Er blickte O’Mara direkt in die Augen, der wiederum nachdenklich auf den blutegelartigen Dramboner sah. Dieser hatte seinerseits eins der Augen in ein zur Decke ausgestrecktes Scheinfüßchen gesteckt, damit er sich die zerbrechliche, insektenartige Gestalt des Empathen Prilicla anschauen konnte. Prilicla selbst besaß genügend Augen, um überall gleichzeitig hinzusehen.
„Ist es nicht merkwürdig“, fragte auf einmal Colonel Skempton, „daß der eine Dramboner herzlos ist und der andere hirnlos zu sein scheint?“
„An hirnlose Ärzte bin ich ja gewöhnt“, entgegnete O’Mara trocken. „Ich verständige mich jeden Tag mit ihnen, im großen und ganzen sogar erfolgreich. Aber das ist doch nicht Ihr einziges Problem, Doktor, oder?“
Conway schüttelte den Kopf. „Ich hab ja bereits gesagt, daß wir eine kleine Anzahl sehr großer Patienten behandeln müssen. Selbst mit Unterstützung sämtlicher drambonischer Ärzte würde ich immer noch Hilfe benötigen, um das ganze Ausmaß des Leidens so genau wie möglich erfassen zu können — und ich meine damit die Erfassung durch Bildaufklärung — und auch um Bereiche unter der Oberfläche zu untersuchen. In diesem Maßstab sind Röntgenstrahlen unmöglich. Auch umfassende Bohroperationen, um tiefe Gewebeproben zu entnehmen, wären nur von geringem Nutzen, da die Bohrer lediglich kurze und unglaublich dünne Nadeln sein würden. Deshalb werden wir die erkrankten oder beschädigten Stellen persönlich untersuchen müssen, indem wir gepanzerte Bodenfahrzeuge und, wo möglich, Hände und Füße benutzen, die natürlich in schweren Anzügen stecken. Der Zutritt zu den befallenen Stellen erfolgt durch natürliche Körperöffnungen, und das Manöver wird viel schneller vonstatten gehen, wenn wir Hilfe von medizinisch ausgebildeten Wesen erhalten, die keinen Schutz durch gepanzerte Fahrzeuge oder Anzüge brauchen. Ich denke dabei an Spezies wie die Chalder, Hudlarer und Melfaner, die ja bereits gepanzert sind.
Von der Pathologie“, fuhr er fort und blickte zu Thornnastor hinüber, „hätte ich gern Vorschläge, wie man in diesem Fall eine Heilung nicht durch Medikamente, sondern durch einen chirurgischen Eingriff erzielen kann. Nach den gegenwärtigen Anzeichen ist das Leiden zum größten Teil Folge einer Strahlenverseuchung. Und während mir auf der einen Seite klar ist, daß wir heutzutage in der Lage sind, selbst fortgeschrittene Fälle atomarer Verseuchung medikamentös zu behandeln, kann es auf der anderen ohne weiteres sein, daß diese Behandlungsform an Patienten von dieser Größe nicht durchführbar ist. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß die für nur einen dieser Patienten benötigte Arzneimenge vielleicht den Gesamtausstoß dieses Medikaments von einem Dutzend unserer Planeten über viele Jahre hinweg bedeuten würde. Aus diesem Grund ist eine chirurgische Lösung unbedingt erforderlich.“
Skempton räusperte sich und sagte: „Ich begreife allmählich den Umfang Ihres Problems, Doktor. Ich werde mich an diesem Projekt durch die Organisation des Transports und die Versorgung Ihrer medizinischen Mitarbeiter beteiligen. Außerdem würde ich vorschlagen, ein komplettes Bataillon von Technikern mitzunehmen, die die Spezialausrüstung aufbauen und warten kann.“
„Das wäre allenfalls ein Anfang“, warf Conway ein.
Der Colonel entgegnete ein wenig kühclass="underline" „Natürlich werden wir Sie auch weiter bei allem unterstützen, was Sie.“
„Sie haben mich mißverstanden, Sir“, unterbrach ihn Conway. „Ich bin mir zwar nicht sicher, wieviel Hilfe wir zur Zeit wirklich brauchen, aber ich hab an die Größenordnung eines Untergeschwaders eines ganzen Sektors gedacht, das mit weitreichenden Lasern, die Oberfläche durchdringenden Torpedos, taktischen Nuklearwaffen — natürlich sauberen — und allen anderen Formen des Schreckens bewaffnet ist, die Sie sich vorstellen können. Diese Waffen und Hilfsmittel müssen sowohl massiert als auch punktuell eingesetzt werden können.
