„Es leckt jetzt wie ein Sieb!“ rief Conway aufgeregt. „Feuern Sie noch einen Magnetgreifer ab. Halten Sie die Rotation aufrecht, und bringen Sie uns schnell zu Schleuse dreißig! Wie geht’s dem Patienten?“
„Er ist jetzt zwar bei Bewußtsein“, antwortete der zitternde Prilicla, „aber nur schwach, und er strahlt maßlose Angst aus.“
Das noch immer rotierende Fahrzeug wurde jetzt in die riesige Öffnung von Schleuse dreißig manövriert. Die im Innern der Schleusenkammer unter Deck befindlichen Schwerkraftgitter waren auf null Ge geschaltet worden, um die Schwerelosigkeit des Weltraums zu reproduzieren. Conways Schwindelgefühle, die er bereits gehabt hatte, als ihm das Alienschiff/um erstenmal zu Augen gekommen war, wurden jetzt durch den Anblick des im geschlossenen Raum schwerfällig herumwirbelnden Flugkörpers noch verstärkt. Während sich das Schiff drehte, versprühte es nach allen Seiten kalte Wasserdampfstrahlen.
Als schließlich die Außenluke der Schleuse dröhnend zuschlug, bremsten die Traktorstrahlen die Drehung des Schiffs sanft ab, während man gleichzeitig die künstliche Schwerkraft auf dem Deck auf den Normalwert vom Fleischkloß einstellte. Binnen weniger Sekunden ruhte das Raumfahrzeug waagerecht auf dem Deck.
„Wie steht es mit dem Insassen?“ fragte Conway besorgt.
Prilicla antwortete: „Angst. nein, äußerste Besorgnis. Die Gefühlsausstrahlungen sind jetzt ziemlich intensiv. Andererseits scheint es ihm gutzugehen oder zumindest besser.“ Der Empath machte dabei den Eindruck, als würde er seinen eigenen Gefühlen nicht trauen.
Das Alienschiff wurde behutsam angehoben und ein langer, flacher Transportwagen mit Ballonreifen daruntergerollt. Aus der Verbindungsschleuse, die in den angrenzenden, mit Wasser gefüllten Hospitalabschnitt führte, begann Wasser in die Kammer zu strömen. Prilicla lief die Wand hoch und an der Decke entlang, bis er sich an der richtigen Stelle ein paar Meter über der Schiffsnase befand. Mannon, Harrison und Conway wateten und schwammen schließlich in die gleiche Richtung. Als sie die Schiffsnase erreichten, scharten sie sich um das Vorderteil, schnitten die dünne Außenhaut auf und zogen sie vorsichtig ab. Technische Mitarbeiter spannten derweil riesige Gurte um den Schiffskörper, mit denen er am Rollwagen befestigt wurde, um ihn in den nahegelegenen Korridor der Wasseratmer befördern zu können.
Conway bestand bei diesem Unternehmen auf äußerste Sorgfalt, um eine etwaige Beschädigung des Lebenserhaltungssystems des Alienschiffs zu vermeiden.
Allmählich war der vordere Teil nur noch wenig mehr als ein Gerippe, und der Astronaut kam zum Vorschein. Er sah aus wie eine lederne, braune Raupe, die mit dem Schwanz im Mund auf einem der innersten Zahnräder einer Riesenuhr hängengeblieben war. Das Alienschiff war mittlerweile völlig untergetaucht, und das Wasser wurde unaufhörlich mit Sauerstoff angereichert.
Laut Prilicla strahlte der Patient jetzt Gefühle von äußerster Besorgnis und Verwirrung aus.
„Und ob er völlig verwirrt ist…“, zischte eine wohlvertraute Stimme gereizt, und Conway bemerkte, daß O’Mara plötzlich neben ihm schwamm. Auf seiner anderen Seite übte sich Skempton in Hundepaddeln, sagte aber nichts. Der Psychologe fuhr fort: „Falls Sie es vergessen haben sollten, Doktor, handelt es sich hierbei um einen sehr wichtigen Patienten — deshalb unser großes persönliches Interesse. Aber warum nehmen Sie diesen besseren Wecker jetzt nicht einfach auseinander und holen den Patienten da raus? Sie haben jetzt Ihre Theorie bewiesen, daß er zum Leben Schwerkraft benötigt, und mit der versorgen wir ihn ja mittlerweile, also können wir ihn auch.“
„Nein, Sir!“ widersprach Conway energisch. „Jedenfalls jetzt noch nicht.“
„Offenbar gleicht die Drehung des Wesens in der Kapsel die Schiffsrotation aus“, unterbrach ihn der Colonel, „und ermöglicht so dem Piloten eine feststehende Sicht auf die Außenwelt.“
„Ich weiß es nicht“, entgegnete Conway verbissen. „Die Schiffsrotation entspricht nicht ganz der des Astronauten im Innern. Meiner Meinung nach sollten wir warten, bis wir ihn zu dem Riesenrad transportieren können, das die Kapselverhältnisse fast genau simuliert. Ich hab so eine vage Ahnung, daß wir noch nicht aus dem Schneider sind.“
„Aber das ganze Schiff auf die Station zu transportieren, wenn man den Patienten in einem Bruchteil der Zeit dorthin bringen kann, ist doch.“
„Nein“, widersprach Conway dem Colonel.
