Rat. Greift ihn. Gibt euch eure Liebe zu euerm Kaiser nicht mehr Mut?
Götz. Nicht mehr, als ihnen der Kaiser Pflaster gibt, die Wunden zu heilen, die sich ihr Mut holen könnte.
(Gerichtsdiener kommt.)
Gerichtsdiener. Eben ruft der Türner: es zieht ein Trupp von mehr als zweihunderten nach der Stadt zu. Unversehens sind sie hinter der Weinhöhe hervorgedrungen und drohen unsern Mauern.
Ratsherr. Weh uns! was ist das?
(Wache kommt.)
Wache. Franz von Sickingen hält vor dem Schlag und läßt euch sagen: Er habe gehört, wie unwürdig man an seinem Schwager bundbrüchig geworden sei, wie die Herrn von Heilbronn allen Vorschub täten. Er verlange Rechenschaft, sonst wolle er binnen einer Stunde die Stadt an vier Ecken anzünden und sie der Plünderung preisgeben.
Götz. Braver Schwager!
Rat. Tretet ab, Götz! — Was ist zu tun?
Ratsherr. Habt Mitleiden mit uns und unserer Bürgerschaft! Sickingen ist unbändig in seinem Zorn, er ist Mann, es zu halten.
Rat. Sollen wir uns und dem Kaiser die Gerechtsame vergeben?
Hauptmann. Wenn wir nur Leute hätten, sie zu behaupten. So aber könnten wir umkommen, und die Sache wäre nur desto schlimmer. Wir gewinnen im Nachgeben.
Ratsherr. Wir wollen Götzen ansprechen, für uns ein gut Wort einzulegen. Mir ist's, als wenn ich die Stadt schon in Flammen sähe.
Rat. Laßt Götzen herein.
Götz. Was soll's?
Rat. Du würdest wohl tun, deinen Schwager von seinem rebellischen Vorhaben abzumahnen. Anstatt dich vom Verderben zu retten, stürzt er dich tiefer hinein, indem er sich zu deinem Falle gesellt.
Götz (sieht Elisabeth an der Tür, heimlich zu ihr). Geh hin! Sag ihm: er soll unverzüglich hereinbrechen, soll hieher kommen, nur der Stadt kein Leids tun. Wenn sich die Schurken hier widersetzen, soll er Gewalt brauchen. Es liegt mir nichts dran umzukommen, wenn sie nur alle mit erstochen werden.
Ein großer Saal auf dem Rathaus
Sickingen. Götz.
Das ganze Rathaus ist mit Sickingens Reitern besetzt.
Götz. Das war Hülfe vom Himmel! Wie kommst du so erwünscht und unvermutet, Schwager?
Sickingen. Ohne Zauberei. Ich hatte zwei, drei Boten ausgeschickt, zu hören, wie dir's ginge? Auf die Nachricht von ihrem Meineid macht ich mich auf den Weg. Nun haben wir sie.
Götz. Ich verlange nichts als ritterliche Haft.
Sickingen. Du bist zu ehrlich. Dich nicht einmal des Vorteils zu bedienen, den der Rechtschaffene über den Meineidigen hat! Sie sitzen im Unrecht, wir wollen ihnen keine Kissen unterlegen. Sie haben die Befehle des Kaisers schändlich mißbraucht. Und wie ich Ihro Majestät kenne, darfst du sicher auf mehr dringen. Es ist zu wenig.
Götz. Ich bin von jeher mit wenigem zufrieden gewesen.
Sickingen. Und bist von jeher zu kurz gekommen. Meine Meinung ist: sie sollen deine Knechte aus dem Gefängnis und dich zusamt ihnen auf deinen Eid nach deiner Burg ziehen lassen. Du magst versprechen, nicht aus deiner Terminei zu gehen, und wirst immer besser sein als hier.
Götz. Sie werden sagen: Meine Güter seien dem Kaiser heimgefallen.
Sickingen. So sagen wir: Du wolltest zur Miete drin wohnen, bis sie dir der Kaiser wieder zu Lehn gäbe. Laß sie sich wenden wie Aale in der Reuse, sie sollen uns nicht entschlüpfen. Sie werden von Kaiserlicher Majestät reden, von ihrem Auftrag. Das kann uns einerlei sein. Ich kenne den Kaiser auch und gelte was bei ihm. Er hat immer gewünscht, dich unter seinem Heer zu haben. Du wirst nicht lang auf deinem Schlosse sitzen, so wirst du aufgerufen werden.
Götz. Wollte Gott bald, eh ich 's Fechten verlerne.
Sickingen. Der Mut verlernt sich nicht, wie er sich nicht lernt. Sorge für nichts! Wenn deine Sachen in der Ordnung sind, geh ich nach Hof, denn meine Unternehmung fängt an reif zu werden. Günstige Aspekten deuten mir:»Brich auf!«Es ist mir nichts übrig, als die Gesinnung des Kaisers zu sondieren. Trier und Pfalz vermuten eher des Himmels Einfall, als daß ich ihnen übern Kopf kommen werde. Und ich will kommen wie ein Hagelwetter! Und wenn wir unser Schicksal machen können, so sollst du bald der Schwager eines Kurfürsten sein. Ich hoffte auf deine Faust bei dieser Unternehmung.
