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Elise hätte heute getötet werden können. Sicher, sie hatte es geschafft, zu entkommen, aber sie war im Kampf mit diesem Lakai in ernsthafter Gefahr gewesen, und da standen die Chancen immer gut, dass es schlecht ausging.

Er hätte sie verlieren können, während er schlief. Als sie außerhalb seiner Reichweite und er unfähig war, sie zu beschützen.

Der Gedanke traf ihn tief.

So unerwartet tief.

Alles, was er jetzt tun konnte, war, sie festzuhalten. Als wollte er sie nie wieder loslassen.

Elise hatte damit gerechnet, dass Tegan wütend war und ihr ein paar arrogante Machosprüche an den Kopf werfen würde.

Nichts hätte sie mehr schockieren können, als jetzt seine Arme um sich zu spüren, die sie festhielten.

Du liebe Güte, zitterte er etwa?

Sie stand im warmen, starken Käfig seiner Umarmung und spürte, wie ein Teil ihrer nervösen Anspannung langsam von ihr wich. Die Angst, die ihr bis in die Knochen gedrungen war und die sie sich bis jetzt nicht erlaubt hatte wahrzunehmen, begann, in ihre Glieder zu strömen. Sie lehnte sich in Tegans Stärke, die sie willkommen hieß, und hob die Hände, um sie auf die harten Muskeln seines nackten Rückens zu legen, ihre heile Wange an die glatte Fläche seiner Brust gepresst.

„Da gibt es Papiere“, schaffte sie schließlich herauszubringen.

„Peter Odolfs Bruder hat ein paar Briefe geschrieben. Ich dachte, dass sie vielleicht wichtig sind. Darum bin ich zu Irina hinausgefahren.“

„Das ist mir egal.“ Tegans Stimme war belegt, vibrierte an ihrem Ohr. Seine Fingerspitzen pressten sich in ihre Schultern, als er sie auf Armeslänge von sich fort hielt und in ihre Augen hinunterstarrte. Der smaragdgrüne Blick war durchdringend, von so intensiver Ernsthaftigkeit. „Herr im Himmel, das ist mir jetzt so was von egal.“

„Es könnte etwas bedeuten, Tegan. Es gibt da ein paar seltsame Passagen …“

Er schüttelte den Kopf, nun mit einem finsteren Gesicht.

„Das kann warten.“

Er streckte die Hand aus und wischte einen verschmierten Fleck an ihrem Kinn fort. Dann hob er ihr Gesicht, starrte sie einen langen Moment lang an und küsste sie.

Es war ein kurzer und zärtlicher Kuss, gefüllt mit einer Süße, die Elise den Atem nahm.

„Alles kann warten“, sagte er ruhig, eine dunkle Wildheit in der Stimme. „Komm mit, Elise. Ich will mich um dich kümmern.“

Er führte sie an der Hand aus dem Foyer, die Haupttreppe hinauf und zu ihrem Gästezimmer im zweiten Stock. Sie ging mit ihm hinein und blieb stehen, als er die Tür hinter ihnen schloss. Er sah hinunter und bemerkte ihre fertig gepackte Reisetasche, die dort auf dem Boden stand. Als er sie wieder ansah, stand eine Frage in seinen Augen.

„Ich hatte geplant, Berlin heute zu verlassen. Ich wollte nach Boston zurück.“

„Wegen mir?“

Sie schüttelte den Kopf. „Meinetwegen. Weil ich so durcheinander bin wegen einer Menge Dinge und die Perspektive verliere, was wirklich wichtig ist. Das Einzige, was zählt, ist …“

„Deine Rache.“

„Mein Versprechen, ja.“

Tegan baute sich vor ihr auf, sein breiter Brustkorb füllte ihr Blickfeld und strahlte eine Wärme aus, von der sie sich so sehr wünschte, sie wieder an ihrer Haut zu spüren. Sie schloss die Augen, als er begann, vorsichtig ihre blutgetränkte Bluse aufzuknöpfen. Er schälte ihr die klebrige Seide vom Körper und ließ sie zu Boden fallen.

Vielleicht hätte sie sich befangen fühlen oder ihm zumindest Widerstand leisten sollen, als er sie auszog, so wie die Dinge in der letzten Nacht zwischen ihnen gelaufen waren. Aber ihr war übel von dem Blut auf ihren Kleidern, und ein Teil ihres Selbst, zitternd und verstört, hieß Tegans Sorge um sie willkommen.

Seine Berührung war beschützend, nicht fordernd, nichts als ruhige Stärke. Verlässlich und voller Mitgefühl.

Ihre ruinierte Hose war als Nächstes an der Reihe, zusammen mit Socken und Schuhen. Und dann stand sie nur noch in BH

und Höschen vor ihm.

