Feinde zu entreißen, meine Besitztümer zu verteidigen? Und doch —
Wieland.
Ihr redet wie Leute einer andern Welt, eine Sprache, deren Worte ich vernehme, deren Sinn ich nicht fasse.
Admet.
Wir reden griechisch. Ist Euch das so unbegreiflich? Admet —
Euripides.
Ihr bedenkt nicht, daß er zu einer Sekte, gehört die allen Wassersüchtigen, Auszehrenden, an Hals und Bein tödlich Verwundeten einreden will, tot würden ihre Herzen voller, ihre Geister mächtiger, ihre Knochen markiger sein. Das glaubt er.
Admet.
Er tut nur so. Nein, Ihr seid noch Mensch genug, Euch zu Euripides' Admeten zu versetzen.
Alceste.
Merkt auf und fragt Eure Frau drüber.
Admet.
Ein junger, ganz glücklicher, wohlbehaglicher Fürst, der von seinem Vater Reich und Erbe und Herde und Güter empfangen hatte und drinne saß mit Genüglichkeit und genoß und ganz war und nichts bedurfte als Leute, die mit ihm genossen, und sie, wie natürlich, fand und des Hergebens nicht satt wurde und alle liebte, daß sie ihn lieben sollten, und sich Götter und Menschen so zu Freunden gemacht hatte und Apoll den Himmel an seinem Tische vergaß — der sollte nicht ewig zu leben wünschen! — Und der Mensch hatte auch eine Frau —
Alceste.
Ihr habt eine und begreift das nicht. Ich wollte das dem schwarzaugigen jungen Ding dort begreiflich machen. Schöne Kleine, willst du ein Wort hören?
Das Mädchen.
Was verlangt Ihr?
Alceste.
Du hattest einen Liebhaber.
Mädchen.
Ach ja!
Alceste.
Und liebtest ihn von Herzen, so daß du in mancher guten Stunde Beruf fühltest,für ihn zu sterben?
Mädchen.
Ach, und ich bin um ihn gestorben. Ein feindseliges Schicksal trennte uns, das ich nicht lang überlebte.
Alceste.
Da habt Ihr Eure Alceste, Wieland. Nun sage mir, liebe Kleine, du hattest Eltern, die sich zärtlich liebten?
Mädchen.
Gegen unsre Liebe war's kein Schatten. Aber sie ehrten einander von Herzen.
Alceste.
Glaubst du wohl, wenn deine Mutter in Todsgefahr gewesen wäre und dein Vater hätte für sie mit seinem Leben bezahlt, daß sie's mit Dank angenommen hätte?
Mädchen.
Ganz gewiß.
Alceste.
Und wechselsweise, Wieland, eben so, da habt Ihr Euripides' Alceste.
Admet.
Die Eurige wäre denn für Kinder, die andere für ehrliche Leute, die schon ein bis zwei Weiber begraben haben. Daß Ihr nun mit Eurem Auditorio sympathisiert, ist nötig und billig.
Wieland.
Laßt mich, ihr seid widersinnige rohe Leute, mit denen ich nichts gemein habe.
Euripides.
Erst höre mich noch ein paar Worte.
Wieland.
Mach's kurz.
Euripides.
Keine fünf Briefe, aber Stoff dazu. Das, worauf Ihr Euch so viel zugute tut, ein Theaterstück so zu lenken und zu runden, daß es sich sehen lassen darf, ist ein Talent, ja, aber ein sehr geringes.
Wieland.
Ihr kennt die Mühe nicht, die's kostet.
Euripides.
Du hast ja genug davon vorgeprahlt, das alles, wenn man's beim Licht besieht, nichts ist als eine Fähigkeit, nach Sitten und Theaterkonventionen und nach und nach aufgeflickten Statuten Natur und Wahrheit zu verschneiden und einzugleichen.
Wieland.
Ihr werdet mich das nicht überreden.
Euripides.
So genieße deines Ruhms unter den Deinigen und laß uns in Ruh.
Admet.
Begib dir zur Gelassenheit, Euripides! Die Stellen, an denen er deiner spottet, sind so viel Flecken, mit denen er sein eigen Gewand beschmitzt. Wär er klug und er könnte sie und die Noten zum Schakespear mit Blut abkaufen, er würde es tun. So stellt er sich dar und bekennt: Da hab ich nichts gefühlt.
Euripides.
Nichts gefühlt bei meinem Prolog, der ein Meisterstück ist. Ich darf wohl von meiner Arbeit so reden, tust du's ja. Du fühlst nichts, da du in den gastoffnen Hof Admetens trittst?
Alceste.
Er hat keinen Sinn für Gastfreiheit, hörst du ja.
Euripides.
Und auf der Schwelle begegnet dir Apollo, die freundliche Gottheit des Hauses, die, ganz voll Liebe zum Admet, ihn erst dem Tod entreißt und nun, o Jammer! sein bestes Weib für ihn dahingegeben sieht. Er kann nichts weiter retten und entfernt sich wehmütig, daß nicht die Gemeinschaft mit Toten seine Reinigkeit beflecke. Da tritt herein, schwarz gehüllt, das Schwert ihrer heimtückischen Macht in der Faust, die Königin der Toten, die Geleiterin zum Orkus, das unerbittliche Schicksal, und schilt auf die gütig verweilende Gottheit, droht schon der Alceste, und Apoll verläßt das Haus und uns. Und wir mit dem verlassenen Chor seufzen: Ach, daß Äskulap noch lebte, der Sohn Apollos, der die Kräuter kannte und jeden Balsam, sie würde gerettet werden: denn er erweckte die Toten; aber er ist erschlagen von Jupiters Blitz, der nicht duldete, daß jener weckte vom ewigen Schlaf, die in Staub gestreckt hatte nieder sein unerbittlicher Ratschluß.
Alceste.
Bist du nicht ganz entrückt gewesen in die Phantasie der Menschen, die aus ihrer Väter Munde vernommen hatten von einem so wundertätigen Manne, dem Macht gegeben war über den allmächtigen Tod? Ist dir nicht der Wunsch, Hoffnung, Glaube aufgegangen: Käme einer aus diesem Geschlechte! käme der Halbgott seinen Brüdern zu Hülfe.
Euripides.
Und da er nun kommt, nun Herkules auftritt und ruft: Sie ist tot! tot! hast sie weggeführt, schwarze gräßliche Geleiterin zum Orkus, hast mit deinem verzehrenden Schwerte abgeweihet ihre Haare. Ich bin Jupiters Sohn und traue mir Kraft zu über dich. An dem Grabe will ich dir auflauschen, wo du das Blut trinkst der abgeschlachteten Totenopfer, fassen will ich dich, Todesgöttin, umknüpfen mit meinen Armen, die kein Sterblicher und kein Unsterblicher löset, und du sollst mir herausgeben das Weib, Admetens liebes Weib, oder ich bin nicht Jupiters Sohn.
Herkulestritt auf.
Was redt ihr von Jupiters Sohn? Ich bin Jupiters Sohn.
Admet.
Haben wir dich in deinem Rauschschläfchen gestört?
Herkules.
Was soll der Lärm?
Alceste.
Ei, da ist der Wieland.