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"Hör auf", flüsterte Ellis. "Hör auf, sonst wird es mir unmöglich dich zu tragen. Du wirst mir zu schwer."

"Nach Hause", entgegnete ich und schloss die Augen.

***

Doch wie bald schlug ich sie wieder auf! Ellis klammerte sich sehr sonderbar an mich; es war fast, als stieße sie mich. Ich sah sie an, und in meinen Adern erstarrte das Blut. Wer jemals auf dem Gesicht eines anderen den jähen Ausdruck tiefen Entsetzen erblickt hat, ohne die Ursache davon zu ahnen - vielleicht wird der mich verstehen. Entsetzen, quälendes Entsetzen verzerrte und entstellte die bleichen und beinahe ausgelöschten Züge.

"Was hast du, Ellis?" stieß ich endlich hervor.

"Er... er ..." Sie konnte kaum sprechen. "Er!"

"Er? Ja, wer denn, wer?"

"Nicht nennen, nicht nennen", stammelte Ellis hastig. "Fliegen, sonst ist alles aus - für immer... Schau - dort!"

Ich wandte den Kopf und da sah ich etwas... ich sah etwas unsagbar Grauenhaftes.

Dieses Etwas war um so schrecklicher, als es keine festen Umrisse hatte. Etwas Schwerfälliges, Finsteres, aus dem gelblichen ins schwarze Spielendes und wie ein Eidechsenbauch Geschecktes kroch langsam und mit Schlangenbewegungen über die Erde hin und war nicht Wolke und nicht Rauch. Ein gleichmäßiges und breites Schaukeln von oben nach unten und von unten nach oben war es. Es erinnerte an das drohende Flügelschlagen eines Raubvogels, der auf Beute aus ist, und manchmal kam dazu ein unbeschreiblich widerliches Sich-an-die-Erde-Schmiegen, wie die Spinne ähnlich die Fliege umarmt, die sie erwischt hat... Wo diese Masse hinkam, ich sah es, ich fühlte es, war Vernichtung... Faulige, pestilenzialische Kälte stieg auf von ihr, und diese Kälte erregte Übelkeit, legte sich aufs Herz, trübte die Augen und sträubte die Haare. Sie bewegte sich, die Masse, sie war eine Kraft, gegen die es keinen Widerstand gab und der alles untertan war, obwohl es weder Gesicht noch Gestalt, noch irgend einen Sinn hatte - die Kraft, die sich wie ein Raubvogel seine Opfer sucht, sie wie eine Schlange erdrückt und mit ihrer widerlichen Stachelzunge bedeckt...

"Ellis! Ellis!" schrie ich wie von Sinnen. "Der Tod! Der Tod!"

Der jammervolle Ton, den ich schon früher vernommen hatte, entrang sich Ellis' Lippen, aber diesmal war es mehr ein menschliches Aufheulen der Verzweiflung - und schon rasten wir dahin. Aber wie seltsam war unser Flug, wie grauenhaft unsicher: Ellis überschlug sich mehrmals in der Luft und flog im Zickzack, wie ein Rebhuhn, das auf den Tod verwundet ist oder von seiner Brut abzulenken versucht. Von der unbeschreiblich grauenhaften Masse aber trennten sich inzwischen sonderbar wellenförmige Glieder, wie greifende Hände, wie Krallen, und rollten durch die Luft... Die gigantische Gestalt eines verhüllten Reiters auf fahlem Pferd stieg auf... Noch erregter, noch verzweifelter wurde Ellis' Flucht.

"Er hat uns gesehen! Alles ist aus! Verloren ...!" Sie flüsterte stockend. "Oh, ich Unglückliche! Beinahe wäre es gelungen... neues Leben drang in mich... aber jetzt... Vernichtung! Das Nichts!"

Ich konnte es nicht länger ertragen... Ich verlor die Besinnung.

***

Als ich wieder zu mir kam, lag ich rücklings im Gras. In meinem Körper der dumpfe Schmerz, wie nach einem schweren Sturz. Der Morgen dämmerte bereits, und alles ringsum wurde deutlich erkennbar. Da war ein Birkenwäldchen und eine von Weidenbüschen eingefasste Landstraße. Nach und nach kam mir die Erinnerung an alles, was geschehen war und ich zuckte zusammen, als ich an die letzte ungeheuerliche Erscheinung dachte ....

