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«Ach?«

«Und ich habe ihm erzählt, dass du gekommen bist, als er mit Sandra da war. Dass ich dich weggeschickt habe, weil ich dachte, die Jungs wären noch nicht so weit … schließlich waren sie zum ersten Mal bei mir in London zu Besuch, und sie müssen sich ja erst mal daran gewöhnen, dass ich in London wohne. Sie müssen sich an die Wohnung gewöhnen und alles, was dazu gehört. Wenn dann auch noch ein Mann da gewesen wäre … Ich habe ihm gesagt, dass ich das für verfrüht hielte und dich gebeten habe zu gehen. Aber er sollte wissen, dass es dich gibt.«

«Ach Isabelle. «Lynley wusste, wie viel Überwindung sie das gekostet hatte: ihrem Exmann, der so viel Macht über ihr Leben hatte, von ihm zu erzählen, und jetzt ihm davon zu berichten. Er wusste nur zu gut, was für eine stolze Frau sie war.

«Du fehlst mir, Tommy. Ich möchte, dass zwischen uns wieder alles gut wird.«

«Es ist alles gut zwischen uns.«

«Wirklich?«

«Wirklich.«

Wieder Schweigen. Vielleicht war sie ja zu Hause, dachte er, saß auf der Bettkante in ihrem winzigen Schlafzimmer mit nur einem einzigen Fenster, das sich nicht öffnen ließ, und dem viel zu schmalen Bett, in dem sie unmöglich eine ganze Nacht lang gemeinsam schlafen konnten. Was vielleicht sogar Absicht war, überlegte er.

«Das Leben ist einfach kompliziert«, sagte er.»Aber das ist es immer, nicht wahr?«

«Ab einem gewissen Alter ja. Jeder schleppt so viel Gepäck mit sich rum. «Sie holte tief Luft.»Ich möchte dich heute Abend sehen, Tommy. Kommst du zu mir?«Dann fügte sie zu seinem großen Erstaunen hinzu:»Hast du Zeit?«

Er hätte ihr gern gesagt, dass es keine Frage der Zeit war. Dass es damit zu tun hatte, wie er sich fühlte. Aber auch das war kompliziert. Also sagte er:»Das weiß ich jetzt noch nicht.«

«Wegen dieser Sache, um die Hillier dich gebeten hat. Ich hoffe, dir ist aufgefallen, dass ich nicht darauf bestehe zu erfahren, was da los ist. Und das werde ich auch nicht tun. Das verspreche ich dir. Auch hinterher nicht, und du weißt ja, was das bedeutet, denn ich kenne dich und weiß, wie du hinterher bist. Manchmal denke ich, hinterher könnte ich alles aus dir rauskriegen.«

«Und warum tust du es nicht?«

«Na ja, das wäre irgendwie unfair, meinst du nicht? Außerdem bilde ich mir ein, dass ich nicht so bin. Ich trickse nicht. Jedenfalls nicht viel.«

«Trickst du jetzt?«

«Nur, um dich rumzukriegen, aber wenn ich’s zugebe, ist es kein Tricksen mehr, oder?«

Er musste lächeln. Er spürte, wie ihm das Herz aufging, und das lag daran, dass er sie begehrte, obwohl ihre Affäre zu einem unmöglichen Zeitpunkt angefangen hatte, obwohl sie überhaupt nicht zusammenpassten und das auch nie tun würden. Er begehrte sie. Immer noch und trotz allem.

«Es kann aber ziemlich spät werden«, sagte er.

«Das ist egal. Kommst du heute Abend, Tommy?«

«Ja.«

CHELSEA — LONDON

Aber zuerst musste er ein paar Dinge regeln. Das hätte er telefonisch erledigen können, doch er zog es vor, persönlich mit seinen Freunden zu reden, um einschätzen zu können, ob es ihnen widerstrebte, ihm den Gefallen zu tun, um den er sie bitten wollte. Denn sagen würden sie es ihm nie.

Die Tatsache, dass es sich nicht um eine offizielle polizeiliche Ermittlung handelte, behinderte ihn beträchtlich. Er musste ziemlich viel tricksen, um die Sache geheim zu halten.

Natürlich hätte er darauf bestehen können, dass Hillier ihm einen Kollegen zur Seite stellte, aber die einzigen Kollegen, mit denen er bereit war zusammenzuarbeiten, waren für eine heimliche Schnüffeltour in Cumbria kaum zu gebrauchen. Mit seinen eins neunzig und einer Hautfarbe wie extrem starker Tee würde DS Winston Nkata im Lake District auffallen wie ein bunter Hund. Und DS Barbara Havers, die trotz ihrer nervtötenden Angewohnheiten unter normalen Umständen seine erste Wahl wäre … Die Vorstellung, Barbara würde streitlustig und kettenrauchend durch Cumbria trampeln und sich als Naturliebhaberin auf Wanderurlaub ausgeben, war einfach lachhaft. Sie war eine hervorragende Polizistin, aber Fingerspitzengefühl war nicht gerade ihre Stärke. Wäre Helen noch am Leben, wäre sie genau die Richtige für diese Aufgabe gewesen. Und es hätte ihr großen Spaß gemacht. Tommy, Liebling, wir werden inkognito reisen! Wie aufregend! Von so etwas hab ich schon als Kind geträumt! Doch Helen war nicht mehr am Leben. Der Gedanke an Helen ließ ihn fluchtartig das Haus verlassen.

