Während er sich bereits zum Gehen wandte, antwortete O’Mara: „Sie wissen doch, daß ich nicht in der Öffentlichkeit esse — das würde sonst den Eindruck erwecken, ich sei ein ganz gewöhnlicher Mensch wie alle anderen auch. Außerdem werde ich wohl zu sehr damit beschäftigt sein, auch noch für eine zweite sogenannte intelligente Spezies eine Testreihe auszuarbeiten.“
Blutsbruder „Hierbei handelt es sich nicht um einen rein medizinischen Auftrag, Doktor“, sagte O’Mara, als Conway drei Tage später in das Büro des Chefpsychologen zitiert worden war, „obwohl das natürlich der Hauptaspekt bei dieser Angelegenheit ist. Sollten sich aus Ihren Problemen allerdings politische Komplikationen entwickeln, dann.“
„…werde ich mich von der überwältigenden Erfahrung der Kontaktspezialisten des weisen Monitorkorps leiten lassen“, beendete Conway den Satz.
„Ihr Tonfall, Doktor Conway, läßt unterschwellige Kritik an der großartigen Gruppe terrestrischer und extraterrestrischer Wesen durchscheinen, der anzugehören ich die Ehre hab.“, entgegnete O’Mara.
Das dritte Lebewesen im Raum fuhr damit fort, gluckernde Laute von sich zu geben, während es sich schwerfällig wie eine große organische Gebetsmühle drehte, ansonsten jedoch nichts sagte.
„…aber wir vertrödeln nur unsere Zeit“, fuhr O’Mara fort. „Sie haben noch zwei Tage, bis Ihr Schiff zum Fleischkloß abfliegt. Zeit genug, wie ich meine, um ein paar offenstehende persönliche oder berufliche Probleme in Ordnung zu bringen. Außerdem sollten Sie sich lieber so eingehend wie möglich mit den Einzelheiten dieses Projekts befassen, solange Sie das noch in einer angenehmen Arbeitsumgebung tun können.
Ich hab mich, wenn auch nur widerwillig, dazu entschlossen, Doktor Prilicla von diesem Auftrag auszuschließen — für ein Wesen, das so überempfindlich auf emotionale Ausstrahlungen reagiert, daß es praktisch schon in sich zusammenbricht oder gar stirbt, sobald jemand nur etwas Böses über ihn denkt, ist der Fleischkloß sicherlich nicht gerade der geeignete Ort für einen Sanatoriumsaufenthalt. Statt dessen bekommen Sie hier unseren neuen Freund Surreshun als Begleiter, der sich freiwillig gemeldet hat, für Sie den Führer und Berater zu spielen — obwohl mir schleierhaft ist, warum er das tut, wo wir ihn doch wirklich buchstäblich gekidnappt und fast umgebracht haben.“
„Ich tue das, weil ich so unerschrocken und großmütig und versöhnlich bin“, erklärte Surreshun mit seiner ausdruckslosen Translatorstimme. Während er sich fortwährend drehte, fügte er hinzu: „Ich bin auch umsichtig und uneigennützig und denke dabei allein an das Wohl unserer beiden Spezies.“
„Ja“, erwiderte O’Mara, wobei er auf eine bewußt neutrale Ausdrucksweise achtete. „Völlig uneigennützig ist unsere Absicht allerdings nicht. Wir wollen die medizinischen Bedürfnisse auf Ihrem Heimatplaneten mit dem Vorsatz untersuchen und einschätzen, um auf diesem Gebiet Hilfe zu leisten. Da wir ebenfalls großmütig, uneigennützig und. und mit hohen moralischen Werten ausgestattet sind, verlangen wir für diese Hilfe natürlich keine Gegenleistung. Sollten Sie sich allerdings bereit erklären, uns eine Anzahl dieser Instrumente — dieser quasi lebenden Instrumente, Werkzeuge oder wie immer man diese Dinger nennen will — zur Verfügung zu stellen, die von Ihrem Planeten stammen, dann.“
„Aber Surreshun hat uns doch schon erzählt, daß seine Spezies diese Geräte nicht benutzt.“, unterbrach ihn Conway.
