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Das, so stellte Rodney voller Befriedigung fest, holte Zed Benjamin von seinem hohen Ross. Der Reporter runzelte die Stirn und überlegte. Schließlich sagte er:»Was ist mit New Scotland Yard?«

«Die ermitteln.«

«Die ermitteln wegen eines Ertrunkenen?«

«Ich sage noch etwas viel Besseres. Die schicken einen da rauf, einen mit ganz leisen Sohlen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und es ist keiner, der die Arbeit der örtlichen Polizei unter die Lupe nehmen soll.«

«Es handelt sich also nicht um interne Ermittlungen? Was ist es dann?«

«Ein Sonderauftrag. Streng geheim und unter der Hand. Offenbar soll er sich da oben ein Bild machen, alles doppelt und dreifach überprüfen und anschließend Bericht erstatten.«

«Wieso?«

«Das ist die Story, Zed. Das ist es, was den Tod sexy macht. «Am liebsten hätte Rodney hinzugefügt, dass Zed das selbst hätte herausfinden können, wenn er sich in die Sache reingehängt hätte. Jedenfalls hätte er, Rodney Aronson, das getan, wenn sein Chef ihm eine Geschichte in der Luft zerrissen und sein Job auf dem Spiel gestanden hätte.

«Ich soll also nichts erfinden, um die Story sexy zu machen«, sagte Zed, als müsste das noch klargestellt werden.»Sie meinen also, es ist alles schon da.«

«Bei der Source«, psalmodierte Rodney,»brauchen wir nichts zu erfinden. Wir brauchen die Informationen nur zu finden

«Darf ich fragen … woher Sie das alles wissen? Das mit Scotland Yard, meine ich. Woher wissen Sie, dass die ermitteln, wenn die Sache streng geheim ist?«

Dies war einer der Momente, in denen väterliche Überlegenheit gefragt war, und Rodney liebte diese Momente. Er stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum und platzierte eine ausladende Gesäßhälfte auf der Tischkante. Das war nicht unbedingt bequem, doch Rodney fand, dass diese Position ihn als alten Hasen ausweisen und das, was er Zed zu sagen hatte, unterstreichen würde.»Zedekiah, ich bin in diesem Geschäft, seit ich ein Teenager war. Ich habe da gesessen, wo Sie jetzt sitzen, und ich habe eins gelernt: Wir sind nichts ohne die Informanten, die wir pflegen, und ich habe sie von Edinburgh bis London gepflegt, an jedem Ort gepflegt, an den es mich je verschlagen hat. Vor allem in London, mein Freund. Ich habe Spione an Orten, die von manchen Menschen nicht einmal als Orte wahrgenommen werden. Ich tue ihnen allen immer wieder einen Gefallen, und sie zeigen sich erkenntlich, wann immer sie können.«

Benjamin wirkte angemessen beeindruckt. Ja, er war von Ehrfurcht ergriffen. Er sah sich einem erfahrenen Journalisten gegenüber, dem er nicht das Wasser reichen konnte, und das schien er endlich begriffen zu haben.

Rodney war in seinem Element.»Nicholas Faircloughs Vater hat Beziehungen zur Met. Er ist derjenige, der um die Ermittlung gebeten hat. Kann ich davon ausgehen, dass Sie kapieren, was das bedeutet, Zed?«

«Er glaubt also nicht, dass Ian Cresswell durch einen Unfall ertrunken ist. Und wenn es kein Unfall war, dann haben wir eine Story. Wir haben so oder so eine Story, weil Scotland Yard da oben rumschnüffelt, was die Vermutung nahelegt, dass es da oben nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Und Vermutungen sind das, was wir für eine Story brauchen.«

CHALK FARM — LONDON

Detective Sergeant Barbara Havers hatte ziemlich schlechte Laune, über deren Ursache sie lieber nicht nachdenken wollte. Eigentlich hätte sie dankbar sein sollen, denn immerhin hatte sie ganz in der Nähe von Eton Villas einen Parkplatz gefunden, aber irgendwie konnte sie sich gar nicht darüber freuen, dass sie nicht so einen weiten Fußweg bis zu ihrer Haustür zurücklegen musste. Wie üblich stotterte der Mini noch ein paarmal, nachdem Barbara den Zündschlüssel umgedreht hatte, was sie jedoch nicht einmal registrierte. Regentropfen begannen auf die Windschutzscheibe zu pladdern, doch auch davon nahm sie kaum Notiz. Sie konnte an nichts anderes denken als an das, was sie schon auf der ganzen Fahrt vom Yard bis hierher — bis auf eine kurze Ablenkung — beschäftigt hatte. Zwar sagte ihr eine innere Stimme, dass sie sich ziemlich kindisch aufführte, aber die Stimme war leider nicht laut genug, um die Gedanken zu verscheuchen.