Götz (besieht seine Hand). Oh! das deutete der Traum, den ich hatte, als ich tags darauf Marien an Weislingen versprach. Er sagte mir Treu zu, und hielt meine rechte Hand so fest, daß sie aus den Armschienen ging, wie abgebrochen. Ach! Ich bin in diesem Augenblick wehrloser, als ich war, da sie mir abgeschossen wurde. Weislingen! Weislingen!
Sickingen. Vergiß einen Verräter. Wir wollen seine Anschläge vernichten, sein Ansehn untergraben, und Gewissen und Schande sollen ihn zu Tode fressen. Ich seh, ich seh im Geist meine Feinde, deine Feinde niedergestürzt. Götz, nur noch ein halb Jahr!
Götz. Deine Seele fliegt hoch. Ich weiß nicht; seit einiger Zeit wollen sich in der meinigen keine fröhlichen Aussichten eröffnen. — Ich war schon mehr im Unglück, schon einmal gefangen, und so, wie mir's jetzt ist, war mir's niemals.
Sickingen. Glück macht Mut. Kommt zu den Perücken! Sie haben lang genug den Vortrag gehabt, laß uns einmal die Müh übernehmen. (Ab.)
Adelheidens Schloß
Adelheid. Weislingen.
Adelheid. Das ist verhaßt!
Weislingen. Ich hab die Zähne zusammengebissen. Ein so schöner Anschlag, so glücklich vollführt, und am Ende ihn auf sein Schloß zu lassen! Der verdammte Sickingen!
Adelheid. Sie hätten's nicht tun sollen.
Weislingen. Sie saßen fest. Was konnten sie machen? Sickingen drohte mit Feuer und Schwert, der hochmütige jähzornige Mann! Ich haß ihn. Sein Ansehn nimmt zu wie ein Strom, der nur einmal ein paar Bäche gefressen hat, die übrigen folgen von selbst.
Adelheid. Hatten sie keinen Kaiser?
Weislingen. Liebe Frau! Er ist nur der Schatten davon, er wird alt und mißmutig. Wie er hörte, was geschehen war, und ich nebst den übrigen Regimentsräten eiferte, sagte er:»Laßt ihnen Ruh! Ich kann dem alten Götz wohl das Plätzchen gönnen, und wenn er da still ist, was habt ihr über ihn zu klagen?«Wir redeten vom Wohl des Staats.»Oh!«sagt' er,»hätt' ich von jeher Räte gehabt, die meinen unruhigen Geist mehr auf das Glück einzelner Menschen gewiesen hätten!»
Adelheid. Er verliert den Geist eines Regenten.
Weislingen. Wir zogen auf Sickingen los. — »Er ist mein treuer Diener«, sagt' er;»hat er's nicht auf meinen Befehl getan, so tat er doch besser meinen Willen als meine Bevollmächtigten, und ich kann's gutheißen, vor oder nach.»
Adelheid. Man möchte sich zerreißen.
Weislingen. Ich habe deswegen noch nicht alle Hoffnung aufgegeben. Er ist auf sein ritterlich Wort auf sein Schloß gelassen, sich da still zu halten. Das ist ihm unmöglich; wir wollen bald eine Ursach wider ihn haben.
Adelheid. Und desto eher, da wir hoffen können, der Kaiser werde bald aus der Welt gehn, und Karl, sein trefflicher Nachfolger, majestätischere Gesinnungen verspricht.
Weislingen. Karl? Er ist noch weder gewählt noch gekrönt.
Adelheid. Wer wünscht und hofft es nicht?
Weislingen. Du hast einen großen Begriff von seinen Eigenschaften; fast sollte man denken, du sähest sie mit andern Augen.
Adelheid. Du beleidigst mich, Weislingen. Kennst du mich für das?
Weislingen. Ich sagte nichts dich zu beleidigen. Aber schweigen kann ich nicht dazu. Karls ungewöhnliche Aufmerksamkeit für dich beunruhigt mich.
Adelheid. Und mein Betragen?
Weislingen. Du bist ein Weib. Ihr haßt keinen, der euch hofiert.
Adelheid. Aber ihr?
Weislingen. Er frißt mir am Herzen, der fürchterliche Gedanke! Adelheid!
Adelheid. Kann ich deine Torheit kurieren?
Weislingen. Wenn du wolltest! Du könntest dich vom Hof entfernen.
Adelheid. Sage Mittel und Art. Bist du nicht bei Hofe? Soll ich dich lassen und meine Freunde, um auf meinem Schloß mich mit den Uhus zu unterhalten? Nein, Weislingen, daraus wird nichts. Beruhige dich, du weißt, wie ich dich liebe.
Weislingen. Der heilige Anker in diesem Sturm, solang der Strick nicht reißt. (Ab.)
Adelheid. Fängst du's so an! Das fehlte noch. Die Unternehmungen meines Busens sind zu groß, als daß du ihnen im Wege stehen solltest. Karl! Großer trefflicher Mann, und Kaiser dereinst! und sollte er der einzige sein unter den Männern, dem der Besitz meiner Gunst nicht schmeichelte? Weislingen, denke nicht mich zu hindern, sonst mußt du in den Boden, mein Weg geht über dich hin.