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Zakeyas Körper bewegte sich jetzt von ganz allein, er schien eigenen Gesetzen zu gehorchen. Sie sah, wie ihre Füße auf den Kreis der Tanzenden zugingen, wie ihr Körper sich durch sie hindurchschob und begann, sich hin und her zu wiegen und zu taumeln wie die anderen. Das Band, das ihr Haar zusammenhielt, löste sich, und ihr Haar senkte sich wie eine schwarze Wolke über ihr Gesicht. Eine Hand legte sich auf ihre Brust, Finger krallten sich in ihr Fleisch, und ein Schmerz, der schärfer war als ein Schlangenbiß, durchzuckte sie. Sie stieß einen Schrei aus, ihr Mund war aufgerissen, sie jammerte und kreischte, es war eine schrille Wehklage über das Leid, die sie ihr ganzes Leben unterdrückt hatte, seit dem Tag, an dem sie geboren wurde und ihr Vater ihre Mutter auf den Kopf schlug, weil sie ihm nicht den erwünschten Sohn geboren hatte. Diese Wehklage war in vielen weit zurückliegenden, leidvollen Momenten ihres Lebens entstanden: als sie hinter dem Esel herlief und sich die Fußsohlen auf der heißen Erde verbrannte, als sie zum ersten Mal Salzgurken und grünen Pfeffer aß, die die Bauern zu ihrem Brot verzehrten, und in ihrem Magen ein Feuer brannte. Als Om Saber ihre Beine auseinanderbog und mit der Rasierklinge ein Stückchen Fleisch wegschnitt. Als ihre Brüste größer wurden und die Männer hineinkniffen, wenn niemand da war, der sie daran hinderte. Als ihr Mann Abdel Moneim sie mit dem Stock schlug und sich anschließend mit seinem schweren Gewicht auf sie warf. Als sie ihm Kinder gebar und dabei blutete und eins nach dem anderen begraben mußte. Als Galal seine Uniform anzog und nicht mehr zurückkam, als Nefissa fortgegangen war und die Kinder im Chor »Nefissa und Elwau« riefen. Als das Auto mit den Männern und dem Hund aus der Stadt ins Dorf gefahren kam und Kafrawi abholte und wieder davonfuhr.

Ihre Wehklage war in diesen und vielen anderen Momenten entstanden, die sie nicht vergessen konnte. Sie war so alt wie das Leben, so lang wie die endlosen Stunden des Tages und der Nacht. Und sie ging weiter, als sie mit aller Kraft an ihren Haaren zog, als sie ihre galabeya zerriß und ihre Fingernägel in ihr Fleisch bohrte, als wollte sie sich zerfetzen. Die Wehklage ging weiter, als Om Saber ihren Kopf und ihren Körper mit dem Blut eines geschlachteten Hahns bespritzte.

»Du mußt schreien, Zakeya«, rief sie. »Du mußt den Teufel aus deinem Körper vertreiben. Schrei so laut und so lange, wie du kannst.«

Jetzt stießen alle schrille Schreie aus, Zakeya und Om Saber, Nafoussa und Zeinab, Scheich Metwalli und alle anwesenden Männer und Frauen des Dorfes Kafr El Teen. Alle fielen in die Wehklage ein, die so alt war wie das Leben, die bei ihrer Geburt eingesetzt hatte und fortdauerte, als sie geschlagen wurden, als ihnen die Fußsohlen und die Mägen brannten, als sie die Bitterkeit ihrer Galle zu schmecken bekamen und der Tod ihnen ihre Kinder eins nach dem anderen entriß.

XI

Aber der Teufel wollte Zakeyas Körper nicht verlassen. Er blieb in ihr sitzen, ritt auf ihrem Rücken und sprang auf ihre Brust. Sie keuchte, war außer Atem, als sie sich aufrichtete und beobachtete, wie er sich an sie schmiegte und sie mit Galals Augen ansah. Sie holte eine Brust aus ihrem Gewand und versuchte, ihm die dunkle Brustwarze zwischen die Lippen zu stecken, aber da verwandelte sich das Gesicht plötzlich in Abdel Moneims Gesicht, das sie mit der Hand wegschob, und als er sie mit vorwurfsvollem Blick anschaute, hatte es bereits wieder andere Züge angenommen. Jetzt waren es Kafrawis Augen, die sie anstarrten und ihr Herz mit dunklem Entsetzen füllten. Gleich darauf verschwand er hinter einer Tür oder einem vergitterten Fenster und kam mit einem Handkarren zurück, auf dem blutige Kalbsfüße und Kalbsköpfe lagen. Sie fühlte, wie ihr Körper unter der galabeya zusammenschrumpfte und spuckte sich schnell in den Ausschnitt, um den Teufel zu vertreiben. Sie rief ihre Nichte Zeinab und schaute sich ängstlich nach allen Seiten um. Als das Mädchen kam, sagte sie: »Zeinab, mein Kind, laß mich nicht allein. Ich fürchte mich. Hinter dem vergitterten Fenster sind die Teufel und sehen mich an.«

Zeinab sah sich um, und als sie nichts entdeckte, antwortete sie: »Tante, das Fenster hat kein Gitter.«

Zakeya zeigte mit zitternden Händen auf das Eisentor und sagte: »Es ist ein Fenster!« Zeinabs Augen folgten den Fingern, die auf das Tor vor dem Haus des Bürgermeisters zeigten, und sie streichelte ihr über den Rücken. »Es ist das Tor des Bürgermeisters. Du brauchst dich nicht zu fürchten.

