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Er sah, wie sie den Blick durch den Raum schweifen ließ, auf der Suche nach einem Werkzeug. „Elise, verdammt noch mal!“

Sie huschte zu einem der toten Lakaien hinüber und zog die halbautomatische Pistole unter dem schweren Körper hervor.

„Nimm die“, befahl sie und drückte ihm die Waffe in die freie Hand. „Zerschieß die Ketten, Tegan. Tu es jetzt!“

Er zögerte, und sie griff hastig nach der Waffe.

„Verdammt, wenn du’s nicht tust, tu ich’s!“

Doch dazu hatte sie keine Gelegenheit mehr. Die Waffe fiel mit einem Krachen zu Boden, und in einem Wirbel von Bewegung wurde Elise von unsichtbaren Händen zur Seite gerissen und in etlichen Metern Entfernung zu Boden geschleudert. Sie krachte auf die Holzdielen, landete in einem Teppich aus zersplittertem Glas. Der Duft nach Heidekraut und Rosen erfüllte den Raum.

Marek stand in der offenen Tür, ein Schwert in der einen Hand, die andere in Elises Richtung erhoben, er hielt sie mit der Macht seines Willens fest. Sein mentaler Würgegriff schloss sich um ihren Hals, schnitt ihr die Leben spendende Luft ab. Sie würgte und kämpfte gegen das feste Band aus Energie an, das ihren Hals umschloss.

„Sie blutet, Krieger“, lockte er Tegan. „Und wie deine Rogueaugen danach dürsten.“

Lucan zog einen Dolch aus der Scheide an seiner Hüfte und warf ihn. Im selben Augenblick richtete Marek seine Konzentration auf die fliegende Klinge und wehrte sie mit einem Gedanken ab. Unerschrocken schritt Marek voran, er kicherte, als er neben Lucans blutigem, UV-versengtem Gesicht zum Stehen kam. „Ach, mein lieber Bruder. Dein Tod wird mir nach all den Jahren des Wartens besonders willkommen sein. Ich wünschte nur, du könntest leben, um mir dabei zuzusehen, wie ich die Herrschaft übernehme, bevor wir uns verabschieden.“

Marek hob das Schwert und ließ es in einem mächtigen Hieb niedersausen. In allerletzter Sekunde rollte sich Lucan zur Seite - die Waffe seines Bruders biss tief in die harten Holzplanken und steckte dort einen Moment lang fest.

Wie ein Blitz war Lucan wieder auf den Füßen. Er packte das erstbeste Ding, das er in die Hand bekommen konnte - ein kupfernes Leitungsrohr, das die Wand hinauflief -, und riss es los. Wasser spritzte aus der unterbrochenen Leitung wie ein kleiner Springbrunnen.

„Lucan!“ Tegan rief seinen Namen, als Marek sein Schwert aus dem Boden riss und herumfuhr, um es in seinen Bruder zu stoßen.

Lucan wehrte den Hieb ab, indem er die Abwärtsbewegung mit dem langen Kupferrohr parierte. Es bog sich unter der Belastung, aber Lucan hielt fest, Wut sprühte aus seinen bernsteingelben Augen. Mareks dunkle Sonnenbrille verschob sich in dem Tumult und enthüllte noch mehr bernsteinfarbene Glut, als sich die beiden Brüder in einem mörderischen Zweikampf gegenüberstanden. Marek versuchte, das Schwert weiter herunterzudrücken, lehnte sich mit all der beachtlichen Kraft seines rechten Armes darauf. Doch Lucan wich keinen Zentimeter.

Die beiden Gen-Eins-Krieger grunzten und keuchten, als sie einander standhielten, beide gleich stark.

Über ihnen wurde der Himmel heller, heißer, versengte beide dort, wo das Licht nackte Haut berührte.

Aus Mareks Griff entlassen, hustete und keuchte Elise, rang nach Atem. Ihr Schmerz traf Tegan wie ein körperlicher Schlag.

Und der Anblick, wie sie blutete - die hellroten Schnittwunden auf ihren Händen, auf ihrem Gesicht -, sandte ihm einen blitzartigen Adrenalinstoß durch die Venen. Er riss seinen anderen Arm aus der Fessel und brüllte wild in die Dachsparren hinauf.

Auf der anderen Seite des Raumes nahm Mareks und Lucans unentschiedener Zweikampf eine verhängnisvolle Wendung. Es geschah innerhalb eines Augenblicks, nur Mareks gezischter Fluch war ein Hinweis darauf, was folgen würde. Während er mit dem rechten Arm weiterhin Lucan bedrohte, griff er mit der freien Hand in sein Hemd und zog eine kleine Phiole mit rotem Pulver hervor.

Mit einer schnellen Drehung seines Handgelenks flog das Crimson auf Lucans Gesicht, bedeckte dessen Augen und Gesicht mit einer feinen, roten Pulverschicht. Abrupt ließ er das Rohr los.

