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„Dieser Hundesohn“, zischte Lucan. Seine Züge verhärteten sich vor Ärger.

„Sie hat den Bastard verletzt und es zum Glück geschafft, zu entkommen. Am Abend bin ich in die Stadt und habe ihn erledigt.“ Vom anderen Ende des Raumes spürte Tegan Chases Blick auf sich ruhen und warf ihm einen ehrlichen Blick zu. „Elise ist mir

… sehr wichtig geworden. Ich werde nicht zulassen, dass ihr etwas zustößt. Ich würde mein Leben geben, damit sie in Sicherheit ist.“

Chase sah ihn einen langen Augenblick an, dann nickte er knapp. „Was ist mit der Glyphe, die du in dem Tagebuch gefunden hast? Das Symbol gehörte zu einem der ersten Krieger, nicht wahr? Einem Gen-Eins namens Dragos.“

„Ja“, sagte Tegan. „Da muss es eine Verbindung geben, aber ich weiß nicht, worin sie besteht. Ich weiß, dass Dragos tot ist.

Lucan kann das bestätigen, denn er hat die Leiche gesehen.“

Der Anführer des Ordens nickte zustimmend. „Auch seine Gefährtin hat sie gesehen. Das war offenbar zu viel für Kassia.

Sie hat noch in derselben Nacht Selbstmord begangen.“

Nikolai stieß einen Grunzlaut aus. „Was haben wir also in der Hand, womit wir arbeiten können? Unser eigenes Romeo-und-Julia-Szenario, einen Fledermausköttel von Rogue, der in Rätseln spricht, eine ausgestorbene Glyphe, die auf den Rand eines schimmligen alten Buches gekritzelt ist, und Marek irgendwo mittendrin.“

„Wenn wir Marek finden, werden wir Antworten bekommen“, warf Dante ein, seine Stimme tief und tödlich.

Tegan nickte. „Das stimmt. Aber dazu müssen wir ihn erst finden.“

„Leider haben wir keine heiße Spur“, sagte Gideon. „Seit wir ihn letzten Sommer fast ausgeräuchert haben, hat er sich tief in den Untergrund verzogen.“

„Dann spüren wir ihn eben auf, wie das Ungeziefer, das er ist“, knurrte Rio. „Wir finden ihn und räuchern den Hurensohn aus.“

Tegan warf einen Blick auf Lucan, der das Gespräch in stoischer Ruhe in sich aufnahm. Bei all dem Gerede von Feinden und Schlachten konnte man manchmal fast vergessen, dass Lucan und Marek Brüder waren. „Ist das für dich in Ordnung?“

Der silberne Blick, der Tegan traf, war standhaft. „Was immer Marek plant, er muss aufgehalten werden. Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Und um jeden Preis.“

29

Elise hörte Frauenstimmen, als sie auf dem Weg aus Tegans Quartier über den Korridor ging. Das gedämpfte Lachen und die angeregte Konversation zogen sie an und erinnerten sie an die Freundschaften, die sie in den Dunklen Häfen gepflegt hatte, als ihr Leben ihr noch so erfüllt erschienen war. Obwohl sie sich nicht mehr so leer fühlte wie in den letzten Monaten, gab es immer noch eine Stelle in ihrem Herzen, die offen war - eine kleine Lücke, die sich danach sehnte, Teil einer Gemeinschaft zu sein.

Sie wusste nicht, was die anderen Frauen von ihr halten würden. Obwohl es ihr schon vorkam, als sei es Jahre her, lag ihre Konfrontation mit Tegan vor dem versammelten Orden erst einige Tage zurück - als er ihr geraten hatte, sich ohne die Heiligung eines Treuegelübdes einen willigen Mann als Blutwirt zu suchen. Das hatte er nur getan, um sie von sich fortzustoßen, aber wenn die Stammesgefährtinnen hier im Hauptquartier davon gehört hatten, betrachteten sie sie jetzt vermutlich mit Mitleid oder sogar Verachtung. Es gab nur wenige Frauen in den Dunklen Häfen, die ihr nach einem Vorfall wie diesem noch offen und direkt in die Augen gesehen hätten.

Als sie sich der offenen Tür des Raumes näherte, wo sich die Gefährtinnen der Krieger versammelt hatten, machte Elise sich auf vorsichtige Begrüßungsfloskeln und das leise Geflüster gefasst, das mit Sicherheit bei ihrer Ankunft einsetzen würde.

„Elise, willkommen zurück!“, rief Gabrielle im selben Moment aus, als ihre warmen, braunen Augen sie erblickten. „Wir haben gehört, dass du und Tegan eben zurückgekommen seid.

