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Er preßte die Lippen zusammen und schlug mit seinem langen Stock auf den alten Esel ein, so wie es der Polizeichef mit den Kindern armer Eltern machte, wenn sie nach der Schule beim Spielen erwischt wurden. Er hatte es plötzlich eilig, nach Al Ramla zu kommen und diese lästige junge Frau so bald wie möglich loszuwerden.

Der Holzkarren kam auf der gewundenen Straße nur langsam voran, er schwankte stark von einer Seite zur anderen, und es sah aus, als würde er gleich ein Rad verlieren und zusammenbrechen. Sie hörte den Esel schnaufen und keuchen. Sein Atem war langsam und monoton wie eine Uhr, wie das Holpern der Holzräder, die sich unentwegt drehten, wie der Herzschlag in ihrer Brust und in ihrem Bauch, auch kurz vor dem Zusammenbruch.

Sie beobachtete, wie die Sonne am Himmel aufging. Sie beobachtete, wie sie die Felder nach und nach hinter sich ließen und wie vor ihnen die Lehmhütten am Flußufer auftauchten und wie Erdhügel aus dem Boden wuchsen. Es kamen immer mehr Frauen in Sicht, die mit ihren Wasserkrügen auf dem Kopf mit bedächtigen Schritten hintereinander am Ufer entlanggingen. Dann war ein Summen zu hören, denn die Kinder waren aufgewacht, und die Fliegen schwärmten durch die Straßen und über den Hütten. Büffel trotteten in langen Reihen voran und wirbelten Staubwolken auf, und neben ihnen gingen kleinere Gruppen von Männern und Frauen, die Hacken auf den Schultern trugen und ununterbrochen gähnten. Der Gedanke, daß ein neuer Tag anbrach, schien sie noch müder zu machen.

Einen Moment lang glaubte sie, wieder dort zu sein, von wo sie aufgebrochen war, zurück in Kafr El Teen. Sie verhüllte ihr Gesicht mit dem Schleier, aber der Mann neben ihr sagte mit böser, heiserer Stimme: »Steig ab.«

»Sind wir in Al Ramla, Onkel?« fragte sie.

»Ja«, antwortete er, ohne sie anzusehen.

Sie stützte sich mit einem Arm ab und stieg vom Holzkarren, der sich plötzlich unter dem Gewicht ihres Körpers zu einer Seite neigte, jedoch sofort wieder ins Gleichgewicht kam, als ihre Füße den Boden erreichten. Der Karren war leichter und würde schneller vorankommen, dachte er, und er fühlte sich wie von einer Last befreit. Er hörte sie mit schweren Schritten über die Straße gehen und gab dem Esel mehrere Schläge mit dem Stock. Der Karren fuhr langsam weiter. Er wollte sich umdrehen und einen letzten Blick auf sie werfen, aber er besann sich anders. Die Augen auf den Horizont gerichtet, schlug er noch einmal auf den Esel ein, der stolpernd und keuchend den Karren hinter sich herzog, und die Räder nahmen ihr langsames, monotones Holpern wieder auf.

Nefissa sah den Karren hin und her schwanken und blickte auf den schmalen, knochigen Rücken des Mannes, der sie an ihren Vater erinnerte. Bald war der Karren aus ihrem Blickfeld verschwunden, aber das Knarren der Räder und der erstickte, keuchende Atem des Esels hallten in ihren Ohren. Hin und wieder wurden diese Geräusche von einem rasselnden Husten übertönt; ihr Vater hatte genauso gehustet, wenn er vor der Hütte saß und den Rauch aus seiner Wasserpfeife tief einatmete.

Bei der Moschee bog sie nach rechts ab und kam nach einer Weile an ein unbebautes Gelände, wie Om Saber es ihr beschrieben hatte. In der hintersten Ecke stand ein kleines Lehmhaus mit einer großen Holztür, die einen hölzernen Klopfer hatte. In der Nähe war eine Wasserpumpe. Sie setzte sie in Gang und trank das Wasser aus der Hand. Dann ging sie zur Tür, nahm den Klopfer und ließ ihn mehrmals vorsichtig fallen. Sie hörte die gedehnte, ordinäre Stimme einer Frau antworten, die sie an Nafoussa, die Tänzerin von Kafr El Teen, erinnerte.

»Wer ist da?«

»Ich bin es«, sagte Nefissa und brachte nicht mehr als ein Flüstern hervor.

Die gedehnte, ordinäre Stimme rief laut zurück: »Und wer bist du?«

»Ich bin Nefissa«, sagte sie.