Versuche zu schlafen. Ich bringe den Büffel zum Feld und bin vor Sonnenuntergang zurück.«

Zakeya hielt sie an der galabeya fest. »Nein, Zeinab, laß mich nicht allein.«

»Und wer geht zum Feld? Wer ernährt uns, wenn ich bei dir bleibe?«

Zakeya antwortete: »Galal hat den Büffel zum Feld gebracht. Du bleibst hier bei mir. Laß mich nicht allein.«

Zeinab wischte sich hastig die Tränen aus dem Gesicht. »Galal ist nicht zum Feld gegangen. Ich muß das Getreide ernten, damit wir unsere Schulden bei der Regierung abzahlen können, sonst nehmen sie uns das Land weg und wir müssen betteln gehen.«

In diesem Augenblick war eine Stimme am Eingang der Hütte zu hören. »Wir werden auf keinen Fall zulassen, daß Zakeya und Zeinab an fremden Türen betteln müssen. So lange wir in Kafr El Teen leben, wird das nicht geschehen.«

Zeinab drehte sich um und sah Haj Ismail in der Tür stehen. Ein Auge blickte sie an, während das andere in eine andere Richtung abschweifte.

»Haj Ismail«, sagte sie, »ich muß zu unserem Feld gehen, und wie du siehst, ist Tante Zakeya krank. Sie will weder essen noch trinken und schläft nicht mehr. Die ganze Zeit hat sie Visionen und hört Stimmen, und das macht ihr große Angst.«

»Zakeya ist von einem Teufel besessen«, sagte Haj Ismail. »Er wird sie nicht eher verlassen, bis sie meinen Rat befolgt und tut, was ich ihr sage.«

»Ich will alles tun, damit meine Tante wieder gesund wird, Haj Ismail.«

Er öffnete seine alte Tasche und holte ein großes Blatt Papier hervor, das mit Versen aus dem Koran beschrieben war. Er sprach ein paar unverständliche Beschwörungsformeln, faltete das Papier zusammen und steckte es in einen kleinen schmutzigen Beutel aus grober weißer Baumwolle. Er hängte ihn Zakeya um den Hals, murmelte dabei weitere Verse und Beschwörungen, rief Gottes Namen an und pries seine grenzenlose Macht, dabei streichelte er ihren Kopf, ihr Gesicht und ihre Brust, zuerst mit den Innenflächen, dann mit dem Rücken seiner Hände.

Dann wischte er sich das Gesicht ab und sagte zu Zeinab, die neben ihrer Tante saß: »Dieses Amulett hat große Kräfte. Es kostet nur fünf Piaster. Jetzt hör mir gut zu, Zeinab, und tu, was ich dir sage. Am nächsten Donnerstag mußt du mit deiner Tante mit dem Bus nach Bab El Hadeed in Kairo fahren. Dort nehmt ihr eine Straßenbahn zur Sayeda Zeinab-Moschee, wo ihr viele heilige Männer und Menschen antreffen werdet, die mit Singen und Beten den Geburtstag von Zeinab, der Tochter des Propheten Mohammed, begehen. Ihr müßt zu ihr beten und in die Lobgesänge einstimmen. Ihr müßt zusammen mit den anderen im Chor viele Male Allahs Namen aussprechen und die Nacht in der Nähe der Heiligen in der Moschee verbringen. Am Freitagmorgen mußt du die Hände zum Himmel heben und das folgende Gebet sprechen: ›O Gott, hör mich an. Tante Zakeya bittet dich um Vergebung für ihre Sünden und wird nie wieder etwas tun, das dir mißfällt. Hab Erbarmen mit ihr, du Barmherziger!‹ Allah wird deinem Flehen Gehör schenken, und ein heiliger Mann wird sich deiner Tante nähern, ihr das Amulett vom Hals nehmen und es ihr gleich wieder umhängen. Hat er das getan, muß sie ihm eine silberne Zehn-PiasterMünze geben. Dann müßt ihr beide sofort umkehren und unverzüglich tun, was er euch aufgetragen hat. Erinnert euch genau an seine Worte, denn es sind Allahs Befehle. Wenn ihr nicht gehorcht, wird Allah deine Tante Zakeya mit seinem Zorn verfolgen, und der Teufel wird ihren Körper nicht verlassen.«