»Ich kann nicht nur sie zufriedenstellen, sondern wenn notwendig auch ihren Vater«, erwiderte der Scheich. »Bei einem Mann zählt nur, was er in der Tasche hat.«
»Und was wirst du tun, wenn die Jahre vergehen und sie dir keinen Sohn schenkt?« forschte Haj Ismail.
»Allah ist groß, Haj Ismail. Ich habe schwere Zeiten durchgemacht, aber sie werden bald vorbei sein. Gott wird mir seinen Geist einhauchen und mir Kraft geben.«
Haj Ismail lachte laut. »So etwas kannst du den anderen erzählen, aber nicht mir, Scheich Hamzawi. Du hörst nicht auf, dich über deinen Zustand zu beklagen. Wie soll Allah dir Kraft geben? Willst du damit sagen, daß Gott…«
Scheich Hamzawi fiel ihm schnell ins Wort. »Allah kann tote Knochen mit Leben erfüllen, Haj Ismail. Und du selbst hast mir gesagt, daß ich geheilt werden kann.«
»Aber du hast nicht auf meinen Rat gehört und dich nicht an die Behandlung gehalten, die ich dir verschrieben habe. Du tust, was die Ärzte sagen, und bezahlst ihre teuren Medikamente. Dabei habe ich dir gesagt, daß die Ärzte nichts wissen und ihre Rezepte nichts nützen. Aber du wolltest mir nicht glauben. Und was hast du nun davon? Du hast dein Geld verschwendet und bist nicht einen Schritt weiter gekommen. Widersprich mir, wenn ich mich irre.«
»Ja, ja, Haj Ismail, aber wenn man lernen will, muß man einen hohen Preis zahlen. Jetzt weiß ich, daß alle Ärzte Ignoranten und Betrüger sind und du der einzige wirkliche Arzt im Dorf bist. Von heute an lasse ich mich nur noch von dir behandeln. Aber du mußt mir helfen, Masouds Tochter Fatheya zu heiraten. Wenn du das tust, wird Allah dich großzügig belohnen, weil du dem Mann, der die heilige Moschee hütet und Gottes Lehren in diesem Dorf verbreitet, einen großen Dienst erwiesen hast.«
Haj Ismail lachte laut auf. »Meine Kinder und ich wären längst verhungert, wenn wir auf Allahs Belohnung gewartet hätten.«
»Natürlich werde ich dich bezahlen, und zwar ansehnlich, du kennst mich doch«, antwortete Scheich Hamzawi schnell.
»Ich weiß, daß du ein großzügiger Mann bist und aus einer großzügigen Familie kommst. Wichtiger ist jedoch, daß du der Mann in unserem Dorf bist, der den Glauben verteidigt und unsere Tugend bewacht. Deshalb mußt du dich in Allahs Hände geben. Ich werde mich der Sache annehmen, darauf kannst du dich verlassen. Aber du mußt tun, was ich dir gesagt habe, und ständig warmes Wasser, Salz und Zitrone anwenden. Verbrenne jede Nacht dein Räucherwerk, so daß am Morgen nichts mehr übrig ist, und danach nimm die Gebetskette in die Hand und sprich Allah neunundneunzig mal deinen Dank aus. Danach verfluche deine erste Frau dreiunddreißig mal, denn warst du nicht ausgesprochen potent, als du sie geheiratet hast?«
Scheich Hamzawis Stimme klang verzweifelt: »Ich war stark wie ein Pferd.«
»Es ist ihr gelungen, dich zu behexen, und ich weiß, wer ihr das Amulett gemacht hat. Der Mann ist nicht aus Kafr El Teen, aber ich kenne das Geheimnis seines Zaubers und weiß, wie ich ihn zerstören kann. Am wichtigsten ist jetzt, daß du meinen Rat befolgst, dann wird Allah dir seinen Segen erteilen.«
Scheich Hamzawi fragte mit kaum hörbarer Stimme: »Wann werde ich die Hochzeitsnacht mit Fatheya verbringen?«
»Bald, sehr bald, wenn Allah so will.«
»Und was muß ich tun, um einen Sohn zu bekommen, Haj Ismail? Ist das wirklich unmöglich?«
»Nichts ist unmöglich, wenn es Allahs Wille ist. Du bist ein Gottesmann und solltest das wissen. Wie kannst du vergessen, daß Allah allmächtig ist?«
Scheich Hamzawi ließ seine Gebetskette durch seine Finger gleiten und stöhnte: »Sein Name sei gepriesen. Sein Name sei gepriesen.«