Er fuhr über die King’s Road nach Chelsea. Es war die direkte Strecke zur Cheyne Row, wenn auch nicht die schnellste, da die enge Straße durch das beliebte Einkaufsviertel führte, wo sich Boutiquen, Schuhgeschäfte, Antiquitätenläden, Pubs und Restaurants aneinanderreihten. Wie immer wimmelte es von Menschen, und ihr Anblick, vor allem ihre Jugend, machte ihn wehmütig, obwohl er gar nicht so recht wusste, warum. Und er hatte auch keine Lust, darüber nachzudenken.

Er parkte in der Lawrence Street in der Nähe des Lordship Place. Dann ging er den Weg zurück, den er gekommen war, aber nicht ganz bis zur Cheyne Row, sondern zum Garteneingang des großen Backsteinhauses, das an der Straßenecke stand.

Der Garten leuchtete in allen Herbstfarben und machte sich bereit für den Winter. Der Rasen war übersät mit Laub, das zusammengeharkt werden musste, und die Blumen in den Beeten am Rand waren längst verblüht, ihre Stängel beugten sich unter der Last der verwelkten Blüten. Die Gartenmöbel aus Korbgeflecht waren mit Schutzhüllen bedeckt. Moos wuchs zwischen den Backsteinen, mit denen der Gartenweg gepflastert war. Lynley folgte dem Weg bis zu den Stufen, die in die Küche im Souterrain führten, wo schon Licht brannte. Durch die beschlagene Fensterscheibe sah er drinnen jemanden hin und her gehen.

Er klopfte zweimal kräftig, und als der Hund bellte, öffnete er die Tür und sagte:»Ich bin’s, Joseph. Ich bin durch den Garten gekommen.«

«Tommy?«Das war nicht die Stimme, die Lynley erwartet hatte, sondern die von Josephs Tochter.»Bist du unter die Klinkenputzer gegangen?«

Sie folgte dem Hund, einem Langhaardackel mit dem unpassenden Namen Peach, zur Tür. Peach bellte und sprang aufgeregt an Lynley hoch. Das Tier war so unerzogen wie immer, der lebende Beweis für das, was Deborah St. James oft genug behauptet hatte: dass sie einen Hund brauchte, den sie auf den Arm nehmen konnte, weil sie unfähig sei, irgendeinem Wesen irgendetwas beizubringen.

«Hallo«, sagte Deborah zu Lynley.»Was für eine angenehme Überraschung!«Sie schob Peach aus dem Weg, umarmte Lynley und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.»Du bleibst zum Essen«, verkündete sie.»Aus allen möglichen Gründen, aber vor allem, weil ich heute koche.«

«Großer Gott. Wo ist denn dein Vater?«

«In Southampton. Der Jahrestag. Diesmal wollte er nicht, dass ich mitfahre. Ich nehme an, weil es der zwanzigste ist.«

«Ah. «Er wusste, dass Deborah nicht mehr zu dem Thema sagen würde. Nicht, weil es sie traurig machte, über den Tod ihrer Mutter zu sprechen, die gestorben war, als Deborah sieben Jahre alt war, sondern seinetwegen, um bei ihm keine schmerzvollen Erinnerungen zu wecken.

«Morgen kommt er wieder zurück«, sagte Deborah.»Aber bis dahin ist der arme Simon leider meinen Kochkünsten ausgeliefert. Bist du hergekommen, um mit ihm zu reden? Er ist oben.«

«Ich möchte mit euch beiden reden. Was kochst du denn?«

«Shepherd’s Pie. Aus einer Fertigpackung. Das krieg ich so gerade hin. Außerdem, Kartoffeln sind Kartoffeln, oder? Dazu gibt’s Brokkoli nach Mittelmeerart mit Olivenöl und Knoblauch. Und vorher einen Salat, auch mit Olivenöl und Knoblauch. Bleibst du zum Essen? Du musst! Wenn’s ungenießbar ist, kannst du ja flunkern und behaupten, es schmeckt wie Ambrosia. Ich merke es dir sowieso an, wenn du lügst. Aber das darfst du ruhig, denn wenn du das Essen lobst, muss Simon es auch tun. Ach ja, und Nachtisch gibt’s auch.«