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„Ja, allerdings.“

Sofort ging die junge Frau auf Tegans nüchternen Geschäftston ein und griff nach einem Laptop, der auf ihrem Schreibtisch stand. Sie klappte ihn auf und tippte etwas auf der Tastatur. Hinter ihr wurde einer der Überwachungsmonitore an der Wand erst schwarz und zeigte dann ein Standbild aus einem Überwachungsvideo - einen Mann, der unten im Club an der Bar saß. Die Narbe, die sich über das Gesicht des Lakaien zog, identifizierte ihn sofort.

„Das ist er“, sagte Elise. Immer noch konnte sie seine bösen Hände auf sich spüren, immer noch seine hässlichen Gedanken hören, die ihr in den Ohren dröhnten.

„Er kam nur ein paar Mal. Ein übler Kerl, sehr grob zu den Mädchen. Ich habe ihm vor ein paar Monaten Clubverbot erteilt. Erst später habe ich Gerüchte gehört, dass er mit den Blutclubs zu tun hat.“ Helene sah zu Elise hinüber. „Sie hatten heute Glück. Es freut mich, dass Sie ihm ein paar Schmerzen bereitet haben.“

Elise fühlte sich alles andere als stolz auf das, was sie getan hatte. Vielmehr schauderte sie innerlich beim Gedanken an die Blutclubs. In Boston gab es sie seit Jahrzehnten nicht mehr, was in erster Linie der Agentur zu verdanken war, die sich die illegalen Betriebe vorgenommen hatte. Quentin hatte sie besonders verachtet, für ihn waren sie nichts weiter als ein organisierter Zeitvertreib, in dem gefangene Menschen die Spielzeuge von perversen Stammesvampiren waren. Bei dem Gedanken, dass sie und Irina nur um Haaresbreite davon entfernt gewesen waren, einem Mann in die Hände zu fallen, der den nötigen Nachschub für diese Aktivitäten besorgte, wurde ihr eiskalt.

Tegans harter Blick, der auf ihr ruhte, sagte ihr, dass ihm die Idee genauso wenig gefiel wie ihr. „Gibt es eine Spur zu den Clubs in der Gegend? Irgendetwas über die Partner dieses Kerls, oder jemand, der vielleicht seinen Namen kennt oder weiß, wo er zu finden ist?“

Helene nickte und tippte wieder etwas in den Laptop. „Ich pflege ein paar Freundschaften mit Polizeibeamten. Der Lakai ist den Gesetzeshütern nicht unbekannt.“ Sie ging zu einem Laserdrucker hinüber, der hinter ihrem Schreibtisch stand, und zog einen Ausdruck heraus. „Es ist mir gelungen, sein letztes Verhaftungsprotokoll zu bekommen, das seinen Namen und die Adresse enthält, unter der er zuletzt gemeldet war.“

„Eine schöne Frau mit den richtigen Verbindungen“, meinte Reichen anerkennend, als Helene Tegan den Ausdruck reichte.

Elise sah zu, wie Tegan jedes Detail des Reports studierte, die Augen schmal, sein Verstand lief auf Hochtouren. Er sah zu Reichen hinüber. „Fährst du Elise in den Dunklen Hafen zurück?“

„Natürlich. Es wird mir ein Vergnügen sein.“

„Was wirst du tun, Tegan?“ Schon als sie die Frage stellte, wusste sie genau, was seine Absichten waren. Er würde ausziehen und den Lakaien töten, der sie angegriffen hatte. Sie konnte sehen, wie seine Kriegernatur die Kontrolle übernahm, mit allen Sinnen und tödlichem Fokus auf ein einziges Ziel ausgerichtet.

„Tegan … sei einfach vorsichtig.“

Einen langen Augenblick lang sah er sie an, dann wandte er sich wieder Reichen zu. „Bring sie hier weg. Wir treffen uns im Dunklen Hafen, wenn ich es zu Ende gebracht habe.“

Elise wollte die Arme um ihn schlingen, aber Tegan stapfte schon in Richtung Aufzug, ein einsamer Krieger mit einer einzigen Aufgabe. Das war er in Wirklichkeit, und das würde er immer bleiben.

Sie schloss die Augen, als er in die wartende Kabine trat und sich die polierte Messingtür hinter ihm schloss. Ihre Sinne folgten ihm, als er hinabfuhr, ihre Blutsverbindung zu ihm warm und lebendig in ihren Adern. Das war der einzige Teil von ihm, an dem sie sich wirklich festhalten konnte; und sie wusste nicht, ob er sie jemals näher an sich heranlassen würde, um mehr zu bekommen als nur das.