Niemand hatte es bemerkt, dachte Barbara, absolut niemand. Na ja, Detective Superintendent Ardery hatte es bemerkt, doch die zählte nicht, denn die hatte es schließlich angeordnet — auch wenn sie behauptete, es sei lediglich ein Vorschlag gewesen. Nach vier Monaten Dienst unter der neuen Chefin wusste Barbara allerdings, dass die alles registrierte. Schon allein aus Gewohnheit. Sie schien geradezu eine hohe Kunst daraus gemacht zu haben. Alle anderen jedoch waren, als Barbara von ihrem letzten Zahnarzttermin zurück in den Yard gekommen war, weiter ihrer Arbeit nachgegangen, ohne eine Bemerkung zu machen, ohne eine Braue zu heben oder sonst irgendwie zu reagieren.

Barbara redete sich ein, dass ihr das nichts ausmachte, und das stimmte sogar, denn eigentlich war es ihr bei den meisten Kollegen egal, ob sie sie beachteten. Von einem bestimmten Kollegen allerdings wünschte sie durchaus beachtet zu werden, und der Frust darüber, dass er sie nicht beachtet hatte, machte ihr zu schaffen und wollte besänftigt werden, am besten mit etwas Süßem. Ein Schoko-Croissant wäre nicht schlecht, aber die bekam man nur vormittags. Für eine komplette Sachertorte dagegen war es nicht zu spät. Andererseits wusste Barbara, dass sie Wochen brauchen würde, um die Unmengen an Kalorien wieder abzubauen, und deswegen hatte sie auf dem Heimweg nicht an einer Bäckerei gehalten, sondern an einer Boutique auf der Camden High Street. Dort hatte sie sich ein Halstuch und eine Bluse gekauft und darüber jubiliert, dass das überhaupt nicht dem entsprach, wie sie normalerweise auf Stress, Frust oder Angstzustände reagierte. Aber dieses Hochgefühl hatte nur angehalten, bis sie ihren Mini geparkt hatte, denn da war ihr ihre letzte Begegnung mit Thomas Lynley wieder eingefallen.

Nachdem sie am Morgen ihre Aussagen vor Gericht gemacht hatten, war Lynley zurück in den Yard gefahren, und Barbara war zum Zahnarzt gegangen. Erst am späten Nachmittag waren sie sich im Aufzug wieder begegnet. Barbara kam gerade aus der Tiefgarage, und Lynley stieg im Erdgeschoss zu. Sie sah ihm sofort an, dass er in Gedanken versunken war. Als sie am Vormittag vor dem Gerichtssaal Nr. 1 gewartet hatten, war er ebenfalls in sich gekehrt gewesen, aber sie hatte vermutet, dass das mit seiner bevorstehenden Aussage zu tun hatte — vor ein paar Monaten erst war er mit knapper Not in dem Tatfahrzeug dem Tod entronnen. Aber diesmal schien ihn etwas ganz anderes zu beunruhigen, und als er, kaum dass die Aufzugtüren sich geöffnet hatten, im Zimmer von Superintendent Ardery verschwunden war, glaubte Barbara auch zu wissen, was es war.

Lynley glaubte, sie wüsste nicht, was zwischen ihm und Ardery ablief, und sie konnte sich denken, wie er zu dieser Annahme kam. Keiner im Yard ahnte, dass Lynley und Ardery es zwei-, manchmal dreimal pro Woche miteinander trieben, aber keiner im Yard kannte Lynley so gut wie Barbara. Eigentlich konnte sie sich sowieso nicht vorstellen, dass irgendjemand Lust haben könnte, mit Superintendent Ardery zu vögeln — das musste ja sein, als würde man mit einer Kobra ins Bett gehen. Andererseits versuchte sie seit vier Monaten sich einzureden, dass Lynley es zumindest verdient hatte, etwas Schönes zu erleben. Seine Frau war vor ihrer eigenen Haustür von einem Zwölfjährigen erschossen worden, danach war er fünf Monate lang allein wie von Sinnen an der Küste von Cornwall entlanggewandert und ziemlich neben der Spur gewesen, als er nach London zurückgekommen war … Wenn er das fragliche Vergnügen brauchte, seine Chefin eine Zeitlang flachzulegen, bitte sehr. Sie konnten beide in große Schwierigkeiten geraten, wenn irgendjemand Wind von der Affäre bekam. Doch es würde ohnehin niemand davon erfahren, weil die beiden sehr diskret vorgingen und Barbara schweigen würde wie ein Grab. Zudem würde Lynley sich garantiert nicht auf Dauer an eine wie Isabelle Ardery binden. Der Mann konnte auf dreihundert Jahre Familiengeschichte zurückblicken, er kannte seine Pflichten, und die hatten nichts zu tun mit einer zeitweiligen Affäre mit einer Frau, an der der Titel Countess of Asherton hängen würde wie ein Mühlstein. Von einem Mann wie ihm wurde erwartet, dass er standesgemäße Nachkommen produzierte, die den Familiennamen in die Zukunft trugen. Das wusste er, und er würde sich entsprechend verhalten.