Выбрать главу

Der Mann verschwand ebenso schnell in der Menge, wie er aufgetaucht war, und ließ Zakeya und Zeinab verwirrt und in tiefer Demut zurück. Sie standen dicht nebeneinander und sahen sich mit fragenden Augen an, als wollte sich die eine bei der anderen versichern, daß das Geschehene Wirklichkeit war und keine Einbildung, daß sie Gottes Stimme tatsächlich gehört, ihn sogar gesehen hatten, zumindest aber einen seiner Gesandten oder Heiligen, die als einzige seine Geheimnisse kannten. Nie hatte sich Zakeya so leicht gefühlt. Der eiserne Griff, der sie die ganze Zeit umklammert hielt, hatte sich gelockert. Sie mußte sich nicht mehr auf ihre Nichte Zeinab stützen, denn sie hatte wieder Kraft in den Beinen, und das Gehen fiel ihr leicht.

Verwundert sah Zeinab ihre Tante an, die ohne jede Hilfe neben ihr ging: »Tante, dir geht es schon besser«, sagte sie mit leiser und ehrfürchtiger Stimme. »Sieh doch, du kannst ja gehen!«

Und die alte Frau antwortete: »Mein Körper ist jetzt ganz leicht. O Gott, du bist wahrlich groß und gütig.«

»Gott ist groß«, sagte Zeinab. »Habe ich dir nicht immer gesagt, daß Allah uns helfen wird und daß du zu ihm beten und geduldig sein sollst?«

»Ja, mein Kind, das hast du immer gesagt.«

»Ich habe Gott den Gehorsam verweigert und nicht beten wollen, genau wie du, Tante Zakeya.«

»Ich habe mich nicht geweigert, zu beten. Es war der böse Geist in mir, der sich geweigert hat.«

»So Gott will, treibt er den bösen Geist aus unserem Körper, wenn wir tun, was er befiehlt.«

»Erinnerst du dich an alles, was der Scheich gesagt hat?« fragte Zakeya. »Ich habe am ganzen Körper gezittert und kann mich an seine Worte nicht erinnern. Ich fürchte, wir könnten etwas vergessen.«

»Mach dir keine Sorgen. Jedes seiner Worte hat sich mir tief eingeprägt.«

»Gott segne dich«, sagte Zakeya inbrünstig.

XIV

Und so hob Zeinab am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang den Tonkrug hoch und schüttete sich sauberes Nilwasser über ihren Kopf und ihren Körper. Sie wusch ihre Brüste und flüsterte dreimal hintereinander: »Ich bezeuge, daß es keinen Gott gibt außer Allah und daß Mohammed der Gesandte Allahs ist.« Das Wasser floß über ihren Bauch und ihre Hüften, und sie wusch sich und sagte dreimal das Glaubensbekenntnis auf. Sie trocknete ihr langes, schwarzes Haar, flocht zwei Zöpfe daraus, zog eine saubere galabeya an, bedeckte Kopf und Schultern mit dem schwarzen Tuch, ging mit ängstlichen, zögernden Schritten zur Tür und stieß sie langsam auf.

Die Morgenröte begann sich über dem Horizont auszubreiten, aber die Sonne war noch nicht am Himmel. Sie schaute in die Richtung, wo sie aufgehen würde, und sagte mit sanfter Stimme zehnmal hintereinander den ersten Koranvers auf. Dann ging sie auf das Eisentor zu. Sie fürchtete sich noch, aber ihre Schritte waren ruhig und fest. Als sie vor dem Tor stand, begann ihr Körper zu zittern, aber nicht mehr, weil sie Angst hatte oder unsicher war, sondern aufgrund starker Erregung. Jetzt wußte sie, was sie tun mußte. Ihr Herz schlug schnell, ihre Brust hob und senkte sich, ihr Körper spannte sich erwartungsvoll. Ihre Beine unter der langen galabeya zitterten, und ihre großen schwarzen Augen blickten zum Himmel in Erwartung einer außerordentlichen Erscheinung, damit sich Gottes Wille erfülle.

Der Bürgermeister riß überrascht seine blauen Augen auf, als sie auftauchte. Er hatte Zeinab sofort an ihrem Gesicht und ihren Augen, an ihrem aufrechten Gang erkannt. Er rieb sich die Augen, und seine Stimme klang erstaunt:

»Wer hat dich geschickt, Zeinab?«

»Allah hat mich geschickt.«

»Warum kommst du heute?«

»Weil es Gottes Wille ist«, sagte sie wie zu sich selbst.

