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Sie verhüllte ihr Gesicht und ihre Brust mit dem Tuch. Doch die stechenden Augen, die keine Zärtlichkeit und keine Ruhe kannten, bohrten sich durch ihr Gewand, wenn sie die Flußböschung erklomm oder hinabstieg, wanderten über ihren Rücken und ihre spitzen Brüste, die bei jedem Schritt auf- und abwippten. Sie ging schnell voran, den Blick geradeaus gerichtet, mit geröteten Wangen, ihre vollen Lippen bebten und ihre biegsame Gestalt schien zu schweben.

Wenn sie zurückkam, stellte sie den Wasserkrug auf die Erde und setzte sich, noch atemlos, neben ihre Tante Zakeya. Ihr Herz schlug schnell, ihre Brust hob und senkte sich und ihre Stirn war schweißnaß.

Zakeya betrachtete sie eine Weile wortlos, dann sagte sie mit leiser, müder Stimme: »Stimmt etwas nicht mit dir, mein Kind?«

Aber Zeinab antwortete nicht, und so fiel Zakeya in Schweigen zurück, bis sie ihre übliche Klage anstimmte.

»Wo bist du nur, mein Sohn Galal? Bist du lebendig oder tot? O Gott, wenn ich wüßte, daß er tot ist, würde mein Herz endlich zur Ruhe kommen. Und jetzt haben sie auch Kafrawi abgeholt. Wer weiß, ob er jemals zurückkommen wird? O Gott, waren Galal und Nefissa nicht genug? Mußtest du mir auch noch Kafrawi wegnehmen? Alle sind fort, das Haus ist leer, Zeinab ist noch so jung und ich bin alt. Wer wird sich um den Büffel kümmern und das Getreide ernten?«

Zeinab wischte sich den Schweiß mit dem Tuch ab und sagte: »Ich bin jetzt erwachsen und werde mich um den Büffel kümmern und das Getreide ernten und mich um das Haus und alles andere kümmern, bis mein Vater zurückkommt. Denn Vater wird zurückkommen, genauso wie Galal und Nefissa.«

»Wer fortgeht, kommt nie wieder zurück, mein Kind.«

»Gott weiß, in welcher Not wir uns befinden, und er wird uns nicht verlassen.«

Zakeya schien mit sich selbst zu sprechen. »Keiner wird zurückkommen. Wer fortgeht, kommt nicht zurück. Auch Kafrawi wird nicht zurückkommen.«

»Du wirst sehen, daß mein Vater zurückkommt«, sagte Zeinab heftig. »Er wird ihnen sagen, daß er niemand getötet hat, und sie werden ihm glauben. Jeder weiß, daß mein Vater ein guter Mann ist und nie einen Menschen töten könnte.«

Die alte Frau seufzte: »Die Leute hier kennen ihn. Aber dort kennt ihn niemand. Wäre Galal hier, dann hätte er ihn begleiten können, denn er kennt die Menschen dort und hätte ihm helfen können. Aber Galal ist nicht hier. Er war immer allen behilflich, selbst Fremden, und er hätte auch seinem Onkel Kafrawi helfen können.«

»Möge Allah ihm zu Hilfe kommen.«

»Mein Kind, Allah allein reicht nicht.«

Zeinab riß ihre großen schwarzen Augen weit auf und sah sie erstaunt an. »Der allmächtige Gott möge sich unserer erbarmen. Allah ist groß und hilft allen. Tante, warum stehst du nicht auf, verrichtest deine Waschungen und flehst Gott um Hilfe an?«

Zakeya wehrte mit den Händen ab. »Ich habe nicht aufgehört, zu Gott zu beten und ihn um Hilfe anzuflehen. Aber mit jedem Tag vergrößert sich unser Elend und unser Leid.«

Ihre Stimme klang nicht zornig. Sie war ruhig und unnahbar. Zeinab wunderte sich. In den Augen ihrer Tante lag ein eigenartiger Ausdruck. Ein dunkler Schauer erfaßte sie und lief ihr kalt den Rücken hinunter. Ihre Hände zitterten, als sie Zakeyas Hand ergriff.

»Was hast du, Tante?« fragte sie besorgt. »Deine Hand ist eiskalt.«

Zakeya antwortete nicht und starrte unentwegt vor sich hin. Zeinabs Hand zitterte noch, als sie sie an der Schulter faßte:

»Was hast du, Tante? Sag doch, was du hast«, bat sie.

Doch Zakeya schwieg und rührte sich nicht. Entsetzt schlug das Mädchen die Hände über dem Gesicht zusammen und rief: »Tante Zakeya! O mein Gott, was ist mit meiner Tante Zakeya geschehen?«

Sofort füllte sich der Hof mit dunklen Gestalten. Sie drängten sich am staubigen Eingang der Hütte, füllten Hof und Straße und schoben sich zwischen Zakeya und das hohe Eisentor, auf das ihre Augen gerichtet waren.

