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Und das bedeutete, daß der Eindringling vielleicht gar nicht mehr lebte!

In ein paar Metern Entfernung hatte Mannon einer Schwester signalisiert, sich neben den Druckumschalter zu stellen. Eine plötzliche Rückkehr zum hudlarischen Normaldruck würde zwar die Heftigkeit einer auftretenden Blutung sofort vermindern, es Mannon jedoch gleichzeitig unmöglich machen, ohne schwere Handschuhe zu operieren. Und nicht nur das, die Drucksteigerung würde auch die Wucherung in die offene Operationswunde einsinken lassen, wodurch jeder weitere komplizierte Eingriff praktisch unmöglich wäre, da das in unmittelbarer Nähe liegende Herz zu starke Bewegungen verursachte. Unabhängig von der immer noch bestehenden Gefahr eines falschen Einschnitts, waren die Blutgefäße zur Zeit prall gefüllt, gut voneinander isoliert und relativ ruhig. Doch plötzlich passierte es. Leuchtendgelbes Blut spritzte so heftig heraus, daß es laut vernehmbar gegen Mannons Visier klatschte. Durch den enormen Blutdruck des Patienten peitschte die durchtrennte Ader wie ein losgelassener Miniaturgartenschlauch hin und her. Mannon bekam sie zwar zu fassen, doch glitt sie ihm wieder weg. Als er sie endlich mit den Fingern erwischt hatte und zudrückte, wurde der Strahl zunächst zu einem feinen, tanzenden Sprühregen und versiegte schließlich ganz. Die Schwester am Druckumschalter entspannte sich sichtlich, während eine andere Mannons Visier abwischte.

Als das Operationsfeld abgesaugt wurde, trat Mannon ein Stück zurück. In seinem schwitzenden und kreideweißen Gesicht, das wie zu einer Maske erstarrt war, funkelten seine Augen eigenartig durch das Visier hindurch. Alles war jetzt eine Frage der Zeit. Zwar waren Hudlarer widerstandsfähig, aber auch für sie gab es Grenzen, denn eine unendlich lange Dekompression konnten selbst sie nicht lange durchstehen. Körperflüssigkeit würde allmählich zur Hautöffnung fließen, lebenswichtige Organe in der Nähe belastet werden und der Blutdruck sogar noch mehr steigen. Sollte die Operation erfolgreich verlaufen, durfte sie nicht länger als dreißig Minuten dauern, und mehr als die Hälfte dieser Zeit war bereits nur für das Öffnen des Krankheitsherds verstrichen. Selbst wenn man die Wucherung entfernte, wurden dabei unwillkürlich tiefer liegende Blutgefäße in Mitleidenschaft gezogen, die mit großer Sorgfalt wieder zusammengenäht oder durch Schläuche verbunden werden mußten, bevor die Wunde geschlossen werden konnte.

Alle wußten, daß Schnelligkeit jetzt zwar oberstes Gebot war, aber Conway kam es plötzlich so vor, als würde er einen Film sehen, der immer schneller lief: Mannons Hände bewegten sich schneller, als Conway sie sich jemals zuvor hatte bewegen sehen. Und sie wurden immer schneller.

„Das gefällt mir nicht“, meldete sich O’Mara besorgt zu Wort. „Es sieht zwar ganz so aus, als ob er sein Selbstvertrauen wiedergefunden hat, aber noch wahrscheinlicher ist, daß er aufgehört hat, sich Sorgen zu machen — das heißt, um sich selbst. Um den Patienten macht er sich offensichtlich noch welche, obwohl er weiß, daß der Hudlarer kaum noch Überlebenschancen hat. Das Tragische daran ist, daß der Patient nie große Chancen hatte, wie mir Thornnastor erzählt hat. Wenn da nicht diese Störung durch Ihren hypothetischen Freund aufgetreten wäre, hätte sich Mannon nicht einmal allzu große Sorgen um das Ableben seines Patienten gemacht und den ganzen Vorfall als einen seiner äußerst seltenen Mißerfolge ad acta gelegt. Durch seine Fehler während der ersten Operation, war sein Selbstbewußtsein arg ramponiert worden, aber jetzt ist er.“

„Jemand anders hat ihn zu seinen Fehlern verleitet“, wandte Conway mit Bestimmtheit ein.

