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«Lassen Sie sich Zeit. «Rodney lächelte, ein seltsames und unnatürliches Dehnen der Lippen, das verriet, wie ungewohnt ihm diese Übung war.»Wie gesagt, Sie machen das auf eigene Rechnung.«

«Danke, Rodney. «Zed war sich nicht ganz sicher, für was er sich eigentlich bei dem Mann bedankte. Er nickte, stand auf und ging zur Tür. Als er gerade die Klinke drücken wollte, sagte Rodney freundlich:»Falls Sie sich dafür entscheiden sollten, rate ich Ihnen, auf Ihre Mütze zu verzichten.«

Bevor Zed darauf etwas antworten konnte, fuhr Rodney fort:»Das hat nichts mit Ihrer Religion zu tun, Kumpel. Es interessiert mich nicht die Bohne, was für eine Religion Sie ausüben. Das ist ein guter Rat von einem, der schon in diesem Geschäft war, als Sie noch in die Windeln gemacht haben. Tun Sie, was Sie für richtig halten, aber Sie sollten die Leute nach Möglichkeit mit nichts von der Vorstellung ablenken, dass Sie ihr Beichtvater sind, ihr bester Freund, ihr Psycho-Onkel, was weiß ich. Wenn Sie also irgendwas anhaben, das die Aufmerksamkeit der Leute von dem ablenkt, was sie Ihnen erzählen wollen — oder noch besser, von dem, was sie nicht erzählen wollen —, dann haben Sie ein Problem. Und damit meine ich jede Art von Accessoire: Turbane, Rosenkränze, Beanies, hennarote Bärte, Dolche im Gürtel. Können Sie mir folgen? Was ich sagen will, ist, dass ein investigativer Journalist sich optisch einfügt — und mit so einer Mütze auf dem Kopf … An Ihrer Größe können Sie nichts ändern oder an Ihrem Haar — es sei denn, Sie färben es, und das verlange ich nicht von Ihnen —, aber die Mütze ist zu viel des Guten.«

Reflexhaft berührte Zed seine Kippa.»Ich trage sie, weil …«

«Es interessiert mich nicht, warum Sie sie tragen. Es interessiert mich nicht mal, ob Sie sie tragen. Es ist nur ein guter Rat von einem alten Hasen, mehr nicht.«

Zed wusste, dass der Chefredakteur den Nachsatz hinzugefügt hatte, um eine Anzeige zu vermeiden. Alles, was Rodney zu Zeds Kippa gesagt hatte, hatte er aus demselben Grund so und nicht anders formuliert. Die Source war nicht gerade eine Bastion der politischen Korrektheit, aber darum ging es auch gar nicht. Rodney Aronson wusste, welche Fehler er in seinem Gewerbe besser vermied.

«Beherzigen Sie meinen Rat«, sagte Rodney, als die Tür sich öffnete und seine Sekretärin mit einer Familienpackung Schokolade hereinkam.

«Mach ich«, sagte Zed.»Mach ich auf jeden Fall.«

ST. JOHN’S WOOD — LONDON

Es kam auf jede Minute an, und er machte sich sofort auf den Weg. Er würde die U-Bahn nehmen und in der Baker Street in den Bus steigen. Ein Taxi bis nach St. John’s Wood wäre besser gewesen — nicht zuletzt wegen der größeren Beinfreiheit —, aber das konnte er sich nicht leisten. Er hastete zum U-Bahnhof Blackfriars, wo er endlos auf die Circle Line wartete, die so überfüllt war, dass er sich gerade noch hineinquetschen konnte und mit eingezogenen Schultern, das Kinn auf die Brust gedrückt wie ein Büßer, direkt an der Tür stehen bleiben musste.

Mit steifem Nacken stieg er an der Baker Street aus und ging zur Bank, um seinen Kontostand zu überprüfen in der vergeblichen Hoffnung, dass er sich beim Überschlagen seiner Einnahmen und Ausgaben irgendwie verrechnet hatte. Ein Blick auf den Kontostand machte ihn mutlos. Eine Fahrt nach Cumbria würde seine gesamten Ersparnisse verschlingen, und er musste sich überlegen, ob ihm das die Sache wert war. Letztlich ging es nur um eine Story. Wenn er sie sausen ließ, würde man ihn eben auf eine andere ansetzen. Aber es gab Storys und Storys, und diese … Er wusste einfach, dass diese etwas ganz Besonderes war.

