie stark sein konnte. Sie glaubte daran, dass sie es tun konnte …

„Fühle deine Kraft, Elise“, leitete Tegan sie an. „Hier gibt es keine Panik, nur Ruhe. Deine Gabe beherrscht dich nicht …

sondern du beherrschst sie.“

Und das tat sie wirklich, wie sie erst jetzt erkannte - sie wusste, was Tegan ihr gerade zeigte, war nur eine Vorahnung der Selbstbeherrschung, zu der sie eigentlich fähig war. Er öffnete eine Tür in ihrem Unterbewusstsein, und woher ihre Stammesgefährtinnengabe auch immer kam, Tegan führte sie in diesen inneren Ort hinein und ließ sie die Kraft ihres eigenen Potenzials erkennen.

Es war eine Offenbarung. In ihren Schläfen hämmerte immer noch der Ansturm von Schmerz, der von ihrer übersinnlichen Wahrnehmung ausgelöst wurde, aber jetzt, wo sie sich konzentrierte, die Beherrschung ihrer Gabe weiter schärfte, war es nur noch ein stumpfes, erträgliches Pulsieren. Sie wollte damit arbeiten, ihre Grenzen ausloten, aber die Übung erschöpfte sie. Die eine Stimme, an die sie sich klammerte, begann ihr zu entgleiten und verschmolz mit dem schrecklichen Getöse in ihrem Kopf.

Irgendwo außerhalb ihres Verstandes und ihres Körpers spürte sie, wie sich der Wagen verlangsamte und schließlich anhielt.

Die Schritte zweier Personen näherten sich, unterlegt vom diensteifrigen Schlurfen des Fahrers, als er um den Wagen herumging, um ihnen die Tür zu öffnen.

Sobald sich die Tür auftat, war Tegans Berührung fort.

Elise blinzelte und hob den Kopf. Reichen stand vor dem Wagen und küsste gerade eine atemberaubende junge Frau mit nachtschwarzem Haar kurz auf den Mund. Sie war in einen silbrig schimmernden Pelzmantel eingehüllt - und so weit Elise sehen konnte, trug sie nur wenig darunter. An der Seite ihres schlanken, grazilen Halses war die Haut gerötet, nur ein schnell verblassender, knospenartiger Fleck an der Stelle, wo Reichen zweifellos erst vor Kurzem getrunken hatte.

„Es war mir ein Vergnügen wie immer, meine bezaubernde Helene“, sagte er, als sie sich trennten. „Du verwöhnst mich einfach viel zu sehr.“

Offensichtlich war die Angelegenheit, die den Mann aus dem Dunklen Hafen in die Stadt geführt hatte, extrem persönlicher Natur gewesen.

Der glänzende Mund der jungen Frau kräuselte sich bei seiner charmanten Bemerkung zu einem katzenartigen Lächeln. Sie wartete nicht, bis er abgefahren war, sondern wirbelte auf schwindelnd hohen, silbernen Stilettos herum und schlenderte ins Gebäude zurück, vor dem Reichens Wagen wartete. Die Tür war rot und trug keine Aufschrift.