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»Pickett hat sich geweigert – mal wieder.«

»Damit ist Ihre Idee wohl begraben.«

»Ganz im Gegenteil. Ich leite diese Ermittlung, und in dieser Funktion bin ich befugt, Baxter zu exhumieren – trotz Pickett und gegen die Wünsche der Eltern.«

»Ist das Ihr Ernst? Das ist direkte Insubordination.«

Zu Coldmoons riesengroßer Überraschung lächelte Pendergast. »Sie werden noch lernen – falls Sie das nicht bereits getan haben –, dass die Unbotmäßigkeit im Leben nicht nur notwendig, sondern bisweilen auch beglückend ist.«

Später am Abend – er saß allein in seinem Hotelzimmer – erhielt Coldmoon die Nachricht, die er sowohl erwartet als auch gefürchtet hatte: Rufen Sie mich sofort an.

Er tätigte den Anruf, wischte gleichzeitig die leeren Twinkies-Hüllen vom Bett – und merkte, dass Pickett total wütend war. »Coldmoon? Ich warte schon seit meinem Gespräch mit Pendergast darauf, von Ihnen zu hören.«

Fakt war, dass Coldmoon schon den ganzen Nachmittag vorgehabt hatte, ebendiesen Anruf zu tätigen. Er wusste ja, dass er Pickett über Pendergasts Absichten informieren musste. Und er hatte jeden Grund, das auch zu tun. Pendergasts Idee war nichts weiter als ein neuer hirnrissiger Plan, der nichts bringen und in einem Fiasko enden würde. Ihm fiel Picketts Warnung ein: Sie sind ein vielversprechender Agent. Sie haben es bereits weit gebracht, obwohl die Chancen verdammt schlecht standen. Ich bewundere Ihren Ehrgeiz. Aber Sie haben hier mehr zu verlieren als alle anderen.

»Sir, ich –«, begann Coldmoon.

»Sie müssen mir nichts erklären.« Picketts Tonfall klang ein wenig sanfter. »Schauen Sie, ich weiß ja, Sie stecken in einer schwierigen Lage. Ich verstehe das doch: Loyalität gegenüber Ihrem Partner und all das. Aber als wir uns das letzte Mal unterhielten, haben Sie mir gesagt, ein Sturm sei im Anzug – und jetzt glaube ich, ich weiß, worum es dabei geht. Haben Sie das abschließende Obduktionsgutachten aus North Carolina über diesen letzten Selbstmord erhalten? Wie hieß die Frau noch gleich – Mary Adler?«

»Noch nicht. Die Leute da haben offenbar Schwierigkeiten, das Gutachten zu finden. Irgendwas von wegen einer Verwechslung, als alles digitalisiert wurde.«

»Pendergast strebt also eine Exhumierung an, entgegen meinen Anweisungen. Ist das richtig?«

»Ja.«

»Hab ich’s doch gewusst. Also, versuchen Sie nicht, ihm das auszureden. Haben Sie mich verstanden?«

Coldmoon gab keine Antwort.

»Schauen Sie. Das geht alles auf seine Kappe – nichts wird auf Sie als seinen Juniorpartner zurückfallen. Wegen dieser eindeutigen Unbotmäßigkeit kann ich mir den Kerl vom Leibe halten und in irgendein nettes ruhiges Kaff im Mittleren Westen versetzen – und dann werden Sie der Seniorpartner in diesem Fall sein. Machen Sie also einfach mit bei seinem Projekt – ja?«

Coldmoon schluckte. »Na gut.«

25

Die Exhumierung von Elise Baxter verlief zwar nicht ganz so katastrophal wie die von Agatha Flayley, präsentierte jedoch ganz eigene Schwierigkeiten. Sie war auf sechs Uhr morgens angesetzt, damit die regulären Öffnungszeiten nicht gestört wurden, und als Coldmoon aufwachte, hörte er die Regentropfen gegen das Fenster seines Hotelzimmers prasseln. Der Boden auf dem Bayside-Friedhof war nach den wolkenbruchartigen Regenfällen so durchweicht, dass die Grube trotz aller Vorkehrungen – Hightech-Hub-Geräte, wasserfeste Planen, ein temporäres Zelt über der Arbeitsstätte – allmählich voll Wasser lief. Am Ende glitt Coldmoon auch noch aus in dem Modder, wodurch er seinen Walmart-Anzug ruinierte. Und als man den Sarg schließlich hinten in den Leichenwagen geschoben hatte, bot auch Pendergast einen erschreckenden Anblick: der schwarze Anzug durchnässt, Schuhe und Hosenbeine von Matsch verdreckt, mit Schlammschlieren im Gesicht, sodass es fast aussah, als wäre er selbst die frisch exhumierte Leiche. Was aber noch schlimmer war: Pendergast bestand darauf, den Sarg bis zur Gerichtsmedizin zu begleiten und sofort mit der Obduktion zu beginnen, ohne dass Zeit zum Umziehen blieb. Aus irgendeinem Grund hatte er es unglaublich eilig. Coldmoon, der sich schuldiger fühlte als erwartet, fragte sich, ob womöglich irgendein sechster Sinn Pendergast zugeflüstert hatte, dass er geradewegs in eine Situation geriet, in der er verraten werden würde.