Warum aber erschrak den Ellis so sehr? schoss es mir durch den Kopf. Ist es denkbar, dass auch sie seiner Gewalt unterworfen ist? Ist es möglich, dass auch sie sterblich ist? Auch sie der Vernichtung und dem Untergang verfallen kann? Wie kann das möglich sein?

Leises Stöhnen in der Nähe... Ich wandte den Kopf. Zwei Schritte von mir lag regungslos hingestreckt eine junge Frau mit gelöstem dichten Haar, in einem weißen Gewand, die eine Schulter entblößt. Ein Arm lag hinter dem Kopf, der andere war kraftlos auf die Brust gesunken. Die Augen waren geschlossen. Auf den fest zusammengepressten Lippen zeigte sich ein leichter hellroter Schaum. Konnte das Ellis sein? Aber Ellis war doch nur ein Gespenst, ein Phantom, und die, die hier vor mir lag, war ein Geschöpf der Erde. Ich kroch näher heran und beugte mich über sie...

"Ellis, bist du es?" rief ich.

Ein langsames Beben überlief sie, und sie öffnete die Lider. Dunkle, durchbohrende Augen richteten sich auf mich und im gleichen Augenblick saugten sich warme, feuchte, nach Blut dürstende Lippen in die meinen... weiche Arme umfingen fest meinen Hals, und eine weiße Brust schmiegte sich fieberd an die meine.

"Leb wohl! Leb wohl auf immer!"

Deutlich flüsterte es die ersterbende Stimme - und dann war alles verschwunden.

Obwohl meine Beine mir wie einem Betrunkenen den Dienst versagten, erhob ich mich taumelnd, strich einige Male mit der Hand durchs Gesicht und sah mich aufmerksam um. Es war die große Landstraße und ich befand mich kaum zwei Werst von meinem Gut. Als ich endlich nach Hause kam, war die Sonne bereits aufgegangen.

***

Die Nächte darauf wartete ich - und ich gestehe es, ich wartete nicht ohne Angst - auf das Erscheinen meines Gespenstes, aber es kam nie wieder. Einmal war ich sogar in der Abenddämmerung bei der alten Eiche, aber es ereignete sich nichts Ungewöhnliches. Ich muss übrigens sagen, dass ich das Aufhören dieser sonderbaren Bekanntschaft nicht gerade sehr beklagte. Ich habe über diesen mir vollkommen unbegreiflichen und merkwürdig sinnlosen Fall oft und viele Gedanken gemacht - und ich weiß nur das eine: dass ihn mir die Wissenschaft nicht erklären kann und dass ich auch in Märchen und Legenden nichts Gleichartiges gefunden habe. Ellis, wer war sie eigentlich? Ein Phantom, eine arme Seele, ein böser Geist, eine Sylphe oder gar ein Vamypr? Manchmal glaubte ich sogar, Ellis war eine Frau, die ich einmal gekannt hatte, und ich machte die qualvollsten Anstrengungen, um heraus zu finden, wo ich sie bereits gesehen... Und zuweilen glaubte ich: Noch einen Augenblick und ich habe es... Aber alles zerrann wie ein Traum.

Viel und oft dachte ich nach, aber es kam, wie das so geht, nichts dabei heraus. Andere Leute um ihren Rat oder um ihre Meinung fragen wollte ich nicht, denn ich musste fürchten, dass sie mich für verrückt halten würden. So ließ ich dann endlich alle meine Grübeleien fallen, denn offen gestanden: Ich hatte an anderes zu denken. Da war einerseits inzwischen die Abschaffung der Leibeigenschaft gekommen mit der Verteilung des Besitzes, und andererseits war meine Gesundheit nicht mehr die beste. Ich litt an Schmerzen in der Brust, an Schlaflosigkeit und Husten. Mein Körper welkte dahin, mein Gesicht wurde wächsern wie das Gesicht eines Leichnams. Der Arzt meinte, ich hätte viel zu wenig Blut - er bezeichnet mein Leiden mit dem griechischen Ausdruck "Anämie" und sagt, ich solle nach Gastein. mein Verwalter dagegen beteuert, dass er ohne mich mit den Bauern nicht zu Rande käme... Was soll man da machen...