Scheich Hamzawi stützte sich mit der Hand an der Wand ab und erhob sich langsam. Die Gebetskette schwang hin und her, als er wiederholte: »Sein Name sei gepriesen.« Er zog seinen Kaftan an und die jiba darüber und setzte sich den Turban auf den Kopf, wobei er ununterbrochen vor sich hin murmelte. Sein magerer Körper schien sich unter einer schweren Last zu beugen, als er zur Haustür schlurfte. Er hörte, wie Fatheya leise stöhnte. Er wußte nicht, was in der letzten Zeit mit ihr los war. Sie hatte sich verändert, sie geriet nicht einmal mehr in Wut über ihn und blieb den ganzen Tag im Bett liegen. Sie bestand nicht länger darauf, ihre Tante zu besuchen, vielleicht, weil es ihn jedes Mal rasend machte und er versuchte, sie am Verlassen des Hauses zu hindern. Die Frau von Scheich Hamzawi, hatte er ihrem Vater erklärt, habe sich anders zu verhalten als die Frauen anderer Männer. Ihr Ehemann habe die Aufgabe, Allahs Lehren zu verbreiten und die Tugend und Frömmigkeit der Dorfgemeinde zu schützen. Die Frau eines solchen Mannes dürfe nicht von jedermann gesehen werden. Bis auf Gesicht und Hände müsse ihr Körper sogar vor den nächsten Verwandten verborgen bleiben. Sie habe in seinem Haus zu leben, wo ihr die Fürsorge und der Respekt entgegengebracht würden, wie sie es verdiente, und sie dürfe nur zweimal gesehen werden: am Tag, an dem sie aus dem Haus des Vaters in das Haus ihres Mannes überwechselte, sowie an dem Tag, an dem sie das Haus ihres Mannes gegen ein Grab auf dem Friedhof eintauschen würde. Ansonsten…
Der Vater hatte in frommem Einverständnis mit dem Kopf genickt und gesagt: »Scheich Hamzawi, kein Mann wird mehr geachtet und geschätzt als du«, und dann gab er seine Einwilligung.
Aber Fatheya hatte auf dem Ofen Zuflucht gesucht und gab keine Antwort, trotz aller Versuche, sie zur Vernunft zu bringen.
»Gott wird dich vor der sengenden Sonne auf dem Feld bewahren, vor Schmutz und Dung, vor den Mahlzeiten aus trockenem Brot und Salzgurken. Statt dessen wirst du die Tage damit verbringen, im Schatten zu ruhen und Weißbrot und Fleisch zu essen. Du wirst die Frau von Scheich Hamzawi sein, der sein Leben der Anbetung Gottes und seinen Aufgaben in der Moschee geweiht hat, der die Gemeinde beim Gebet leitet und ein frommes Leben führt«, sagte Haj Ismail laut, damit alle Menschen in der Nachbarschaft hörten, was vor sich ging.
Aber Fatheya war in ihrem Versteck geblieben und wollte nicht antworten.
Haj Ismail hatte sich zu ihrem Vater umgedreht und ihn wutentbrannt gefragt: »Und was tun wir jetzt, Masoud?«
»Du siehst doch selbst, Haj Ismail, daß das Mädchen nicht will.«
»Soll das heißen, daß in deinem Haus das Mädchen entscheidet, was getan wird?«
»Was soll ich denn tun?«
»Was du tun sollst?« hatte Haj Ismail zornig gerufen. »Ist das eine Frage für einen Mann? Schlag sie, Bruder, schlag sie einmal, zweimal, dreimal. Weißt du nicht, daß man Mädchen und Frauen nur mit einer guten Tracht Prügel einsichtig machen kann?«
Masoud hatte einen Augenblick geschwiegen und dann gerufen: »Fatheya, komm sofort herunter.«
Als die Antwort ausblieb, war er auf den Ofen gestiegen, hatte sie an den Haaren hervorgezogen und so lange geschlagen, bis sie herunterkam. Darin hatte er sie Haj Ismail übergeben, und noch am selben Tag wurde sie mit dem frommen, alten Scheich verheiratet.
Scheich Hamzawi umklammerte seinen Stock und öffnete die Haustür. Fatheya lauschte angestrengt auf das Tappen seines Stocks auf der anderen Seite der Wand. Wie gut sie dieses Tappen kannte! Seit ihrer Hochzeitsnacht dröhnte es ihr in den Ohren. Es ist durch das große grobe Tuch in ihren Körper und ihren Kopf gedrungen, als sie auf dem Esel zum Haus von Scheich Hamzawi ritt. Ihr Vater hatte eine neue galabeya an, und die daya Om Saber, die Hebamme des Dorfes, trug ein langes schwarzes Kleid. Sie konnte die alte Frau nicht sehen, weil das Tuch um ihren ganzen Kopf gewickelt war. Sie sah überhaupt nichts, aber sie spürte den brennenden Schmerz zwischen ihren Beinen, ausgelöst durch den Finger der daya, der in sie eingedrungen war, worauf das Blut warm und klebrig aus ihr floß. Das weiße, blutbefleckte Handtuch und die Wunde, die der Fingernagel der Frau zurückgelassen hatte, sah sie nicht. Aber sie spürte, daß ihr Jungfernhäutchen zerrissen war, und in ihren Ohren dröhnten die Trommelschläge, die Freudenschreie und die hohen, schrillen Stimmen der Frauen.