Als sie in dem im Kellergeschoss gelegenen Eingangsbereich der Gerichtsmedizin ankamen, trommelte der Regen immer noch auf das Dach des Leichenwagens. Die Mitarbeiter gingen rasch zu Werke, sie zogen den Sarg aus dem Leichenwagen, hoben ihn auf ein elektrisches Rollgestell und schoben es zu einer speziellen Eingangsrampe, wuschen und säuberten den Sarg, öffneten ihn schließlich und legten den Leichnam auf eine Rolltrage. Der gesamte Vorgang nahm weniger als eine halbe Stunde in Anspruch. Coldmoon sah fasziniert zu, wie reibungslos alles lief. Zudem war die Leiche Elise Baxters das Gegenteil von Flayleys. Abgesehen davon, dass sie eine sonderbare Farbe hatte, sah es aus, als wäre die Frau erst eine Woche zuvor verstorben.

Sie gingen hinter den sterblichen Überresten in die gerichtsmedizinische Abteilung und betraten einen der Obduktionssäle. Sobald sie in dem Raum standen, drehte sich Pendergast zu Coldmoon. »Ich habe im Voraus angerufen, um dafür zu sorgen, dass Dr. Fauchet die Leiche obduziert und nicht ihr Vorgesetzter Moberly.«

Coldmoon nickte zustimmend. Zwar wusste er nicht viel über forensische Pathologie, erkannte aber ein echtes Arschloch, wenn er einem begegnete.

Zwei Sektionsgehilfen bereiteten die Obduktion vor. Sie legten die Instrumente aus, machten die Videokamera bereit, schalteten die Lampen ein und schnitten die Bekleidung vom Leichnam. Ein starker Geruch nach Formalin, nasser Erde und vergammeltem Fleisch erfüllte den Raum. Das Ganze war absolut zum Scheitern verurteilt – aber das stimmte Coldmoon auch nicht glücklicher, wenn er bedachte, wie Pickett ihn dazu gebracht hatte, den Judas zu spielen. Einmal mehr rief er sich in Erinnerung, dass es Pendergast war, der offenbar seine Karriere unbedingt durch offene Unbotmäßigkeit sabotieren wollte. Dagegen war nichts zu machen. Aber er, Coldmoon, hatte zu hart für seinen Aufstieg gearbeitet, obwohl seine Chancen ziemlich schlecht standen, als dass er jetzt berufliches Harakiri begehen wollte.

Als der Leichnam bereit war, ging die Tür auf, und Fauchet betrat den Raum.

»Meine Herren«, sagte sie und nickte knapp. »Erinnern wir uns an die Regeln?«

»In der Tat, Dr. Fauchet«, sagte Pendergast und machte einen höflichen Diener.

»Dann fange ich jetzt an.«

Als Erstes startete sie eine längere und präzise Beschreibung des Leichnams, wobei sie die Sektionsgehilfen anwies, ihn umzudrehen und nochmals umzudrehen. Nachdem das erledigt war, hatte sie kaum mit dem Y-Schnitt begonnen, als die Tür sich öffnete und Moberly den Raum betrat, komplett angezogen im Kittel und mit Mundschutz und wieder vom Geruch nach Old Spice umweht.

»Ah, Charlotte. Ich freue mich, zu sehen, dass ich gerade rechtzeitig komme!« Er kam näher, dann wandte er sich Pendergast und Coldmoon zu. »Es gab da irgendein Kommunikationsproblem – die Nachricht, dass die Obduktion stattfindet, hat erst vor wenigen Minuten mein Büro erreicht. Ich habe ADC Pickett angerufen, er sagt, dass er die Obduktion nicht autorisiert habe. Wer hat das getan?«

»Ich habe die Ehre«, sagte Pendergast kühl.

»Nun, wie’s aussieht, sind Sie da uneins mit Ihrem Vorgesetzten, Agent Pendergast, aber das geht mich ja nichts an. Was mir Sorge bereitet, ist vielmehr, dass der Leiter der Gerichtsmedizin in einem wichtigen Fall wie diesem nicht hinzugezogen werden soll. Ja, mehr noch: Ich verstehe nicht, was Charlotte hier macht.«

»Ich habe speziell Dr. Fauchet gebeten, die Obduktion durchzuführen«, sagte Pendergast.