Das sage ich auch, sie verstehen.
Keine Anzeige, keine Totenbriefe. Der Pfarrer vom Heim soll es machen, zwei Lieder aus dem evangelischen Gesangbuch sollen gespielt werden, es kommen sowieso nur sechs oder sieben Leute zur Trauerfeier.
Ich schlage nach, suche alle Informationen zusammen und rechne alles aus. Der Preis ist in Ordnung, sie haben mit viel mehr gerechnet, umso besser. Sie unterschreiben den Auftrag und einige Vollmachten.
Wenn etwas ist, wenn ihnen etwas einfällt, einfach anrufen! Sie sind dankbar, dass alles so problemlos ablief. Er sagt noch, dass er es prima findet, dass ich nicht so schleimig Trauer geheuchelt habe.
»Warum auch«, sage ich, »ich kannte Ihre Schwiegermutter doch gar nicht«, und wie sollte ich in der Sache den Überblick behalten, wenn ich mich mitreißen lassen würde.
Der Fortgang
Direkt nachdem die Kunden unser Haus verlassen haben, gebe ich den Auftragszettel ins Büro. Ein Mitarbeiter tippt die einzelnen Positionen in unsere Auftragsverwaltung. Etwa fünfzehn Minuten später hat eine andere Mitarbeiterin den Auftrag auf ihrem Schirm und beginnt mit der Koordination. Vom Friedhof über den Pfarrer bis hin zum Organisten und Gärtner, sie regelt alle Bestellungen und Termine.
Gleichzeitig hat auch Huber, unser Mann in der Werkstatt, die Auflistung auf dem Bildschirm. Huber druckt sich einige Laufzettel aus und sucht die Sachen zusammen, die benötigt werden. Er richtet alles her und beschriftet die Dinge, damit die Sachen und Frau Müller später zusammenfinden.
Inzwischen trifft der Bestattungswagen ein. Die Trage wird ausgeladen und Frau Müller in unseren Behandlungsraum gefahren. Er ist gekachelt, hell beleuchtet, und in der Mitte steht ein Tisch aus Edelstahl. Darauf wird Frau Müller gelegt. Herr Huber kontrolliert nochmals die Leichenschaupapiere und steckt diese in die inzwischen erstellte und aus der Verwaltung heruntergebrachte Laufmappe.
Dann schaut er nach Schmuck und sonstigen Besonderheiten und legt im Sterbebuch einen Eintrag für Frau Müller an. Hier wird alles notiert, in Kürzeln, alles in einer langen Zeile; die Fachleute in unserem Unternehmen können auf einen Blick sehen, was Sache ist, was noch zu tun ist, was schon erledigt ist. Wo viele Leute beteiligt sind, muss man den Überblick behalten.
Die beiden Fahrer haben Kittel und Handschuhe angezogen, Frau Müller wird entkleidet. Huber legt ein Tuch über ihren Schambereich, auch Tote haben ihre Würde. Die Männer sprühen Frau Müller aus einer Sprühflasche mit einer Mischung aus Desinfektionsmittel und Wasser ein, es riecht etwas nach Apfelessig. Tote werden gesäubert, nicht klitschnass gebadet. Mit lauwarmem Wasser wird Frau Müller gewaschen und mit Papiertüchern getrocknet. Die Haare werden mit einem Haartrockner getrocknet und in Form gebracht.
Huber hat das Unterteil des Sarges Frankfurt auf zwei Böcke gestellt, legt ihn mit einer Bitumenfolie aus und befestigt diese sorgfältig, sie dichtet den Sarg ab. Als Nächstes bringt er die vier Griffe an. Über die Bitumenfolie kommt eine Schicht Papierschnipsel.
Mal nimmt er Holzwolle, mal eine Matratze mit entsprechender Füllung, mal diese Papierschnipsel. Dieser Sarg geht später ins Krematorium, da nimmt man besser die Papierschnipsel, das ist den Leuten vom Krematorium lieber. Die Innenbespannung des Sarges wird hineingelegt, sie hat schon ab Werk die passende Form und wird festgetackert, oben am Rand bringt Huber eine Bordüre aus Spitzenstoff an. Zum Schluss füllt er das Kopfkissen, verschließt es und legt es schon einmal an die richtige Stelle.
In der Zwischenzeit haben die beiden Bestatter Frau Müller einen Mundfüller eingesetzt. Das ist ein fleischfarbenes flaches Kunststoffteil. Frau Müller war Gebissträgerin, das Gebiss ist nicht da, und mit dem Mundfüller sieht ihr Gesicht nicht so eingefallen aus, außerdem bleibt der Mund dadurch geschlossen. Sie wird gekämmt, das Gesicht wird leicht gepudert. Frau Müller soll nicht aussehen wie das blühende Leben, aber doch auch nicht so tot, wie sie nun einmal ist.