„Ach ja? Sie haben ja versucht, ihn davon zu überzeugen, aber mit welchem Erfolg?“ fauchte O’Mara zurück. Dann fuhr er in ruhigerem Ton fort: „Prilicla ist stark erregt, und sein Zittern wird mit jeder Minute schlimmer. Aber Mannon ist wenigstens ein ziemlich gefestigter Typ, jedenfalls war er das früher, und ich glaube nicht, daß er uns vor Abschluß der Operation zusammenbricht. Obwohl man bei diesen ernsthaften, selbstlosen Charakteren, deren Beruf ihr ganzes Leben ist, nur schwer sagen kann, was als nächstes passiert.“

„Hier Edwards“, meldete sich plötzlich eine neue Stimme. „Was ist los?“

„Nur zu, Conway“, sagte der Chefpsychologe. „Sie stellen jetzt die Fragen. Ich hab im Moment andere Dinge im Kopf.“

Die schwammige Wucherung war herausgeschnitten und entfernt worden. Aber um das zu schaffen, hatte man eine große Anzahl kleinerer Blutgefäße durchtrennen müssen, und diese wieder miteinander zu verbinden oder abzuklemmen würde viel schwieriger als alle vorhergehenden Arbeiten werden. Die durchtrennten Gefäßenden erneut weit genug in die Schläuche einzuführen, damit sie sich nicht noch einmal herauslösten, sobald die Blutzirkulation wiederhergestellt war, war ein schwieriges, sich wiederholendes und nervenaufreibendes Verfahren.

Es blieben nur noch zwölf Minuten. „Ich erinnere mich noch gut an Harrison“, erwiderte Edwards, nachdem ihm Conway erklärt hatte, was er wissen wollte. „Sein Anzug war nur an den Beinen beschädigt, deshalb konnten wir ihn nicht einfach wegwerfen — schließlich sind diese Dinger mit einer kompletten Werkzeug- und Überlebensausrüstung ausgestattet und entsprechend teuer. Und selbstverständlich haben wir den Anzug dekontaminiert. Die Vorschriften schreiben ausdrücklich vor, daß.“

„Der Anzug kann noch immer irgend etwas in sich getragen oder beherbergt haben, Major“, unterbrach ihn Conway ungeduldig. „Wie gründlich haben Sie diese Dekontaminierung durchgeführt.“

„Sehr gründlich“, antwortete der Major, der allmählich etwas verärgert klang. „Wenn am Anzug irgendeine Art von Bazillus oder Parasit gehangen hat, dann ist er spätestens während der Dekontaminierung eingegangen. Außerdem ist er inklusive sämtlicher Zubehörteile mit Hochdruckdampf im Sterilisationsraum desinfiziert worden. Er hat dasselbe Sterilisationsverfahren durchlaufen müssen wie Ihre chirurgischen Instrumente. Sind Sie jetzt zufrieden, Doktor?“

„Ja“, entgegnete Conway mit ruhiger Stimme. „Ja, das bin ich allerdings.“

Jetzt hatte er über Harrisons Anzug und den Sterilisationsraum die Verbindung zwischen dem Fleischkloß und dem OP hergestellt. Doch das war nicht alles, was er hatte. Jetzt hatte er auch „Yehudi“!

Neben ihm hatte Mannon gerade die Operation kurz unterbrochen. Die Hände des Chirurgen zitterten, und er sagte voller Verzweiflung: „Ich brauche ein Dutzend Hände oder irgendwelche Instrumente, die gleichzeitig ein Dutzend verschiedener Operationen durchführen können. Es läuft nicht gut, Conway. Gar nicht gut.“

„Machen Sie eine Minute lang gar nichts“, bat Conway ihn eindringlich und rief dann den Schwestern die Anweisung zu, nacheinander mit ihren Instrumententabletts an ihm vorbeizugehen. O’Mara fing an zu brüllen, weil er wissen wollte, was dort vor sich ginge, doch Conway konzentrierte sich zu stark, um ihm antworten zu können. Dann gab plötzlich eine der kelgianischen Schwestern einen Laut wie ein einatmendes Nebelhorn von sich — die DBLF-Entsprechung eines überraschten Aufschreis —, weil plötzlich zwischen den Zangen auf ihrem Tablett ein mittelgroßer Steckschlüssel lag.

„Sie werden es zwar nicht glauben“, sagte Conway erfreut, als er den Steckschlüssel zu Mannon brachte und ihm in die Hand legte, „aber wenn Sie mir nur eine Minute zuhören und anschließend genau das tun, was ich Ihnen sage, dann.“

Es war noch keine Minute verstrichen, da war Mannon bereits wieder bei der Arbeit.