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Lucan hatte für bürokratisches Tauziehen nichts übrig, und schon gar nicht jetzt, da sich in ihm das ungute Gefühl ausbreitete, dass Tegan in ernsten Schwierigkeiten steckte.

„Immer noch nichts?“ Dante kam aus dem Raum, in dem der Rest des Ordens und Reichen die Fahrt nach Prag durchsprachen, die für diese Nacht geplant war. Als Lucan den Kopf schüttelte, stieß der Krieger einen Seufzer aus. „Ich weiß, dass diese Mission heikel ist, aber verdammt noch mal, ich will Tegan nicht zurücklassen. Ich habe kein gutes Gefühl dabei.“

„Das werden wir auch nicht.“ Lucan sah in die ernsten Gesichter seiner Brüder. „Ich brauche dich und Chase, um die Mission anzuführen. Ich bleibe hier und lokalisiere Tegan.“

„Wie willst du das angehen? Wir haben keine Ahnung, wo er steckt, oder ob er überhaupt noch in der Stadt ist. Wenn du die ganze Stadt nach ihm absuchen willst, wird das ewig dauern.“

Lucan schüttelte den Kopf. „Ich glaube, ich kenne eine bessere Art, ihn zu finden.“

32

Tegans Bewusstsein regte sich lange vor dem Rest seines Körpers. Sein Hals brannte, immer noch wund und von den Rückständen des Betäubungscocktails belegt, den Kuhns Wachen ihm verpasst hatten. Er befand sich nicht mehr in der Klinik, so viel sagte ihm seine Nase. Statt des Krankenhausgeruchs konnte er altes Holz und Ziegelsteine riechen, auch einen Hauch frischer Farbe, der irgendwo von oben kam …

Und ganz in seiner Nähe den Geruch von frischem Tod. Der widerliche Geruch von vergossenem, geronnenem Stammesblut - einer Menge davon - hing über dem Raum wie ein dickes Leichentuch.

Er musste erst gar nicht versuchen, seine Glieder zu bewegen, um zu wissen, dass er gefesselt war. Das Gewicht schwerer Fesseln und Ketten hing ihm von Handgelenken und Knöcheln, während er mit gespreizten Armen und Beinen zwischen zwei riesige Holzbalken gespannt dahing.

Es war dunkel hier, aber über ihm, von außerhalb des Gebäudes, wo auch immer man ihn eingesperrt hatte, hörte er die krächzenden Rufe vorbeifliegender Krähen. Demnach war draußen heller Tag, folgerte sein Verstand, während sich die Krähenlaute entfernten. Er musste hier - wo auch immer hier war - schon seit Stunden liegen.

Er öffnete ein Auge, fast war das Augenlid zu schwer. Seine Sicht war verschwommen, und sofort erfassten ihn Schwindel und Übelkeit, sodass er wieder gegen seine Fesseln sackte.

„Endlich wach“, sagte eine Stimme, die Tegan selbst in seinem halb betäubten Zustand erkannte. „Diese Idioten, die für Kuhn arbeiten, hätten dich mit ihren Betäubungspfeilen fast umgebracht.

Und das ist ein Privileg, das ich mir selbst vorbehalten will.“

Tegan antwortete nicht. Das hätte er auch nicht getan, wenn er seine schwerfällige Zunge dazu hätte bringen können, Worte zu bilden. Marek verdiente keinen Respekt.

„Aufwachen“, kam der barsche Befehl. „Wach auf, verdammt noch mal, Tegan, und sag mir, wo er ist!“

Harte Finger packten eine Handvoll von seinem Haar und rissen ihm den Kopf hoch, als er nicht die Kraft hatte, es selbst zu tun. Ein schwerer Faustschlag landete in seinem Gesicht, aber durch den Nebel seiner Betäubung bemerkte er ihn kaum.

„Brauchst etwas gutes Zureden, was?“

Marek ließ Tegans Kopf fallen. Dann entfernten sich Schritte über den knarrenden Holzboden und kamen einen Moment später zurück. Wieder wurde Tegan der Kopf zurückgerissen, und etwas wurde ihm unter die Nase gepresst. Als ihm eine Faust in den Bauch fuhr, schnappte er nach Luft.

Diese unfreiwillige Reaktion seines Körpers brachte ihm das Stechen eines feinen Pulvers ein, das ihm die Nasenlöcher hinaufwanderte und durch seinen offenen Mund drang. Er hustete und würgte von der widerlichen Substanz und wusste sofort, was Marek ihm verabreicht hatte.

„So. Etwas Crimson sollte die Dinge beschleunigen.“

Marek wich zurück, als Tegan versuchte, die Droge auszuspucken. Aber es nützte nichts. Er konnte spüren, wie das Crimson in seine Nebenhöhlen sickerte und sich hinten in seinem Hals festsetzte. Als ob ihm eine elektrische Ladung direkt ins Gehirn geschossen wäre, brachte ihm die Droge einen Krampfanfall. Er spürte, wie sie in seinen Blutstrom wanderte, Hitze strömte durch seine gefesselten Glieder. Als der erste Schock abflaute, öffnete Tegan die Augen und starrte seinen Entführer mit einem mörderischen Blick an.

