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***

Entsetzliches Kopfweh plagte mich am nächsten Morgen, und ich konnte kaum meine Beine bewegen. Ich rief nach der alten Haushälterin.

"Marfa, wie spät war es, als ich gestern schlafen ging - kannst du dich erinnern?"

"Weißt es selbst am besten, Väterchen. Spät war's! Um die Abenddämmerung verließest du das Haus und lange nach Mitternacht erst hörte ich im Schlafzimmer deine Schuhe klappern. Fast in der Morgenfrühe, ja, ja. Und vorgestern war's genauso. Ja, ja, da macht dir wohl was zu schaffen."

Aha, fuhr es mir durch den Kopf, das ist das Fliegen. Da gibt's also keinen Zweifel mehr.

"Und was hältst du von meinem Aussehen heute?" fügte ich laut hinzu.

"Dein Aussehen? Lass dich anschauen! Etwas schmäler. Und blass bist du, Väterchen: kein Blutstropfen mehr im Gesicht."

Es durchfuhr mich... Ich schickte sie weg.

So kann man unversehens verrückt werden, überlegt ich, still am Fenster sitzend. Ich muss dem ein Ende machen. Es ist zu gefährlich. Das Herz pocht so eigentümlich, und wenn ich fliege, dann ist mir jedes Mal, als sauge jemand daran oder als tropfe etwas aus ihm heraus - so wie im Frühling der Saft aus der Birke quillt, wenn man mit der Axt hineinschlägt. Ellis... Sie spielt mit mir, wie eine Katze mit der Maus... aber ich glaube nicht, dass sie Böses mit mir vorhat. Ich will mich ihr zum letzten Mal hingeben - noch einmal schauen - und dann...

Um zehn Uhr abends stand ich wieder vor der alten Eiche.

***

Kalt war die Nacht, trübe und grau, und in der Luft roch es nach Regen. Ich war sehr verwundert, als ich niemand unter der Eiche sah, ich ging einige Male um sie herum, schritt dann bis zum Waldrand und wieder zurück und schaute aufmerksam ins dunkel … Aber es war nichts zu sehen. Ich wartete ein wenig und rief dann mehrere Male ihren Namen, rief ihn lauter und immer lauter … und dennoch erschien sie nicht. Ich wurde traurig, und es tat mir fast weh. Die Befürchtungen, die mir zuvor in den Kopf gekommen, waren jetzt fort, und ich wollte und konnte mich nicht an den Gedanken gewöhnen, dass meine Gefährtin nie wieder zu mir zurückkehren würde … "Ellis! Ellis! Erscheine!" rief ich zum letzten Mal.

Meine Stimme hatte einen Raben aus seinem Schlaf gestört, er fuhr im Wipfel eines danebenstehenden Baumes hin und her und schlug heftig mit den Flügeln. Aber Ellis kam nicht. Ich ließ den Kopf hängen und ging heim. Vor mir dunkelten schon die Weidenbüsche am Teich, und durch die Apfelbäume schimmerte das Licht in meinem Zimmer und verschwand gelegentlich, fast wie ein Menschenauge, das auf der Lauer war – da hörte ich plötzlich das feine Zischen der Luft, die mit großer Schnelligkeit durchschnitten wird, und jäh umfing es mich und riss mich in die Höhe: So stößt ein Falke hernieder und schlägt die Wachtel … Ellis war es, ihre Wange schmiegte sich an die meine, der Ring ihrer Arme umfing meinen Körper – und wie ein kalter, scharfer Lufthauch stach ihr Flüstern in mein Ohr: "Da bin ich ja."

Schreck und Freude erfüllten mich zu gleicher Zeit … Wir flogen diesmal nicht so hoch wie sonst.

"Wolltest du heute nicht kommen?" fragte ich.

"Du hast dich nach mir gesehnt? Du liebst mich? Oh, dann bist du mein ...!"

Ihre Worte verstörten mich... Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte.

"Ich wurde aufgehalten", fuhr sie fort. "Man bewacht mich."

"Wer konnte dich aufhalten?"

"Wohin heute?" fragte Ellis, wie immer gab sie auf meine Frage keine Antwort.

"Nach Italien, zu jenem See - weißt du noch?"

Ellis wendete sich ab und schüttelte verneinend den Kopf...

Und da bemerkte ich, dass sie nicht mehr durchsichtig war. Auch ihr Gesicht hatte Farbe bekommen; über der nebelgleichen Blässe spiegelte jetzt ein rosiger Hauch. Ich sah ihr in die Augen... und da überlief es mich: In diesem Augen regte sich etwas, das den langsamen, unaufhaltsamen und gefährlichen Bewegungen einer erstarrten und zusammengeringelt liegenden Schlange glich, die im warmen Atem der Sonne aufzuleben beginnt.

"Ellis!" Ich schrie es fast. "Wer bist du? Sag mir endlich, wer du bist!"

Aber Ellis zuckte nur die Achseln.

Ich ärgerte mich... und mir kam der Wunsch, mich zu rächen - und mit dem Gedanken sie zu veranlassen, mit mir nach Paris zu fliegen.

