„Haben Sie es mit dem gedankengesteuerten Werkzeug probiert?“
„Das war die erste, zweite und achtundzwanzigste Sache, die wir ausprobiert haben“, entgegnete O’Mara griesgrämig. „Prilicla hatte dabei jedesmal ein ganz leicht gesteigertes Interesse wahrgenommen, das, wie er sagte, dem Erkennen eines vertrauten Gegenstands entsprach. Aber der Dramboner hat keinen Versuch unternommen, das Gerät zu steuern oder anderweitig zu benutzen. Ich hab ja schon gesagt, daß Sie uns ein ganz schönes Problem aufgehalst haben. Vielleicht wäre es für Sie die einfachste Lösung, uns noch so eins aufzuhalsen.“
Der Chefpsychologe hatte fast die gleiche Abneigung dagegen, unnötige Erklärungen geben zu müssen, wie gegen Leute, die schwer von Begriff waren. Deshalb dachte Conway einen Augenblick nach, bevor er fragte: „Sie möchten also, daß ich noch einen weiteren drambonischen Arzt herbringe, damit Sie, wenn sich die beiden treffen, das Gespräch beobachten und belauschen können, um deren Verständigung auf dem Translator zu reproduzieren, richtig?“ „Ja, Doktor“, bestätigte O’Mara, „und zwar schnell, bevor Ihr Chefpsychologe einen Psychiater braucht. Ende.“
Nach seiner Rückkehr auf den Planeten Drambo war es Conway nicht sofort möglich, einen weiteren blutegelartigen SRJH ausfindig zu machen, zu entführen oder auf andere Art und Weise an Bord eines Schiffes zu schaffen. Er mußte sich um eine Gruppe von ETs kümmern, die vielschichtiger Nahrungs-, Atmosphäre- und Gravitationserfordernisse bedurften. Und obwohl alle drei Lebensformen ohne allzu große Schwierigkeiten im drambonischen Ozean existieren konnten, mußten ihre Unterkünfte auf der Descartes doch etwas von dem Komfort von zu Hause haben.
Darüber hinaus mußte man sie ein wenig über den Umfang des medizinischen Problems unterrichten, zu dessen gemeinsamer Lösung man sie gebeten hatte; und das war mit vielen Hubschrauberflügen über die Schichtkreaturen verbunden. Conway zeigte ihnen die großen Flächen des lebenden „Lands“, das von den kleinen, tief verwurzelten Pflanzen bedeckt war, die vielleicht als Augen der Schichttiere dienten — vielleicht aber auch nicht. Die Blätter rollten sich fest zusammen, um ihre helle Unterseite zum Vorschein zu bringen, als der Hubschrauber über sie hinwegflog, und entfalteten sich ein paar Sekunden später wieder, nachdem er sich entfernt hatte. Es war, als wenn der Hubschrauberschatten ein hochbeständiger gelber Punkt auf einem hellgrünen Radarschirm wäre. Conway zeigte den anderen auch die Küstenstriche, an denen es viel dramatischer zuging.
Hier rissen sich große und kleine Meeresraubtiere gegenseitig und zerrten an dem lebenden „Küstenstreifen“, der zu den riesigen Landtieren gehörte, und schlugen dabei das dickflüssige Meerwasser zu gelbgrünem Schaum auf, der mit roten Flecken und Streifen durchzogen war. In solch einem Gebiet wie diesem, wo Conway das Schutzbedürfnis des Schichttiers für am größten gehalten hatte, war er damals auf die blutegelartigen SRJHs gestoßen. Und hier mußte er, sobald er die Zeit dazu hatte, nach einem weiteren suchen.
Dieses Mal würde er jedoch eine Menge bereitwilliger und fachlich kompetenter Helfer an seiner Seite haben.
Jeden Tag traf eine Mitteilung von O’Mara ein, die sich von der vorherigen nur durch die zwischen den Zeilen offensichtlich werdende zunehmende Ungeduld unterschied. Prilicla und der Chefpsychologe hatten mit dem drambonischen Arzt keinen Erfolg und waren zu dem Schluß gekommen, daß er eine der exotischen visuell-sensorischen Sprachen benutzte, die ohne einen ausführlichen Sicht- und Tastwortschatz praktisch unmöglich wiederzugeben war.