Als ob sie schläft, so soll es wirken. Gar nicht so einfach, sie war sehr alt und vermutlich lange krank. Zehn, zwanzig Minuten dauert das, dann sieht sie so aus, wie Herr Huber, der das Kommando in der Werkstatt hat, sich das vorstellt, er gibt sein Okay.
Der passende Talar liegt bereit und wird Frau Müller übergestreift. Über die Arme muss er gezogen werden, der Rest geht einfach, das Hemd ist hinten offen. Kaum zwei Minuten später liegt Frau Müller im Sarg, der Talar wird glatt gezogen und hinten am Hals verschlossen.
Die Hände werden gefaltet. Einer der Männer schaut nochmals ins Sterbebuch, ist da ein Zeichen für den Rosenkranz? Nein, Frau Müller war evangelisch, also kein Rosenkranz. Ein paar weiße Strümpfe bekommt Frau Müller noch, dann ist alles perfekt.
Die Decke wird über sie gelegt und bis an die Brust unter die Schultern hochgezogen, glattstreichen, gut.
Die drei Männer schauen noch einmal, nichts vergessen? Nein, alles okay. Also wird der Deckel auf den Sarg gelegt und der Sarg in den Kühlraum geschoben.
Die Männer ziehen die Kittel aus, werfen die Handschuhe weg und waschen sich die Hände mit Desinfektionslösung. Huber reinigt noch den Behandlungsraum, da ist nicht viel zu tun, Frau Müller hat da keine Probleme gemacht.
Seitdem Frau Müller aus dem Heim abgeholt worden ist, sind genau zwei Stunden vergangen.
Die notwendigen Termine sind abgesprochen, die Bestellungen für Blumen usw., aufgegeben. Frau Müller ist eingebettet, und ihre Urne steht bereit. Herr Huber beschriftet noch das hölzerne Grabkreuz, welches das Grab kennzeichnen soll, bis einmal der Stein aufgestellt wird.
Für heute ist alles erledigt, morgen wird Frau Müller auf den Friedhof gebracht, und übermorgen ist die Trauerfeier.
Maria
Ich werde sehr oft gefragt, ob man es als Bestatter auch mit ungeklärten Todesfällen zu tun bekommt, was man da macht und so weiter. Meistens sind die Todesumstände schon geklärt, wenn wir beauftragt werden, aber von Zeit zu Zeit treten solche Ausnahmen eben doch auf. Von einem solchen Fall möchte ich Ihnen jetzt erzählen.
Am Dienstag gegen 12.20 Uhr ging bei uns der Anruf eines Mannes ein, seine Tochter sei verstorben, wir sollten bitte kommen. Unsere Männer rücken aus und rufen vom Einsatzort aus an, es handle sich um ein Kind, Maria, und wir sollten uns schon mal darauf einstellen, dass die Familie etwas Besonderes sei: »Alles Italiener, alle sehr aufgeregt und ziemlich laut.«
Die Leichenschaupapiere lauten auf plötzlichen Kindstod.
13 Uhr
Maria ist bei uns eingetroffen.
Wenig später ruft mich Herr Huber aus dem Einbettungsraum an, ich solle mal herunterkommen und mir das ansehen. Das Kind hat am Hals Würgemale, durch ein Rüschenhemdchen verdeckt.
Scheiße!
Ich rufe die Polizei an, ich muss das tun. Die lassen sich Zeit, um 14.15 Uhr kommen zwei Zivilbeamte. Es wird fotografiert, wir müssen erzählen, wie es war, dann wird die Kleine als sichergestellt erklärt, und wir sollen sie mal in die Rechtsmedizin bringen.
Jetzt fahren die Polizisten zu den Eltern – und ich hätte am liebsten einen Schnaps.
20 Uhr
Der Hausarzt hat inzwischen angegeben, er habe zwar Spuren am Hals des Kindes gesehen, diesen aber keine Bedeutung beigemessen. Wir sind inzwischen alle nochmals befragt worden; ich kann nur das sagen, was ich schon schrieb: Das Hemdchen des Mädchens hat einen Rüschen- oder Spitzenkragen, ich weiß nicht genau, wie man so etwas nennt, und der verdeckte den Hals komplett. Einen so langen Hals haben so kleine Kinder nicht.