Grinsend verschränkte Marek die Arme vor der Brust. „Jetzt sind wir wieder wach und munter, was?“

„Fick dich.“ Tegan versuchte, die Arme zu senken, aber die Ketten waren stark und hielten. Jetzt wurde sein Kopf allmählich klar, aber seine körperliche Stärke war noch nicht zurückgekehrt. Er würde Zeit brauchen - oder eine größere, riskantere Dosis Crimson -, um die Auswirkungen des Betäubungsmittels abzuschütteln.

„Wo ist er, Tegan? Habt ihr das Versteck schon gefunden?“

Mareks Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen, aber Tegan konnte die wütende Hitze seines Blickes spüren.

„Ich weiß, dass der Orden das Tagebuch besitzt. Ich weiß, dass du das Rätsel gesehen hast. Und ich weiß, dass du mit Peter Odolf gesprochen hast. Was hat er dir darüber erzählt?“

„Er ist tot.“

„Ja“, stimmte Marek höflich zu. „Überdosis Crimson, wie du zweifellos vermutet hast, als du unseren Herrn Kuhn besuchen gingst. Er liegt übrigens da drüben.“

Tegans Blick folgte Mareks lässiger Geste in Richtung des Gestanks nach Tod im Raum. Neben einem breiten, blutbesudelten Schwert lag Dr. Kuhns kopflose Leiche auf dem Boden.

Marek zuckte die Achseln. „Er hat seinen Zweck erfüllt. All die zitternden, unglücklichen Schafe, die die Dunklen Häfen bevölkern, haben sich überlebt, meinst du nicht auch? Sie haben ihre Wurzeln vergessen, wenn sie sie denn jemals wirklich verstanden haben. Wie viele Generationen hat es gegeben seit der illustren ersten, zu der du und ich gehören? Zu viele, und mit jeder Generation wird das Vampirvolk schwächer und sein Blut wird weiter mit den minderwertigen Genen des Homo sapiens verwässert. Es ist Zeit für einen Neuanfang, Tegan. Der Stamm muss sich seiner verkümmerten Zweige entledigen und eine neue Herrschaft der Gen-Eins-Macht errichten. Ich will den Stamm wachsen und gedeihen sehen. Ich will uns als Könige sehen - so wie es sein soll.“

„Du bist wahnsinnig“, knurrte Tegan. „Und du willst nur Macht für dich allein. Das wolltest du schon immer.“

Marek schnaubte verächtlich. „Ich habe es verdient, zu herrschen. Ich war der Altere, nicht Lucan. Ich hatte die klarere Vorstellung davon, wie sich unsere Rasse entwickeln sollte. Die Menschen sollten sich vor uns verstecken und zu unserem Vergnügen leben, nicht umgekehrt. Lucan hat es nicht so gesehen.

Er sieht es immer noch nicht so. Seine Menschlichkeit ist seine größte Schwäche.“

„Und deine größte Schwäche ist schon immer deine Arroganz gewesen.“

Marek knurrte. „Und deine, Tegan?“ Sein Ton war etwas zu unbeschwert, zu aufreizend in seiner Lässigkeit. „Ich erinnere mich gut an sie, weißt du … an Sorcha.“

Tegan konnte es fast nicht ertragen, den Namen des unschuldigen Mädchens von den Lippen seines Feindes zu hören, aber er schluckte den Zorn hinunter, der sich in ihm zusammenbraute. Sorcha war fort. Er hatte sie endlich gehen lassen, und Marek würde es nicht gelingen, ihn mit der Erinnerung an sie zu quälen.

„Ja, sie war deine Schwäche. Das wusste ich, als ich in jener Nacht zu ihr ging. Du erinnerst dich doch? Die Nacht, in der sie aus deinem Haus entführt wurde, als du mit meinem Bruder auf einem seiner endlosen Streifzüge warst?“

Tegan hob den Blick und sah Marek an. „Du …“

Das Lächeln des Vampirs war grausam und voll Belustigung.

„Ja, ich. Sie und Dragos’ Schlampe waren ein Herz und eine Seele, also hatte ich gehofft, dass Sorcha mir das Geheimnis verraten könnte, das Dragos mit ins Grab genommen und um das Kassia mich betrogen hatte, indem sie sich das Leben nahm, bevor ich ihr die Wahrheit aus ihr herauspressen konnte. Aber Sorcha wusste nichts. Nun, nicht ganz. Sie wusste von einem Sohn, den Kassia insgeheim geboren und fortgeschickt hatte - einem Erben, von dem Dragos selbst nichts wusste.“