"Ellis", sagte ich laut, "wie ist es, fürchtest du die großen Städte, fürchtest du Paris?"

"Nein."

"Auch die Plätze nicht, wo es so hell ist wie auf den Boulevards?"

"Es ist ja kein Tageslicht."

"Dann bringe mich zum Boulevard des Italiens."

Ellis schlang das herabhängende Ende ihres weiten Ärmels um meinen Kopf. Ein weißes Dunkel umfing mich und mit ihm der einschläfernde Geruch des Mohns. Alles war fort; jedes Licht, jeder Laut und fast sogar das Bewusstsein. Nur die Empfindung, dass ich noch lebte, blieb zurück, und das war nicht unangenehm.

Als Ellis meinen Kopf aus dem Ärmel befreite, erblickte ich tief unten eine unbeschreibliche Menge auf kleinem Raum aneinander gedrängter Gebäude, und alles voll Glanz, voll Bewegung und Lärm... Paris.

Ich erkannte den Ort, auf den Ellis zuflog, sofort. Der Garten der Tuilerien war es, mit seinen alten Kastanienbäumen, den Eisengittern und Festungsgräben. Wir flogen am Palast vorüber und an der Kirche St. Roch, auf deren Stufen der erste Napoleon zum ersten Male französisches Blut vergoss, und hielten schließlich in großer Höhe über dem Boulevard des Italiens, wo der dritte Napoleon das gleiche mit dem gleichen Erfolg unternommen hatte... Menschenmengen wogten auf den Trottoirs, junge und alte Gecken, Blusenmänner und Damen in schönen Kleidern; die Restaurants und die Kaffeehäuser strahlten in buntem Licht, Omnibusse und Wagen aller Art und Form schossen dahin, und überall, wohin der Blick auch fiel, war Glanz und Leben... Dennoch, wie sonderbar, es fiel mir nicht ein, meine reine, dunkle und luftige Höhe zu verlassen, und ich verspürte gar keinen Wunsch in mir, mich diesem menschlichen Ameisenhaufen zu nähern. Es war mir, als stiege von dort ein heißer, schwerer, blutroter Dampf auf, halb Parfüm und halb Gestank: zu viele Leben drängten sich hier an einem Platz. Ich zauderte... Da erreichte mich in meiner Höhe die Stimme einer Straßen-Lorette, grell wie das Klirren von Eisen auf Eisen, schamlos und kreischend, und stach mich wie der Stachel eines widerlichen Insekts, und sogleich stellte ich es mir vor, das starre, gierige und flache Pariser Gesicht mit den Augen des Geizes und all die Schminken und Salben, das hochgesteckte Haar und den knalligen Strauß aus künstlichen Blumen am Hut, die wie Krallen geschnittenen Fingernägel... Und sogleich sah mein inneres Auge auch einen meiner Steppen-Landsleute mit lächerlichen Sprüngen dieser käuflichen Puppe nachlaufen. Ich sah ihn, wie er, seine Verlegenheit durch konfuse Grobheit kaschierend, sich alle Mühe gab, die Manieren der Gracons zu kopieren - und ein Gefühl des Abscheus kam über mich... Nein, hier brauchte Ellis auf niemanden eifersüchtig sein...

Wir hatten uns inzwischen langsam gesenkt... Paris bäumte sich uns mit all seinem Lärm und Qualm entgegen...

"Halt!" rief ich Ellis zu. "Kannst du diese Schüle ertragen?"

"Du batest mich doch, dich hierherzubringen!"

"Ich nehme den Wunsch zurück. Ich bitte dich Ellis, trage mich fort von hier!"

"Schau nur", entgegnete Ellis, "wir sind schon gar nicht mehr über Paris."

Und so war es. Eine dunkle Ebene, durchschnitten von den weißen Linien der Landstraßen, fegte dort vorüber, und weit hinten am Horizont glänzte wie eine Feuersbrunst der Widerschein des Lichtermeers von Paris.

***

Wieder fiel die Hülle über meine Augen... Wieder kam das Vergessen über mich... und wieder das Erwachen.

Dort unten - ein Park, Alleen, gestutzte Lindenbäume, hier und da Tännchen, zugeschnitten wie Schirme, Säulenhallen und Tempelchen, Statuen von Satyrn und Nymphen, Rokoko-Tritonen, hervorsteigend aus barock angelegten Teichen, deren Ufer von niederen Balustraden aus schwarz gewordenem Marmor eingefasst waren. Nein, das war nicht Versailles. Hinter den Wipfeln dichtbelaubter Eichen schaute ein kleines Schlösschen vor. Trübe und neblig schien der Mond, und über dem Erdboden lag ein feiner Dunst. Doch das Auge vermochte nicht zu unterscheiden, woher er stammte, ob es Mondschein war oder Nebel. Auf einem der Teiche schlief ein Schwan: weiß wie Steppenschnee, über den der Frost gefahren ist, schimmerte sein Rücken, am Fuße der Statuen aber funkelten im bläulichen Schatten die kleinen Edelsteine unzähliger Leuchtkäfer.