„Und ich glaube ihm das auch“, entgegnete O’Mara. „Aber wir wissen, daß sie von seinem Heimatplaneten stammen, und es ist Ihre Aufgabe — eine Ihrer Aufgaben, Doktor — die Wesen ausfindig zu machen, die sie benutzen. Und jetzt, falls keiner mehr weitere Fragen hat.“
Kurz darauf befanden sie sich auf dem Korridor. Conway sah auf seine Uhr und sagte: „Zeit fürs Mittagessen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht, aber ich kann mit vollem Magen besser denken. Die Abteilung für Wasseratmer liegt nur zwei Ebenen über uns.“
„Es ist zwar sehr nett von Ihnen, mir dieses Angebot zu unterbreiten, aber ich bin mir dessen durchaus bewußt, wie unbequem es für Ihre Spezies ist, unter den Bedingungen meiner Umwelt zu essen“, antwortete Surreshun. „Mein Lebenserhaltungssystem enthält ein interessantes Nahrungsangebot. Außerdem kehre ich in zwei Tagen nach Hause zurück, und deshalb werden sich mir nicht mehr allzu viele Gelegenheiten bieten, vielfältige Umweltbedingungen zu erleben oder Kontakte mit fremden Wesen zu schließen — obwohl ich natürlich, was das Wohlbefinden meiner Freunde angeht, absolut selbstlos und rücksichtsvoll bin. Ich würde es daher vorziehen, die Speiseeinrichtungen Ihrer warmblütigen Sauerstoffatmer zu benutzen.“
Conways Erleichterungsseufzer war unübersetzbar. Er entgegnete lediglich: „Nach Ihnen.“
Als sie die Kantine betraten, versuchte sich Conway zu entscheiden, ob er stehend wie ein Tralthaner essen oder einen mehrfachen Darmbruch auf einer melfanischen Folterbank riskieren sollte, denn die Tische für Terrestrier waren allesamt besetzt.
Conway wand sich also in einen melfanischen Stuhl hinein, während Surreshun, dessen Nahrungsvorrat in dem Wasser, das er atmete, suspendiert war, mit seinem mobilen Lebenserhaltungssystem so nah wie möglich am Tisch parkte. Conway wollte gerade bestellen, als sie gestört wurden. Thornnastor, der leitende Diagnostiker der Pathologie, kam herangetrampelt, richtete auf die beiden je ein Auge, während seine anderen zwei den Raum absuchten, und gab Geräusche wie ein modulierendes Nebelhorn von sich.
Die Klänge wurden wie gewöhnlich zum Übersetzungscomputer übertragen und in der üblichen tonlosen Translatorstimme zurückübersetzt und besagten: „Ich hab Sie hereinkommen sehen, Doktor Conway und Freund Surreshun, und mich gefragt, ob wir ein paar Minuten über Ihren Auftrag sprechen könnten — allerdings bevor Sie mit dem Essen beginnen.“
Wie alle seine tralthanischen Artgenossen war auch Thornnastor Vegetarier. Conway stand nun vor der Wahl, Salat zu essen — ein Nahrungsmittel, das er allenfalls Kaninchen zuzumuten meinte — oder, wie ihm sein Vorgesetzter nahegelegt hatte, auf sein Steak zu warten.
An den Tischen um sie herum beendeten einige Wesen ihr Mittagessen und begaben sich hinaus, indem sie ganz normal gingen, sich voranschlängelten oder, wie in einem Fall, flogen, und wurden durch eine ähnliche Mischung aus Extraterrestriern umgehend ersetzt. Thornnastor erörterte derweil Methoden, wie er am besten die Daten und Proben verarbeiten könnte, die Conway ihm später vom Fleischkloß schicken sollte, und er machte Vorschläge, wie diese planetenweite medizinische Untersuchung möglichst effizient durchzuführen war. Als derjenige, der für die Analyse dieser ungeheuren Menge eingehender Daten verantwortlich war, hatte er sehr feste Vorstellungen davon, wie dieser Auftrag seiner Ansicht nach am besten anzupacken war.
Doch schließlich entfernte sich der Pathologe wieder trampelnd, und Conway konnte sich endlich sein Steak bestellen und mehrere Minuten lang einen größeren chirurgischen Eingriff mit Messer und Gabel durchführen. Irgendwann bemerkte er, daß aus Surreshuns Translator ein tiefes, unregelmäßig brummendes Geräusch drang, das wahrscheinlich einem terrestrischen Räuspern entsprach.
„Haben Sie eine Frage?“ erkundigte sich Conway.
„Ja“, antwortete Surreshun. Er gab zunächst einen weiteren unübersetzbaren Laut von sich und fuhr dann fort: „Unerschrocken, einfallsreich und emotional ausgeglichen wie ich bin.“
„Und dazu noch so unbeschreiblich bescheiden“, fügte Conway grinsend hinzu.
„…kann ich mir dennoch nicht helfen, über den morgigen Besuch im Büro des Wesens O’Mara ein wenig besorgt zu sein. Genauer gefragt, wird es weh tun und irgendwelche seelischen Nachwirkungen haben?“
„Es tut kein bißchen weh und Folgen hat es auch keine“, beruhigte ihn Conway, dann erklärte er Surreshun das Verfahren, das angewandt wurde, um eine Gehirnaufnahme beziehungsweise ein Schulungsband zu erstellen, und fügte hinzu, die ganze Angelegenheit sei völlig freiwillig. Sollte allerdings allein die Vorstellung daran bereits seelische oder körperliche Schmerzen bei ihm auslösen, könnte er seine Meinung jederzeit ändern, ohne an Achtung zu verlieren. Doch erweise er dem Hospital einen großen Dienst, wenn er O’Mara gestatten würde, dieses Band aufzunehmen, da es ihnen ein umfassendes und wertvolles Wissen über die Welt und Gesellschaft Surreshuns vermittle.