Der Bürgermeister lächelte, stieg aus dem Bett und ging in das Badezimmer. Er putzte sich die Zähne, wusch sich, dann betrachtete er sein Gesicht im Spiegel und lächelte wieder. Lachen stieg in ihm hoch. Mit halblauter Stimme sagte er zu sich selbst: »Du Teufel, du Sohn des Teufels! Du bist ein schlauer Bursche, Haj Ismail!«

Er verließ das Badezimmer und suchte seine Armbanduhr, die auf einem kleinen Tisch lag. Sie zeigte sechs Uhr an. Er grinste und sagte leise zu sich: »Noch nie ist eine Frau so früh am Morgen zu mir gekommen. Ich muß erstmal eine Tasse Tee trinken, das wird mich wecken.«

Zeinab stand noch an derselben Stelle. Er ging auf sie zu und sagte wie zu einem Kind: »Hör mal, Zeinab. Ich möchte eine Tasse Tee trinken. Weißt du, wie man Tee macht?«

»Ja, Herr«, antwortete sie, und ihre Stimme verriet, daß sie ihm gefallen wollte.

»Komm mit mir! Ich werde dir den Weg in die Küche zeigen. Ich möchte, daß du mir Tee kochst, während ich ein Bad nehme.«

Zeinab seufzte erstaunt, als sie die Waschbecken aus weißem Porzellan sah, die glänzenden Wasserhähne, die buntgestrichenen Wände, die Vorhänge und den Herd, der so leicht anzuzünden war. Verträumt starrte sie auf den Kessel, der pfiff, als das Wasser kochte, auf die buntbedruckten und bemalten Tassen und die Silberlöffel. Alles war so neu für sie, so unbekannt, sie schien eine andere Welt betreten zu haben. Sie glaubte jetzt in Allahs Königreich zu sein, pries seinen Namen und stimmte sein Lob an. Wenn sie etwas in die Hände nahm, zitterten sie. Ihr Herz schlug schnell, ihre Beine schwankten.

Eine Teetasse glitt ihr durch die Finger und fiel auf den Boden. Sie schlug die Hände über der Brust zusammen und wich zurück an die Wand. Schwer atmend starrte sie auf die zersprungene Tasse, als hätte sie ein schreckliches Verbrechen begangen. Die Porzellanscherben leuchteten wie bunte Kristalle auf dem blütenweißen Boden. Der Bürgermeister stand unter der Dusche, als er hörte, wie die Tasse auf dem Boden aufprallte und ein lautes, erschrockenes Seufzen darauf folgte. Er lächelte und schäumte seine Brust und seinen Bauch mit einer duftenden Seife ein. Er dachte: »Wie erregend diese einfachen Mädchen sind, wie angenehm es ist, ihre jungfräulichen Körper zu umarmen, geradeso, als würde man eine frisch erblühte Rose pflücken. Wie ich die Künstlichkeit der Kairoer Frauen hasse, meine Frau mit ihrem unverschämten Blick zum Beispiel! Sie läßt sich durch nichts mehr einschüchtern oder erregen. Ob ich sie streichle, an mich ziehe oder beiße, ihr frigider Körper bebt nicht mehr.«

Er zog einen rosa Seidenpyjama an und ging aus dem Badezimmer in die Küche. Zeinab kauerte noch immer an der Wand, hatte die Hände über der Brust zusammengeschlagen, und ihre Lippen waren leicht geöffnet, als ringe sie nach Atem. Sie starrte auf die Porzellanscherben, die eben noch eine wunderschöne Tasse gewesen waren und deren Wert sie nie ermessen würde.

Sein Gesicht sah entspannt und gesund aus, und seine klaren blauen Augen sahen sie nachdenklich an, als prüfe er ein kostbares Schmuckstück. Ihr dichtes schwarzes Haar hing in zwei Zöpfen auf ihren Rücken. Das zarte und längliche Gesicht war von der Sonne gebräunt, die vollen Lippen hatten ein natürliches Rot und schimmerten wie eine Blume im Morgentau, und sie hatte schön geformte, feste Brüste. In ihren großen schwarzen Augen standen Tränen, wie bei einem Kind, das einen Schreck bekommen hat; ihre Schüchternheit reizte und erregte ihn.

Er trat an sie heran und sagte mit einem Lächeln auf den Lippen: »Weinst du, Zeinab?«

Sie senkte den Kopf und flüsterte kaum hörbar: »Sie ist mir aus der Hand gefallen. Verzeih mir, Herr.«

Sie wischte sich die Tränen mit der Hand fort. Er fühlte, wie sein Blut aufwallte, trat noch näher an sie heran und streckte eine Hand aus, mit der er ihr zärtlich die restlichen Tränen fortwischte.

»Du brauchst keine Angst zu haben, Zeinab«, sagte er leise. »Die Tasse und der, dem die Tasse gehört, sind dein.«