Oh Gott!

Lucan!

Marek zog sich mit einem Lächeln zurück, als sein Bruder nach vorne taumelte. Er hob das Schwert hoch über den Kopf.

Und als er es niedersausen lassen wollte, flitzte ein Lichtstrahl über Mareks Gesicht und schien ihm direkt in die Augen. Er war schneidend hell, das Sonnenlicht in einem mächtigen Strahl gebündelt, der Marek in den Augen brannte und selbst Tegan fast blendete, dort, wo er stand.

Er wandte den Blick ab und sah Elise, wie sie in all dem zerbrochenen Glas kniete, in der Hand eine große Glasscherbe, die sie, ohne eine Miene zu verziehen, festhielt und mit der sie das reflektierte Sonnenlicht in einem entschlossenen Strahl direkt auf Mareks Gesicht lenkte.

Mehr brauchte Tegan nicht.

Mit wenigen Schritten hatte er den Raum durchquert und schwang die Ketten, die von seinen Handgelenken herunterhingen. Mit der einen bekam er Marek um den Hals zu fassen, zog die schweren Kettenglieder an und riss den Vampir zu Boden.

Die andere schlang sich um seinen Schwertarm, sodass Marek die Waffe fallen ließ. Marek bekämpfte Tegan mit seinem Willen, aber jeder mentale Schlag wurde von Tegans Wut abgefangen. Er nagelte den Bastard mit seinem Fuß auf dem Boden fest und ignorierte sein plötzliches Flehen um Gnade und Vergebung.

„Das ist das Ende“, knurrte Tegan. „Es ist aus mit dir.“

Tegan zog die Kette von Mareks Arm und beugte sich hinunter, um das Schwert aufzuheben. Er sah zu Lucan hinüber, als er die Klinge über Mareks Hals hob. Lucan nickte düster. Marek heulte einen Fluch. Und Tegan ließ in einem schnellen, tödlichen Hieb das Schwert niedersausen.

„Tegan!“, schrie Elise und rannte zu ihm hinüber, sobald es vorüber war.

Sie schlang die Arme um ihn, half ihm, die Ketten von Mareks leblosem Körper zu winden. Dann war sie an Lucans Seite und half Tegan, ihn in eine schattige Ecke des Raumes zu ziehen.

Tegan sah, wie sie einen nervösen Blick auf die offene Decke warf. „Kommt. Wir müssen euch beide sofort hier rausbringen.“

Sie führte die beiden Krieger die Treppen hinunter und verschwand dann kurz in einem der Schlafzimmer. Wenig später erschien sie mit einer riesigen Daunendecke und einem dicken Wollteppich. „Nehmt die“, sagte sie und half ihnen, den behelfsmäßigen Sonnenschutz über sich zu ziehen. „Bleibt darunter. Ich bringe euch aus dem Haus und in den Wagen.“

Keiner der beiden Krieger konnte etwas erwidern. Sie ließen sich von dieser zierlichen Frau - seiner Gefährtin, dachte Tegan stolz - durchs helle Tageslicht zu Reichens Wagen führen.

„Kopf runter und bedeckt bleiben“, befahl ihnen Elise. Sie warf die hintere Tür zu, rannte um das Auto herum und sprang auf den Fahrersitz. Der Motor heulte auf, die Reifen quietschten, als sie Gas gab. „Ich bringe uns schleunigst hier weg.“

Und, bei Gott, das tat sie.

35

Elise beobachtete Tegan, wie er schlief, erleichtert, dass seine Tortur vorüber war. Mareks Tod würde vielen Heilung bringen, nicht nur Tegan und ihr, sondern auch Lucan und dem Rest des Ordens. Ein dunkles Kapitel ihrer Vergangenheit hatte sich endlich geschlossen, seine Geheimnisse waren ans Licht gekommen. Jetzt konnten sie alle in die Zukunft blicken, und auf die Herausforderungen, die diese neue Ära mit sich bringen würde.

Elise hatte gedacht, dass sie bei Mareks Tod ein Gefühl des Triumphes empfinden würde, jetzt, da es den Mann, der letztlich für Camdens Leiden verantwortlich war, nicht mehr gab.

Sie hatte ihr Versprechen gehalten, mit Tegans Hilfe.

Aber sie fühlte sich alles andere als siegreich, als sie eine weiche, lohfarbene Haarsträhne aus Tegans Stirn strich. Sie fühlte sich ängstlich und besorgt. Fragte sich verzweifelt, ob er wieder in Ordnung kommen würde. Das Crimson, das Marek ihm verabreicht hatte, saß zäh in seinem Organismus fest. Sobald sie in Reichens Dunklem Hafen angekommen waren, war er in einen unruhigen Schlaf gefallen, geschüttelt von wilden Krampfanfällen, und seine Haut fühlte sich immer noch klamm an.