Immer noch unentschlossen traf er anderthalb Stunden früher als gewöhnlich zu Hause ein, und deswegen klingelte er an der Haustür, damit seine Mutter keinen Schreck bekam, wenn sie zu einer so ungewohnten Tageszeit den Schlüssel im Schloss hörte. Er rief» Ich bin’s Mum!«, und sie antwortete» Zedekiah! Ach, wie schön!«, was ihn verblüffte, bis er die Wohnung betrat und sah, weswegen seine Mutter so aus dem Häuschen war.

Susanna Benjamin war gerade dabei, ihren Nachmittagstee zu beenden, aber sie war nicht allein. Eine junge Frau saß im bequemsten Sessel des Wohnzimmers — in dem Sessel, den Zeds Mutter immer für Gäste reservierte. Sie errötete anmutig und senkte kurz den Kopf, als Zeds Mutter die beiden einander vorstellte. Sie hieß Yaffa Shaw und gehörte demselben Lesezirkel an wie Susanna Benjamin, die diese Tatsache aus irgendeinem Grund als großartigen Zufall bezeichnete. Zed brauchte nicht lange auf eine nähere Erläuterung zu warten.»Ich habe Yaffa gerade erzählt, dass mein Zedekiah ein absoluter Bücherwurm ist, der nicht nur eins, sondern gleich vier, fünf Bücher auf einmal liest. Erzähl Yaffa, was du gerade liest, Zed. Yaffa hat sich gerade den neuen Graham Swift vorgenommen. Also, das heißt, wir alle haben mit dem neuen Graham Swift angefangen. Im Lesezirkel, Zed. Setz dich doch, mein Lieber. Möchtest du ein Tässchen Tee? Ach du je, der ist ja kalt! Soll ich dir frischen machen?«

Ehe Zed darauf antworten konnte, war seine Mutter bereits verschwunden. Er hörte sie in der Küche herumklappern. Für alle Fälle schaltete sie auch noch das Radio ein. Er wusste, dass sie mindestens eine Viertelstunde brauchen würde, um frischen Tee aufzuschütten, denn er kannte das schon. Das letzte Mal war es die junge Frau gewesen, die bei Tesco an der Kasse arbeitete. Das vorletzte Mal war es eine vielversprechendere Kandidatin gewesen, nämlich die älteste Nichte ihres Rabbi, die sich in London aufhielt, um an einem Sommerkurs einer amerikanischen Universität teilzunehmen, an deren Namen Zed sich nicht erinnern konnte. Nach Yaffa, die ihn verstohlen beobachtete, zweifellos in der Hoffnung auf ein Gespräch, würde wieder eine kommen. Und so würde es weitergehen, bis er eine von ihnen heiratete und anfing, Enkelkinder in die Welt zu setzen. Nicht zum ersten Mal verfluchte Zed seine ältere Schwester, ihren Beruf und ihre Entscheidung, nicht nur keine Kinder zu bekommen, sondern nicht einmal zu heiraten. Sie war Wissenschaftlerin geworden, ein Beruf, der eigentlich für ihn vorgesehen gewesen war. Nicht dass er gern Wissenschaftler geworden wäre, aber wenn seine Schwester mitgespielt hätte und ihrer Mutter einen Schwiegersohn und ein paar Enkelkinder beschert hätte, dann würde er nicht immer und immer wieder vor einer neuen Kandidatin sitzen, die seine Mutter unter weiß der Teufel welchem Vorwand ins Haus gelockt hatte.

«Sie und Mum«, sagte er,»gehören also demselben Lesezirkel an?«

Sie errötete noch tiefer.»Eigentlich nicht«, sagte sie.»Ich arbeite in dem Buchladen. Ich gebe den Mitgliedern des Lesezirkels Empfehlungen. Ihre Mutter und ich … wir haben uns unterhalten … na ja, wie das halt so geht in einem Buchladen, wissen Sie.«

Er wusste nur zu gut. Und vor allem wusste er, wie Susanna Benjamin vorging. Er konnte sich das Gespräch genau vorstellen: die raffinierten Fragen und die arglosen Antworten. Er fragte sich, wie alt die junge Frau sein mochte, und ob seine Mutter es geschafft hatte, das Gespräch aufs Kinderkriegen zu lenken.

Er sagte:»Wahrscheinlich haben Sie gar nicht damit gerechnet, dass sie einen Sohn hat.«

«Sie hat es jedenfalls nicht erwähnt. Aber im Moment ist alles ein bisschen kompliziert, weil …«

«Zed, Liebling«, flötete seine Mutter aus der Küche.»Ist Darjeeling recht? Und ein Stück Kuchen? Oder möchtest du lieber einen Scone? Yaffa, Sie trinken doch noch ein Tässchen, nicht wahr? Ihr jungen Leute wollt bestimmt noch ein Weilchen plaudern.«