Wie Sie sehen, Colonel“, schloß Conway, „stellt ein chirurgischer Eingriff in diesem Maßstab eher eine militärische als eine chirurgische Operation dar.“ An O’Mara gewandt fügte er hinzu: „Das sind einige der Gründe für meine außerplanmäßige Rückkehr. Die restlichen sind weniger dringend und.“
„Können verdammt gut warten, bis das hier alles geklärt ist“, führte O’Mara den Satz zu Ende.
Kurz darauf löste sich die Versammlung auf, weil weder Surreshun noch Conway irgendwelche zusätzliche Informationen über den Planeten Drambo geben konnten, die nicht schon in den Korpsberichten erwähnt worden wären. O’Mara zog sich mit dem drambonischen Arzt in sein Büro zurück, Thornnastor und Skempton begaben sich wieder in ihre Unterkünfte. Edwards, Mannon, Prilicla und Conway gingen, nachdem sie sich nach Surreshuns Wohlergehen im Wassertank der AUGLs erkundigt hatten, zur Kantine für warmblütige Sauerstoffatmer, um neue Kräfte zu tanken. Die hudlarischen und melfanischen Ärzte begleiteten sie, um mehr über den Planeten Drambo zu erfahren und den anderen beim Essen zuzusehen — als ganz frische Neuzugänge des Hospitalpersonals, die noch auf der ersten Woge der Begeisterung schwammen, verbrachten sie fast jede freie Minute damit, fremdartige Wesen zu beobachten und sich mit ihnen zu unterhalten.
Conway kannte das Gefühl; er verspürte selbst auch noch immer diesen Drang. Doch war er heutzutage praktisch genug veranlagt, um die Begeisterung der Neuen nicht nur zu bewundern, sondern auch zu benutzen.
„Die Chalder sind so widerstandsfähig und beweglich, daß sie sich gegen die einheimischen Raubtiere behaupten können“, sagte Conway, als sie sich um einen für tralthanische FGLIs gebauten Tisch verteilten — die Tische für terrestrische DBDGs waren alle besetzt, und zwar von Kelgianern — und ihre Bestellungen aufgaben. „Die Melfaner bewegen sich auf dem Meeresboden sehr schnell, und Ihre Beine, die hauptsächlich aus Knochensubstanz bestehen, sind gegen die giftigen Dornen- und Stachelpflanzen gefeit, die auf dem Meeresgrund wachsen. Und Sie als Hudlarer brauchen sich trotz Ihrer relativ trägen Fortbewegungsart allenfalls vor panzerbrechenden Granaten zu fürchten, zudem ist das Wasser auf dem ganzen Planeten voll von pflanzlichem und tierischem Leben, das praktisch nur darauf wartet, sich an jede glatte Fläche zu heften, so daß Sie Ihre Spezialgeräte zum Aufsprühen von Nahrung wegwerfen und vollkommen vom Meer leben können.“
„Das klingt ja wie der Himmel auf Hudlar“, entgegnete der Hudlarer, und wegen seiner ausdruckslosen Translatorstimme konnte man unmöglich sagen, ob er das ironisch gemeint hatte oder nicht. „Aber wir werden eine große Anzahl Ärzte aller drei Spezies benötigen — viel zu viele, als daß sie allein vom Hospital gestellt werden könnten, selbst wenn man sämtlichen Mitarbeitern gestatten würde, sich freiwillig zu melden.“
„Wir werden allein Hunderte Ihrer Spezies benötigen“, antwortete Conway, „und der Planet ist selbst für Hudlarer kein Paradies. Andererseits hab ich gedacht, gibt es vielleicht Ärzte — junge, noch rastlose, frisch qualifizierte Leute —, die auf Erfahrungen mit ETs aus sind.“
„Ich bin zwar nicht Prilicla“, sagte Mannon lachend, „aber selbst ich spüre, daß Sie offene Türen einrennen. Mögen Sie lauwarmes Steak, Conway?“
Mehrere Minuten lang konzentrierten sie sich auf das Essen, damit die kühle Brise, die Priliclas Flügel erzeugten — er zog es vor, während der Mahlzeiten zu schweben, und behauptete, das fördere die Verdauung —, mit Ausnahme der Eiscreme wenigstens nicht alles ruinierten.
„Beim Treffen haben Sie weitere, weniger dringende Probleme erwähnt“, sagte Edwards plötzlich. „Ich nehme an, eins davon war das Rekrutieren einiger dickhäutiger Wesen wie Garoth hier. Ich scheue mich direkt, nach den anderen Problemen zu fragen.“
Conway antwortete: „Wir werden während dieser großangelegten medizinischen Untersuchung vor Ort fachlichen Rat benötigen. Das heißt, wir brauchen Ärzte, Schwestern und medizinische Techniker, die Erfahrung in der Bearbeitung und Analyse von Proben der verschiedensten Spezies haben. Ich werde Thornnastor überreden müssen, mir einen Teil seines Pathologiepersonals zur Verfügung zu stellen.“