Und plötzlich war es, als läge sie auf dem Bauch, sie sah die dunklen Eisenstäbe auf sich zukommen, immer näher, wie lange eiserne Beine, die sie in jedem Moment niederzutrampeln drohten. Sie leckte sich den Staub von den Lippen und schrie so laut sie konnte, damit ihre Mutter sie hörte und sie schnell unter den hohen Beinen des Büffels hervorholte. Und ihre Mutter kam gerade rechtzeitig, bevor der Büffel sie erdrückte. Dieser sonderbare Traum suchte sie oft heim. In anderen Nächten träumte sie, daß sie auf einem Berg stand, von dem sie plötzlich hinunterfiel in einen Fluß, und sie begann, in die Tiefe zu sinken. Aber sie schwamm mit allen Kräften, obwohl sie nicht schwimmen konnte, und gelangte ans Ufer. Kaum hatte sie sich an Land gezogen, als sich ein hohes Eisentor vor ihr aufrichtete. Sie lag zwischen ihrem Mann Abdel Moneim und ihrem Sohn Galal auf einer Matte. Sie hörte, wie sie atmeten, und schlug die Augen auf. Hinter dem vergitterten Fenster sah sie einen Mann, er schob einen Handkarren voller Kalbsköpfe, Kalbsfüße und Eingeweide vor sich her, von dem das Blut auf die Erde tropfte. Der Fremde starrte sie an, während er auf sie zukam. Er streckte seinen langen Arm aus und wollte ihr die Fußspange entreißen. Als er dicht neben ihr stand, waren es plötzlich Om Sabers Augen. Diese beugte sich über sie und bog ihre Schenkel auseinander, holte eine Rasierklinge hervor und wollte ihr den Hals abschneiden. Sie wollte schreien, aber ihre Stimme versagte. Dann wollte sie weglaufen, aber ihre Füße waren wie festgenagelt. Sie wendete den Kopf und sah ihren Sohn Galal, der neben ihr schlief. Als sie ihn umarmen wollte, schien er immer weiter fortzurücken, da griff auf der anderen Seite eine Hand nach ihr. Sie drehte sich um und sah ihren schlafenden Ehemann. Plötzlich stand er auf und schlug auf ihren Kopf und ihre Brust ein. Dann stieß er mit dem Fuß in ihren Bauch, in dem sie ein Kind trug. Wieder wollte sie schreien, und wieder hatte sie keine Stimme, und dann war er ganz dicht bei ihr und riß ihr die galabeya vom Leib, und sie war ganz nackt. Seine Finger legten sich auf ihre Brust, glitten über ihren Bauch und zwischen ihre Schenkel. Er ließ sich mit seinem schweren Gewicht auf sie fallen und preßte sie so fest an sich, daß die Erde unter ihnen zu beben begann. Als sie die Augen aufschlug, war das Gesicht ihres Mannes Abdel Moneim verschwunden, und statt dessen hatte sie das Gesicht ihres Bruders Kafrawi vor sich. Sie schrie, so laut sie konnte, aber niemand schien sie zu hören. Kafrawi verbarg sein Gesicht in der Matte und weinte bitterlich. Sie streckte den Arm aus, und als sie sein Gesicht anhob, war es ihr Sohn Galal. Sie wischte ihm mit der Hand die Tränen aus den Augen, wusch ihm Nase und Mund mit dem Wasser aus dem Tonkrug, der in einem Eisenständer in einer Zimmerecke stand, in einer Lache aus Wasser und flüssigem Kot, die nach einer Weile aufgetrocknet war. Und die Trockenheit breitete sich langsam über den Körper ihres Sohnes aus, der auf die Größe eines Kaninchens zusammenschrumpfte. Sie schaufelte ein Loch und begrub ihn unter der Erde. In diesem Augenblick kam ihr Mann vom Feld zurück, und weil er seinen Sohn nirgendwo finden konnte, schlug er sie wieder. Denn so war es immer: jedesmal, wenn einer ihrer Söhne starb, schlug er blind auf sie ein mit allem, was ihm in die Hände fiel. Und dasselbe tat er, wenn sie eine Tochter zur Welt brachte. Sie hatte zehn Söhne und sechs Töchter geboren, aber das einzige Kind, das überlebt hatte, war Galal. Alle anderen waren jung gestorben, so war das Leben nun einmal. Man konnte nie wissen, wann ein Kind starb.

Sie sah die vielen Augen, die sie anstarrten, und sagte leise: »Galal ist als einziger am Leben geblieben. Aber jetzt ist er fortgegangen, und er wird nicht zurückkommen. Auch Kafrawi und Nefissa sind fort. Das Haus ist leer, und Zeinab ist jung. Und ich bin zu alt, um noch von Nutzen zu sein. Es ist niemand mehr da, um sich um den Büffel zu kümmern und das Getreide zu ernten.«