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»Überlegen Sie doch maclass="underline" Die Beweismittel, die wir im Mordfall von Ms Montera gesehen haben, haben zu nichts geführt.«

»Aber es kommen immer noch neue Indizien herein. Das Verbrechen hat sich erst vor sechsunddreißig Stunden ereignet.«

»Umso mehr Grund, dass wir uns beeilen. Es kann noch einmal sechsunddreißig Stunden dauern, bis die Polizei in Miami Beach ihre Laborarbeiten beendet hat. Es könnten weitere Morde im Anzug sein.«

»Bei allem Respekt, Agent Pendergast, so ermittelt das Bureau nicht in so einem Fall. Die Tat ist in Miami begangen worden. Hier haben wir nach dem Mörder zu suchen, vor allem dann, wenn er womöglich erneut zuschlägt.«

Einen Moment lang schwieg Pendergast. Dann trank er nachdenklich einen Schluck von seinem Mint Julep. »Ich hatte befürchtet, dass Sie das sagen. Aber es besteht ein großer Unterschied zwischen dem Suchen nach einem Mörder und dessen Finden. Wer weiß denn schon, wo er wieder zuschlägt? Das nächste Hier, wenn es denn eines gibt, kann Alaska sein. Nein, der beste Ort, um seine Spur aufzunehmen, ist der Anfang: der Selbstmord von Elise Baxter. Wir müssen handeln wie David Livingstone – nach der Quelle unseres Nils suchen.«

»Hübscher Vergleich. Aber selbst wenn ich Ihnen zustimmen würde, gäbe es da ein Problem.«

Agent Pendergast nahm die übereinandergeschlagenen Beine auseinander. »Ich vermute, Sie spielen auf unseren gemeinsamen Freund Pickett an.«

Coldmoon nickte.

»Bitte entschuldigen Sie, aber ich bin es nicht gewohnt, an die Leine gelegt zu werden.« Pendergast trank noch einen kleinen Schluck. »Na, war ja nur ein Vorschlag. Vielleicht sollten Sie ihn anrufen und umgehend seine Ablehnung einholen. Zu einem späteren Zeitpunkt würde es mir den Appetit fürs Abendessen verderben.«

Einen Augenblick lang blickte sich Coldmoon um, betrachtete das Äußere der Cabana. Dann zog er sein Mobiltelefon aus der Hosentasche, wählte und stellte leise auf Mithören.

Der Anruf wurde beim dritten Klingeln angenommen. »Pickett.«

»Sir, hier spricht SA Coldmoon. SA Pendergast hört zu.«

»Meinetwegen. Gibt’s Fortschritte?«

Coldmoon verschwendete keine Zeit, er kam sofort zur Sache. »Sir, Agent Pendergast ist der Meinung, wir sollten nach Maine fliegen.«

»Maine? Wozu das?«

In einer geschmeidigen Bewegung kickte Pendergast seine Schuhe auf den gefliesten Boden. »Sir«, sagte er und beugte sich in Richtung Handy, »ich glaube, die örtlichen Behörden haben die Ermittlungen hier gut im Griff, und ich würde gerne untersuchen, ob es eine Verbindung zwischen den beiden Frauen gibt.«

»Verbindung? Nach allem zu urteilen, was ich gelesen habe, hat der Mörder die Grabstätte rein zufällig ausgewählt.«

»Wie können wir da sicher sein?«

»Welche Verbindung könnte es denn überhaupt geben?«, fragte Pickett ungeduldig.

»Das wissen wir noch nicht. Ich habe den Antrag gestellt, Ms Baxters Leichnam zu exhumieren, aber ihre Eltern sperren sich dagegen. Und –«

»Was mich gar nicht wundert. Was wollen Sie eigentlich damit andeuten? Dass es sich gar nicht um Selbstmord handelt? Dass sie ermordet wurde? Ist das Ihre ›Verbindung‹?«

»Wie gesagt, das können wir unmöglich wissen – es sei denn, wir nehmen eine Exhumierung vor.«

»Alles, was Sie wissen müssen, steht im abschließenden Gutachten des Rechtsmediziners. Hören Sie auf, sich auf diesen Suizid zu konzentrieren, und vergessen Sie die Idee einer zweiten Obduktion. Sie haben einen Mord zu untersuchen, der in Miami stattgefunden hat. Haben Sie schon mit der Familie der Toten gesprochen, wie hieß sie noch gleich – Montoya?«

»Montera. Nein, noch nicht. Agent Coldmoon und ich haben jedoch die Abschriften ihrer Befragungen durch die Polizei Miami Beach gelesen, und die sind –«

»Offen gesagt, Agent Pendergast, ist das mal wieder eine Ihrer völlig unberechenbaren Aktionen, und das bereitet mir Sorgen. So wie das Chartern eines Privatjets, um zwölf Stunden vor allen anderen da unten in Miami einzutreffen.«

Eine Pause. Pendergast schwieg.