„Er ist der Arzt“, warf O’Mara ein, bevor sich der Streit ausweiten konnte. Dann lenkte er die Aufmerksamkeit des Colonels unmerklich auf das System aus Schaufelrädern, das die „Luftzirkulation“ des wasseratmenden Astronauten weiter aufrechterhielt.
Den riesigen Transportwagen, dessen Gewicht zu einem großen Teil von den luftgefüllten Ballonreifen im Wasser getragen wurde, schob man recht unsanft die Korridore entlang in das gewaltige Becken, das eine Kombination aus OP und Krankensaal für die wasseratmenden Patienten des Hospitals darstellte. Plötzlich trat eine weitere Komplikation auf.
„Doctor! Er kommt heraus!“
Einer der Männer, die um den vorderen Teil herumschwammen, mußte versehentlich den Knopf für den Auswurfmechanismus des Piloten betätigt haben, denn die schmale Luke sprang auf, und das System aus Getrieben, Zahnrädern und Kettenantrieben rutschte in eine neue Lage. Etwas, das wie drei Reifen mit einem Durchmesser von etwa anderthalb Metern aussah, rollte auf die Öffnung zu.
Der innerste der drei „Reifen“ war der Astronaut selbst, während die anderen beiden zu seinen Seiten ein metallisches Aussehen und eine Reihe von Schläuchen hatten, die von ihnen aus zum mittleren, organischen Reifen verliefen — wahrscheinlich Vorratsbehälter für Nahrung, wie Conway meinte. Seine Theorie bestätigte sich, als die Außenreifen genau in der Luke stoppten und der Alien, noch einen Versorgungsschlauch hinter sich herziehend, aus dem Schiff herausgerollt kam. Sich immer noch drehend sank er langsam auf den zweieinhalb Meter unter ihm liegenden Boden.
Harrison, der ihm am nächsten war, versuchte seinen Fall zu dämpfen, konnte aber nur mit einer Hand an ihn herankommen. Das Wesen drehte sich um die eigene Achse und schlug mit der Seite flach auf dem Boden auf. Es federte nur einmal langsam nach und blieb dann regungslos liegen.
„Er ist wieder bewußtlos, er stirbt! Schnell, Doktor Conway!“
Der normalerweise höfliche und zurückhaltende Empath hatte die Lautstärke seines Anzugfunks voll aufgedreht, um so besser die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Conway bestätigte mit einer Handbewegung — er schwamm bereits so schnell er konnte auf den zu Boden gesunkenen Astronauten zu — und schrie zu Harrison: „Richten Sie ihn auf, Mann! Rollen Sie ihn!“
„Was.?“ wollte Harrison fragen, schob aber trotzdem beide Hände unter den Alien und stemmte ihn hoch.
Mannon, O’Mara und Conway kamen gleichzeitig an. Zu viert hoben sie ihn schnell in eine aufrechte Position, doch als Conway seine drei Helfer versuchen ließ, den Alien zu rollen, eierte er wie ein durchweichter Riesenreifen und neigte dazu, sich in sich selbst zusammenzufalten. Prilicla landete unter großer Lebensgefahr direkt neben ihnen und betäubte ihre Ohren mit den Einzelheiten der emotionalen Ausstrahlung des Astronauten — die jetzt praktisch nicht mehr vorhanden war.
Conway brüllte den drei anderen die Anweisungen zu, den Alien auf Hüfthöhe zu heben, ihn dabei aufrecht zu halten und zu rollen. Binnen weniger Sekunden hatte er es geschafft, daß O’Mara auf der einen Seite nach unten zog, Mannon auf der anderen den Alien hochhob und der Lieutenant und er selbst den großen, schlaffen, ringförmigen Körper von beiden Seiten stützten und rollten.