»Nefissa und wie weiter?« fragte die Frau beharrlich.

Sie wischte sich einen Schweißtropfen von der Nase und antwortete: »Tante, Om Saber schickt mich zu dir.«

Jetzt blieb es still. Sie hörte ihr Herz klopfen, und ihr Atem ging schwer. Sie starrte auf die Tür, die sich plötzlich wie von Geisterhand öffnete.

Reglos wie eine Statue stand sie da. Aber als sie über die Schwelle trat, fühlte sie, daß sie am ganzen Körper zitterte.

IV

Kurz bevor der erste Hahnenschrei durch die dunkle Stille drang, schlug Fatheya die Augen auf. Vielleicht waren ihre Augen bereits einige Zeit offen und sie hatte es nur nicht bemerkt. Ihr Ehemann lag mit offenem Mund auf dem Rücken und schnarchte laut und heftig. Sein Atem roch stark nach Tabak, und in seiner Brust war ein Pfeifen, als hätte sich über Nacht viel Schleim in ihr angesammelt.

Sie stieß ihn mit der Faust leicht an die Schulter, um ihn zu wecken, aber er drehte ihr den Rücken zu und murmelte in seinem Schlaf unverständlich vor sich hin. Wieder zerriß ein Hahnenschrei die Stille. Jetzt kniff sie ihn fest in die Schulter.

»Scheich Hamzawi, der Hahn ist aufgewacht und hat zum Gebet gerufen, und du schnarchst noch immer«, sagte sie gereizt.

Scheich Hamzawi öffnete die Augen und preßte die Lippen fest zusammen, denn er hatte beschlossen, auf ihre verbalen und handgreiflichen Attacken, die bereits am frühen Morgen einsetzten, nicht mehr zu reagieren. Wortlos stand er auf. Seine Frau Fatheya war anders als seine früheren Frauen, von denen keine gewagt hätte, ihm direkt ins Gesicht zu sehen und etwas Ungehöriges zu ihm zu sagen oder ihn mit anderen Männern in Kafr El Teen zu vergleichen, geschweige denn mit einem Hahn, der vor wenigen Augenblicken gekräht hatte und ihrer unverschämten Anspielung zufolge besser war als er.

Aber jetzt war es ihm gleichgültig, wie sie sich benahm, selbst wenn sie so weit ging und ihn mit einem Hahn auf eine Stufe stellte. Wichtig war allein, daß es ihm gelungen war, sie gegen ihren Willen zu heiraten, und daß er sie gezwungen hatte, die ganzen Jahre mit ihm zu leben, obwohl Haj Ismails Mixturen und Amulette für die Wiederherstellung oder zeitweilige Belebung seiner Männlichkeit ohne jede Wirkung geblieben waren.

Er hatte sie zum ersten Mal gesehen, als er wie gewöhnlich vor Haj Ismails Geschäft saß. Er beobachtete ihren biegsamen Körper, als sie mit einem Tonkrug auf dem Kopf am Ufer entlangging. Er wandte sich an Haj Ismail und fragte: »Wer ist das Mädchen da drüben?«

»Das ist Fatheya, die Tochter von Masoud.«

»Ihr Vater ist also ein armer Mann und wäre sicher froh, wenn er mich in seine Familie aufnehmen könnte.«

»Soll das heißen, daß du sie heiraten willst, Scheich Hamzawi?«

»Warum nicht? Ich bin dreimal verheiratet gewesen und habe immer noch keinen Sohn. Ich muß einen Sohn bekommen, bevor ich sterbe.«

»Aber sie ist so jung, daß sie deine Enkelin sein könnte«, sagte Haj Ismail. »Und woher willst du wissen, ob sie nicht wie deine ehemaligen Frauen kinderlos bleiben wird?«

Scheich Hamzawi senkte den Kopf und schwieg, und die Perlen seiner Gebetskette liefen wie aus eigenem Antrieb durch seine Finger. Haj Ismail warf ihm ein verständnisvolles Lächeln zu. Dann lachte er laut auf und sagte: »Es sieht so aus, als hätte das Mädchen dir den Kopf verdreht, Scheich Hamzawi.«

Der Scheich lächelte still vor sich hin und sah den Dorfbarbier mit glänzenden Augen an. »Es stimmt, daß ihr Anblick meine Sinne belebt. Ich habe immer Frauen wie sie gemocht.«

»Fraulich ist sie durchaus. Ihre Augen brennen vor Verlangen. Aber glaubst du, daß du sie in Schach halten kannst, Scheich Hamzawi? Glaubst du, daß ein Mann in deinem Alter mit ihr fertig wird?«