„Das Lakaienblut ist dir bis auf die Haut gedrungen“, meinte er mit einem Stirnrunzeln, als er mit der Hand über ihre verletzte Schulter und die Linie ihres Armes hinunterstrich. Im angrenzenden Badezimmer drehte sich die Dusche an. „Ich wasche es dir ab.“

Sie ging mit ihm in das geräumige Badezimmer hinüber und sagte nichts, als er behutsam ihre letzten Kleidungsstücke entfernte.

„Komm“, sagte er und führte sie um die Wand aus marmorierten Glasziegeln herum, die den großen Duschbereich vom Rest des Raumes trennte.

Warmer Dampf umhüllte sie, als sie sich dem Wasserstrahl näherten.

„Du wirst ja ganz nass“, sagte Elise, als Tegan ihr voranging, ohne seine Jeans auszuziehen.

Er zuckte unmerklich die Schultern. Wasser strömte über ihn, in sein zottiges Haar und die breiten Muskelstränge auf seinen Schultern und Armen hinunter. Das Wasser ergoss sich in sprühenden Rinnsalen über die wunderschönen Linien seiner Dermaglyphen und den dunkel werdenden Jeansstoff, der seine langen, kräftigen Beine umspannte.

Sie sah ihn an und hatte das Gefühl, ihn plötzlich mit ganz neuen Augen zu sehen … als sähe sie ihn zum ersten Mal. Es konnte keinerlei Zweifel daran geben, was er war - ein einzelgängerischer, tödlicher Mann, eine ausgebildete Kampfmaschine, dessen Gefühllosigkeit fast perfekt war. Aber er hatte etwas überraschend Verletzliches, wie er jetzt so vor ihr stand, triefnass, seine Hand liebevoll nach ihr ausgestreckt.

Und wo der Krieger in ihm sie zuvor hatte innehalten lassen, verwirrte sie diese neue Sicht auf ihn sogar noch mehr.

Am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen, um dort für immer zu bleiben.

„Komm mit mir unter die Dusche, Elise. Ich mache den Rest.“

Ihre Füße bewegten sich wie von selbst, ihre Finger kamen auf Tegans warmer Handfläche zu liegen. Er zog sie unter den weichen Strahl der Dusche. Strich ihr das Haar aus dem Gesicht, als sie beide klatschnass wurden.

Elise schmolz unter dem warmen Wasser und in der noch größeren Hitze von Tegans Körper, der sich an sie drückte. Sie überließ sich ihm ganz und gar, als er ihre Haut einseifte und ihr Shampoo im Haar verteilte, froh über den Trost seiner Berührung nach diesem schrecklichen Tag.

„Fühlt sich das gut an?“, fragte er, als er sie abspülte, das tiefe Vibrieren seiner Stimme wanderte durch seine Fingerspitzen und ihr in Haut und Knochen hinein.

„Es fühlt sich wunderbar an.“

Zu wunderbar, dachte sie. Wenn sie mit Tegan zusammen war, besonders so wie jetzt, ließ er sie ihren Schmerz vergessen.

Er machte es ihr zu leicht, die Leere zu vergessen, die so lange in ihrem Herzen gewesen war. Durch seine Zärtlichkeit fühlte sie sich wieder so erfüllt, sie schob all die Dunkelheit fort. Jetzt, als er sie streichelte und sie so sicher in seinen Armen hielt, gab er ihr das Gefühl, geliebt zu werden.

Er machte es ihr so leicht, viel zu verlockend, sich eine Zukunft vorzustellen, in der sie wieder glücklich sein konnte. Wieder ganz sein konnte, mit ihm.

„Ich habe meinem Sohn ein Versprechen gegeben, aber gerade jetzt versage ich“, sagte sie und zwang sich, aus dem Trost von Tegans Armen zu fliehen. „Alles, was in diesen Tagen für mich zählen sollte, ist, sicherzustellen, dass Camdens Tod nicht umsonst war.“

Etwas blitzte in seinen Augen auf und verschwand nur einen Moment später mit dem Fall seiner nassen Wimpern. Er griff hinter sie und stellte die Dusche ab. „Du kannst nicht dein ganzes Leben lang für die Toten leben, Elise.“

Er griff über sie hinweg und nahm ein gefaltetes Handtuch von dem Stapel auf dem hohen Regal, das in den Marmor der Dusche eingelassen war. Als er ihr das Handtuch reichte, sah Elise ihm in die Augen. Der gehetzte Ausdruck, den sie dort sah, bestürzte sie.

Darin lag eine Düsternis, die ihr ins Gesicht starrte. Der Schmerz einer alten, nie verheilten Wunde.

Das war ihr bisher noch nie aufgefallen … weil sie sich nie gestattet hatte, es wahrzunehmen.