Ich wollte dich gerade suchen gehen. Möchtest du dich zu uns gesellen?“

Die jungen Frauen hatten in der gemütlichen Bibliothek auf dem Couchtisch einen kleinen Imbiss aus Obst und Käse angerichtet. Tess teilte eben Teller aus, und da stand auch schon ein zusätzliches Gedeck, das auf Elise wartete. Savannah stand vor einer Kredenz aus dunklem Kirschbaumholz und entkorkte gerade eine gekühlte Weißweinflasche. Sie sah zu Elise hinüber und lächelte, während sie begann, in die langstieligen Weingläser einzuschenken.

„Möchtest du?“, fragte sie.

„Gerne.“ Elise betrat das einladende Zimmer und nahm das Glas, das Savannah ihr reichte. „Danke.“

Die unbehagliche Atmosphäre, mit der sie so fest gerechnet hatte, wollte sich einfach nicht einstellen. Sobald sie sich zu den anderen Frauen gesetzt hatte, wurde Elise mit Fragen über die Reise bombardiert, darüber, was sie und Tegan herausgefunden hatten und wie die Dinge mit Peter Odolf und dem Tagebuch standen, das Marek so unbedingt in die Finger kriegen wollte.

Sie waren nicht an Klatsch und Skandalgeschichten interessiert, und wider Erwarten verfiel Elise in eine leichte, angenehme Unterhaltung mit diesen drei intelligenten, klugen Frauen. Sie erzählte ihnen alles, was sie wusste, und in allen Details von ihren und Tegans Besuchen in der Hochsicherheitsanstalt.

Gerade hatte sie begonnen, von den Briefen zu erzählen, die Irina ihr gegeben hatte, als Tess mit einem Stirnrunzeln ihr Weinglas absetzte.

„Was ist mit deinem Gesicht? Du bist verletzt.“

Elise nickte und fuhr achtlos über die Stellen an Wange und Kinn, die immer noch empfindlich waren. „Oh. Ja, das war ein Lakai.“

„Mein Gott“, keuchte Savannah, und auch Gabrielle und Tess wirkten besorgt.

„Tut es weh?“, fragte Tess, kam um den Tisch herum und kniete sich neben Elise.

„Am Anfang schon, aber jetzt ist es schon abgeklungen.“

„Lass mich mal sehen.“ Vorsichtig zog Tess Elises Kopf zur Seite. Als ihre Hand auf der dunklen Quetschung zu liegen kam, spürte Elise, wie ein warmes Kribbeln aus ihrer Handfläche in die Fingerspitzen floss. Dantes Gefährtin hatte schon einmal ihre heilenden Hände auf Elise gelegt, aber trotzdem war sie aufs Neue über Tess’ Gabe erstaunt. Das Trauma ihrer Verletzung verblasste und verschwand, bis nicht einmal eine Spur von Unbehagen zurückblieb.

Elise ließ sich in das friedliche Gefühl sinken, das sie überkam, als Tess ihre Hand zurückzog. „Deine Gabe ist wirklich erstaunlich.“

Die hübsche junge Frau zuckte die Schultern, als wäre das Lob ihr unangenehm. „Es gibt ein paar Dinge, die meine Fähigkeiten übersteigen. Ich kann keine Narben zum Verblassen bringen oder Wunden korrigieren, die schon von selbst verheilt sind. Manche Schäden lassen sich nicht mehr beheben. Das lerne ich jetzt mit Rio.“

Savannah streckte die Hand aus und drückte Tess die Finger.

„Seit du mit ihm arbeitest, geht es ihm schon viel besser. Dass er überhaupt schon aufstehen kann, ist allein dir zu verdanken.“

„Nein, es ist die reine Wut, die ihn antreibt“, meinte Tess.

„Dass ich in der Lage bin, einige seiner körperlichen Wunden zu heilen, ist nur ein Zufall.“

„Rio wurde letzten Sommer bei einem Rogueangriff verletzt“, erklärte Gabrielle Elise. „Er wurde von herumfliegenden Splittern und Trümmerteilen übel zugerichtet, aber das Schlimmste war, dass er herausfinden musste, dass seine eigene Stammesgefährtin es war, die den Orden in diesen Hinterhalt geführt hatte.“

Elise krampfte sich schon beim bloßen Gedanken daran das Herz zusammen. „Wie schrecklich.“

„Ja, das war es allerdings. Eva hat Rio und die anderen an Marek verraten. Eigentlich sollte Lucan das Ziel der Explosion sein. Es war Lucan, der in dieser Nacht sterben sollte, aber die Bombe hat ihn nur verletzt. Er und Rio wurden getroffen, aber Rio hat das Schlimmste abbekommen.“ Gabrielle nahm einen Schluck Wein, ihr Blick war nüchtern und nachdenklich. „Ich war dort, als Eva gestand, was sie getan hatte … und als sie sich das Leben nahm.“