»Selbst wenn Sie recht hätten, Priorität hat eindeutig, dass Sie in dem jüngsten Mordfall ermitteln – nicht bezüglich eines Selbstmords, der vor einem Jahrzehnt und zweitausend Kilometer entfernt stattgefunden hat. Ich kann das schlicht nicht absegnen. Sie können sich sämtliche Akten, die Sie benötigen, aus Maine zuschicken lassen. Wenn Sie irgendwas finden, dann können Sie da hinfliegen.«

»Die Maine-Akten dürften nutzlos sein –«

»Agent Pendergast, es handelt sich hier um Ermittlungen, die ausnahmsweise mal nach Vorschrift durchgeführt werden. Also –«

»Sir«, unterbrach Coldmoon. »Ich stimme Agent Pendergast zu.«

Eine Weile war es totenstill in der Leitung. Und dann sagte die Stimme aus New York: »Tatsächlich?«

»Die Polizei Miami Beach scheint sehr gründlich vorzugehen, unter großer Mithilfe seitens der Polizei Miami. Aber es bietet sich hier eine einmalige Gelegenheit. Meiner Ansicht nach sollten wir die nutzen, um diese interessanten Denkansätze weiterzuverfolgen.«

»Aber ich habe Ihnen doch eben gesagt, dass das Opfer und die Grabstätte durchaus zufällig ausgewählt worden sein könnten.«

»Ich stimme Ihnen zu, dass in dem einen Fall die Entscheidung höchstwahrscheinlich zufällig gefallen ist, Sir«, sagte Coldmoon. »Aber ich finde nicht, dass wir davon ausgehen sollten, dass dies auf beide Fälle zutrifft. Der Brief scheint speziell an Baxter adressiert zu sein.«

Die nächste Pause zog sich noch länger hin. »Sie fliegen gleich morgen früh«, sagte Pickett knapp. »Und Sie werden eine kommerzielle Fluggesellschaft nutzen. Aber vor Ihrem Abflug werden Sie noch die Familie Montera vernehmen, und zwar persönlich.«

»Verstanden, Sir.«

»Noch etwas, Agent Coldmoon: Ich möchte keine Bodentruppen länger als vierundzwanzig Stunden in Maine stationiert haben. Und hinterher fliegen Sie umgehend nach Florida zurück.« Ein Klicken, dann war die Leitung unterbrochen.

Pendergast sah zu Coldmoon. »Ich dachte, Sie stimmen mit meinem Vorschlag nicht überein.«

»Wer sagt das?«

»Warum haben Sie dann –?«

»Ich gehe mit meinem Partner.«

»Agent Coldmoon, ich glaube, in Ihnen schlummern unerwartete Qualitäten.«

Coldmoon zuckte mit den Schultern. Dann hob er die Hand, um einen vorbeigehenden Kellner auf sich aufmerksam zu machen. »Bringen Sie mir bitte eine Flasche Grain Belt. Zimmertemperatur, nicht gekühlt.« Er lehnte sich in seinem Liegestuhl zurück und verschränkte die Hände. »Da wir jetzt mutmaßlich dienstfrei haben, habe ich wohl doch Durst.«

8

No puedo dormir«, sagte Mrs Montera und tupfte sich die Augen mit einem zerschlissenen Taschentuch trocken. Seit Coldmoon eine Stunde zuvor in der kleinen Wohnung in der Southwest Eleventh Terrace eingetroffen war, hatte sie sich praktisch ununterbrochen die Augen trocken getupft. Die Sonne war untergegangen und tauchte alles in ein pinkfarbenes Licht. Jetzt saßen sie alle zusammen um den viel benutzten Küchentisch: Coldmoon, die korpulente Mrs Montera und die beiden verbliebenen Kinder, Nicolás und Aracela.

Coldmoon war ein paarmal fälschlicherweise für einen Latino gehalten worden, aber er konnte kein Spanisch, und in der Kultur der Kubaner in Miami kannte er sich noch weniger aus. Deshalb war er erleichtert, dass ihn die Familie Montera trotz der zahlreichen Detectives, die früher am Tag in der Wohnung gewesen waren, hineingelassen, geduldig seine Fragen beantwortet und ihm angeboten hatte, mit ihnen zu Abend zu essen. Nachdem er einmal, zweimal abgelehnt hatte, ließ er sich schließlich Congris und Tamales servieren.

Noch nie war er in einer Wohnung gewesen, die in derart vielen verschiedenen hellen Farben gestrichen war – und auch in keiner mit so vielen deutlich sichtbaren Kruzifixen und Statuetten. Verglichen damit, wirkte sein Elternhaus geradezu monochrom. Die Wohnung war klein, aber sauber, und er spürte den Stolz der Familie auf die kleinsten Details: die Art, wie die Bratpfannen auf einem Regal über dem Küchentresen gestapelt waren, an der makellosen Sammlung verblichener Fotos längst verstorbener Familienangehöriger. Mrs Monteras Eltern, alt und gebrechlich, schliefen beide, erschöpft von ihrem Kummer, in einem Zimmer im hinteren Bereich der Wohnung. Coldmoon hatte auch nicht darum gebeten, mit ihnen zu sprechen. Er war in der Oglala-Tradition des Tiospaye groß geworden und wollte sich deshalb der Großfamilie von Felice Montera auf keinen Fall aufdrängen. Außerdem ahnte er ohnehin, dass sie ihm nichts Wichtiges zu erzählen hätten.