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»Klingt gut.« Coldmoon bemühte sich, seine Stimme nicht ganz so verschlafen klingen zu lassen. »Und? Was gefunden?«

»Die Teams sind zu etwa drei Viertel mit der Suche durch, und bislang haben wir drei mögliche Treffer gefunden. Mögliche ist hier das entscheidende Wort, darum wollte ich auch Dr. Fauchets Urlaub nicht zu dieser Stunde stören. Trotzdem, ich fand nicht, dass ich länger warten sollte, deshalb habe ich einen Beamten angewiesen, er soll die entsprechenden Fallakten in das, ähm, provisorische Büro Ihres Partners hinüberbringen, damit er sich die anschauen kann. Die Akten müssten innerhalb der nächsten Stunde dort ankommen. Der Beamte wird dort warten, bis Sie eintreffen.«

»Vielen Dank, Commander.«

»Gern geschehen«, sagte Grove und lachte. »Fühlt sich irgendwie gut an, wieder Leute herumzukommandieren. Am späten Nachmittag sollten wir fertig sein. Wenn’s irgendwelche neuen Akten gibt, bring ich sie selbst zu Ihnen rüber. Bis dahin bin ich unterwegs, Hinweisen nachgehen. Gibt nichts Besseres, als mit dem Titel Commander um sich zu werfen, wenn man die bürokratischen Vorschriften in einer Polizeibehörde in irgendeinem verschlafenen Nest umgehen will.«

Zwar hatte Coldmoon in der ersten Zeit gegenüber dem scheinbaren Schreibtischtäter Grove eine abschätzige Haltung eingenommen, musste jetzt aber zugeben, dass der Mann zu effizienter Arbeit fähig war – und auch keine Angst davor hatte, die Ärmel hochzukrempeln.

Nachdem er das Telefonat mit Grove beendet hatte, rief er Pendergast an – der sofort abnahm – und erstattete ihm Bericht. Anschließend ging er in die kleine Küche, um sich den Becher Kaffee zuzubereiten, den er unbedingt brauchte, bevor er sich an die Arbeit machen konnte. Er schüttete zusätzliche Löffel Kaffeemehl in eine Kaffeekanne, die zwei Tage auf der Warmhalteplatte gestanden hatte, dann duschte er und zog sich an. Er trank einen Becher, füllte seine Thermoskanne mit dem Rest, stieg in den Mustang und fuhr ins »Büro«. Er kam im selben Moment an wie der uniformierte Cop, schnappte sich den dicken Briefumschlag, der ihm überreicht wurde, und ging damit in die Wohnung. Pendergast war schon da, er saß in dem schattigen Zimmer und betrachtete die Wand mit den Landkarten. Er war ganz blass.

Er drehte sich um, als er hörte, dass Coldmoon hereinkam. »Ah«, sagte er, als er den Umschlag mit dem Stempel der Polizei Miami in Coldmoons Hand sah. »Mal sehen, was die Teams des guten Commander ausgegraben haben.«

Coldmoon riss den Umschlag auf, darin befanden sich drei Fallakten, zerfleddert, eselsohrig und nach Staub und vergilbtem Papier riechend. Er legte sie auf dem Tisch aus. »Sollen wir Fauchet bitten vorbeizukommen?«

»Zweifellos. Aber lassen Sie uns erst die hier durchsehen und Fauchet erst dann kontaktieren, wenn wir ihre Expertise tatsächlich benötigen. Sie hat ja schließlich Urlaub. Grove hat Ihnen versprochen, zum Abend hin noch mehr Akten zu bringen – vielleicht kann sie dann alle auf einmal durchgehen.«

Coldmoon nahm am Tisch Platz, Pendergast ebenso. Er nahm sich eine der Akten, schob eine andere Coldmoon hin und legte die dritte zur Seite.

»Waidmannsheil«, sagte Pendergast. »Oder, wie ein Freund bei der New Yorker Polizei gesagt hätte: Hängen Sie sich rein.«

Coldmoon goss sich aus der Thermoskanne Kaffee ein und merkte dabei, dass Pendergast etwas von ihm wegrückte. Er schlug seine Akte auf und fing an, sie durchzublättern. Darin wurde die kurze, traurige Geschichte einer gewissen Carmen Rosario erzählt, die aufgefunden wurde, während sie von einer Stange im begehbaren Kleiderschrank in ihrer Wohnung in El Portal hing. Die Fotos der Kriminaltechnik zeichneten ein Bild, mit dem er inzwischen allzu vertraut war: ein erdrosseltes Opfer, das einst attraktive Gesicht fleckig und aufgeschwemmt, die Augen starrend, die Zunge vorragend wie eine dicke Zigarre. Die Frau war zweiunddreißig, geschieden, keine Kinder, und hatte bis ein paar Wochen vor ihrem Tod als Kellnerin gearbeitet. Sie hatte eine Vorgeschichte, in der Drogen- und Alkoholmissbrauch eine Rolle spielten. Ihre Mutter war zwei Monate zuvor an Krebs gestorben.