26

Tegan duckte sich tief auf das Flachdach, die Augen fest auf ein lichterfülltes Fenster ohne Vorhänge im Nebengebäude gerichtet. Der Lakai hatte die letzte Viertelstunde ununterbrochen am Handy verbracht. So schnell, wie sich seine Lippen bewegten, und dem besorgten Ausdruck auf seinem entstellten Gesicht nach zu schließen, war er wohl gerade dabei, sich aus einer verdammt ernsten Sache herauszureden. Ohne Zweifel war es sein Meister, mit dem er telefonierte und dem er die schlechten Nachrichten überbrachte, dass seine Befehle nicht ganz so ausgeführt worden waren wie geplant.

Tegans Mund zuckte wütend, als er dem Lakaien dabei zusah, wie er sich wand und nervös in seinem dreckigen Rattenloch von Wohnung hin und her lief. Am Hals trug er einen dicken Gazeverband. Ein Blutstropfen drang durch den weißen Stoff, wo Elise den Bastard getroffen hatte. Sein nackter Oberkörper war ähnlich verarztet, und so, wie er sich beim Sprechen die Rippen hielt, dachte Tegan, musste er auch eine perforierte Lunge haben.

Neben ihm auf einem Couchtisch, der mit Pornomagazinen und leeren Bierflaschen übersät war, lag ein blutgetränktes Hemd und ein offener Verbandskasten. Außerdem Baumwollgaze, weißes medizinisches Klebeband, sogar eine angebrochene Rolle Faden für Wundnähte und eine verbogene Nähnadel.

Offenbar hatte er ein wenig Erste Hilfe praktiziert, nachdem er aus Irina Odolfs Haus entkommen war.

Vergebliche Liebesmüh, dachte Tegan mit grimmiger Befriedigung, als der Lakai sein Telefonat abrupt beendete und das Handy auf den Tisch warf.

Er verschwand in einem Nebenraum, und als er wenig später wieder erschien, fuhr er vorsichtig in ein Flanellhemd. Er knöpfte es zu, stopfte das Handy in die Hosentasche, griff sich seinen Mantel und ging auf die Tür zu.

Tegan war unten auf dem Asphalt, noch bevor der Lakai das Gebäude verließ. Er vertrat dem Mann den Weg und stieß ihn mit einem scharfen mentalen Befehl zurück.

„Was zum Teufel …!“ Der genervte Blick des Lakaien wich sofort Beunruhigung, als Tegan seine Fangzähne aufblitzen ließ.

„Oh, Scheiße!“

Er fuhr herum, um ins Haus zurückzurennen, aber Tegan kam ihm zuvor, schneller, als das menschliche Auge wahrnehmen konnte. Er streckte die Hand aus und packte den Lakai an der Kehle, schloss seine Finger um den dicken Hals.

Der Lakai schrie auf, er keuchte pfeifend und kämpfte gegen den plötzlichen Würgegriff an.

„Ja, tut weh, nicht?“, sagte Tegan kalt. Er drückte fester zu, verstärkte den Druck, sodass nur das winzigste bisschen Luft in die Lungen des Lakaien gelangen konnte. „Du hattest heute Schwierigkeiten in der Stadt, was?“

„Lass … mich … los.“

Durch die Fingerspitzen fing Tegan seine Erinnerung an das auf, was in Irina Odolfs Haus vor sich gegangen war. Er las die Wut des Lakaien, seine Überraschung über Elises Gegenwehr, seine ekelhaften Absichten, wie sie es hätte büßen sollen, wenn ihr nicht gelungen wäre, vor ihm zu fliehen.

„Wer hat dich geschickt?“, fragte Tegan, sich der Antwort nur allzu sicher, aber er musste es hören. „Wer ist dein Meister, du krankes Stück Scheiße?“

„Verpiss dich, Vampir“, keuchte der Lakai, aber innerlich war er in heller Panik und hatte erhebliche Schmerzen. Wenn sich seine Zunge auch weigerte, den Namen preiszugeben, verrieten ihn doch seine Gedanken an Tegans Fingerspitzen.

Marek.

Dass er Lucans Bruder gehörte, überraschte Tegan kaum. Er wusste, dass der mächtige Vampir über ein weit gespanntes Netzwerk von menschlichen Sklaven verfügte, deren Geist er kontrollierte. Der verlogene Hurensohn hatte weiß Gott viele Jahre Zeit gehabt, die Basis für den dunklen Plan zu legen, den er ausbrütete, wie auch immer er lauten mochte.

Aber es war nicht die Wut auf Marek, die ihm jetzt die Hand führte, als er seinen Griff über den verletzten Hals des Lakaien verstärkte, sosehr er sich auch sagen wollte, dass er einfach nur ein weiteres Glied der Armee seines Feindes ausschaltete. Was Tegan erfüllte, als er diese jämmerliche Kreatur zu Tode würgte, war das kalte Wissen, dass der Mann Hand an Elise gelegt hatte.