Als Nächstes widmete er sich dem Gutachten des Gerichtsmediziners und blätterte es durch. Als er den Kopf hob, sah ihn Pendergast über den Tisch hinweg an. »Irgendwas Interessantes?«

»Sieht für mich nach echtem Selbstmord aus. Drogen, Alkohol, zerrüttete Familie.«

»Gibt’s ein toxikologisches Gutachten?«, fragte Pendergast.

»Spuren von Alkohol und Opioiden im Körper, aber nicht genug, um daran zu sterben.«

»Nein – nur ausreichend, dass sie ihre Hemmungen überwinden und etwas Unbedachtes tun konnte.«

»Das Muster der blauen Flecken passt zum Erhängen mit einem geknoteten Bettlaken. Der Gerichtsmediziner schreibt, dass das Zungenbein in der Mitte gebrochen war. Schlussfolgerung: Suizid durch Erhängen. Keine Hinweise auf einen Würgegriff.«

»Und die Röntgenaufnahmen?«

Coldmoon löste diese aus dem Rest des Gutachtens und hielt sie ins Licht. »Ich sehe da nur die eine Fraktur in der Mitte. Aber wissen Sie, wenn das hier die Röntgenaufnahme einer bestickten Satteldecke wäre, würde ich auch nicht mehr darauf erkennen.«

Er schob die Bilder hinüber, Pendergast nahm sie sich, warf einen kurzen Blick darauf, dann legte er sie beiseite. »Es scheint unwahrscheinlich, dass sie eine Kandidatin ist.«

Coldmoon schloss die Akte. »Wie sieht’s mit Ihrer Akte aus?«

»Ich bin mir nicht ganz sicher, warum Groves Team die markiert hat. Samantha Kazunov, eine dreiundzwanzigjährige Frau aus South Miami Heights. Gefunden im Bett, mit einem geknoteten Laken, das an einem der Bettpfosten befestigt war. Der Fall wurde ursprünglich als potenzieller Mord eingestuft, weil es Hinweise gab, dass eine andere Person am Tatort anwesend war. Diese andere Person hat sich am nächsten Tag bei der Polizei gemeldet. Laut dem Polizeiprotokoll hat die Frau angegeben, dass sie die Geliebte der Toten gewesen und diese an zufälligem autoerotischen Ersticken verstorben sei. Dies wurde gestützt durch die Position der Leiche und weitere Faktoren. Die Geliebte war im Schlafzimmer gewesen und hatte als ›Beobachterin‹ fungiert, um sicherzustellen, dass Kazunov die Dinge nicht zu weit trieb – was sie leider tat.«

»Würgen und streicheln«, sagte Coldmoon. »Der Toten ist dabei einer abgegangen.«

Pendergast schloss die Augen. »Agent Coldmoon, es gibt gewisse Ausdrücke, die so vulgär sind, dass man nur wünschen kann, sie nicht gehört zu haben.«

»Sorry.«

Pendergast öffnete die Augen. »Sie hat offenbar versucht, Kazunov zu retten. Wie auch immer, weder Selbstmord noch Mord. Erotisches Ersticken ist unter Männern verbreiteter als unter Frauen, gleichwohl kommt das bei beiden Geschlechtern vor. Da wir wissen, dass Mister Brokenhearts männlich sein muss, können wir, glaube ich, Kazunovs Ex-Geliebte gefahrlos als Tatverdächtige ausschließen. Wir können die beiden Akten an Dr. Fauchet weiterreichen, damit sie sich die einmal näher anschaut, aber ehrlich gesagt, bezweifle ich, dass es sich bei ihnen um das Opfer zero handelt, nach dem wir suchen.« Pendergast schloss die Akte und legte sie auf die von Carmen Rosario.

Gemeinsam blickten sie auf die eine noch nicht durchgesehene Akte auf dem Tisch.

Pendergast machte eine Geste. »Wollen wir?«

Coldmoon öffnete die dünne, olivfarbene Akte.

»Lydia Vance«, las Pendergast ab und nahm das Blatt mit der Zusammenfassung zur Hand. »Wohnhaft in Westchester. Einunddreißig, verheiratet mit John Vance, Feldwebel bei den Marines. Er hat die Leiche gefunden.« Er überflog die Seiten. »Als man sie vor fast genau zwölf Jahren gefunden hat, hing sie von einem Duschkopf, mit einem geknoteten Bettlaken um den Hals. Kein Abschiedsbrief.«

»Irgendwelche anderen Angehörigen?«

Pendergast blätterte in der Akte. »Keine Eltern, Geschwister oder Kinder aufgeführt.«

Coldmoon tippte den Namen in den Computer in der Nähe. »John Vance … ich bekomme eine ganze Menge Treffer für John Vances in Florida, aber keinen, der auf diese Adresse passt. Gibt es ein Obduktionsgutachten in der Akte?«