Die erste Expedition zur Küste hatte eher den Charakter einer Übung — zumindest fing sie so an. Camsaug und Surreshun übernahmen die Führung und rollten wackelnd wie ein Paar großer organischer Doughnuts über den unebenen Meeresboden. Sie wurden von zwei krabbenähnlichen Melfanern flankiert, die ohne die geringste Schwierigkeit in der Lage waren, doppelt so schnell zu krabbeln wie die Dramboner rollen konnten. Über ihnen schwamm schwerfällig ein zwölf Meter langer und mit Tentakeln versehener Chalder, bereit, hiesige Raubtiere mit seinen Zähnen, Klauen und seiner knöchernen Riesenkeule von einem Schwanz abzuwehren — obwohl nach Conways Meinung ein Blick aus seinen vier ausstreckbaren Augen genügt hätte, um alles abzuwehren, was auch nur ein Fünkchen Überlebenswillen hatte.
Conway, Edwards und Garoth fuhren in einem amphibienartigen Bodenfahrzeug des Korps, das sich nicht nur jeder vorstellbaren topographischen Beschaffenheit anpassen konnte, sondern auch die Fähigkeit besaß, eine begrenzte Zeitlang in der Luft zu schweben. Sie hielten sich gerade so weit hinten, daß sie alle anderen noch im Auge behielten.
Sie wurden zu einem toten Teil der Küste geführt, einem breiten Streifen des Schichttiers, das von Surreshuns Volk getötet worden war, um sich mehr geschützten Raum zum Rollen zu schaffen. Diese „Heldentat“ hatten sie bewerkstelligt, indem sie eine Reihe sehr schmutziger Atombomben fünfzehn Kilometer weit landeinwärts abgeworfen hatten. Danach brauchten sie nur noch abzuwarten, bis der lebende Küstenstreifen aufhörte zu töten, zu fressen und zu trinken, und die Raubtiere das Interesse an dem toten Fleisch verloren und verschwanden.
Der atomare Fallout scherte die rollenden Dramboner nicht, weil der vorherrschende Wind landeinwärts blies. Aber Conway hatte absichtlich diese Stelle ausgesucht, die nur wenige Kilometer von einem Küstenstück entfernt lag, das noch immer äußerst lebendig war, damit sich ihre erste Untersuchung mit ein wenig Glück zu etwas mehr als nur einer Autopsie entwickelte.
Mit dem Rückzug der Raubtiere hatte das pflanzliche Leben des Meeres Einzug gehalten. Auf dem Planeten verlief die Trennungslinie zwischen pflanzlichem und tierischem Leben selten scharf, und sämtliche Tiere waren Allesfresser. Das Untersuchungsteam mußte fast einen Kilometer an der Küste entlangfahren, bevor es ein Maul fand, das weder zu fest geschlossen noch zu stark überwuchert war, um das Hineinfahren zu ermöglichen. Doch die Zeit war nicht vergeudet, weil Camsaug und Surreshun so auf große Mengen gefährlicher Pflanzen aufmerksam machen konnten, denen selbst die schwer gepanzerten ETs in Zukunft lieber aus dem Weg gehen sollten.
Extraterrestrische Medizin zu praktizieren wurde enorm durch die Tatsache vereinfacht, daß die Krankheiten und Infektionen einer Spezies nicht auf eine andere übertragbar waren. Das bedeutete jedoch nicht, daß Gifte und andere von extraterrestrischen Tieren und Pflanzen abgesonderte toxische Substanzen nicht töten konnten — und auf dem drambonischen Meeresboden war die Vegetation besonders heimtückisch. Mehrere Arten waren von giftigen Dornen übersät, und eine weitere verhielt sich so, als ob sie die Wahnvorstellung hätte, eine pflanzliche Krake zu sein.
Das erste brauchbare Maul sah wie eine gigantische Höhle aus. Als der Trupp den rollenden Drambonern hineinfolgte, zeigten die Scheinwerfer des Fahrzeugs blasse Pflanzen, die sich, so weit das Auge reichte, schlängelnd hin- und herbewegten. Surreshun und Camsaug rollten in unsicheren Achten über den dichtbewachsenen Boden und entschuldigten sich dafür, daß sie die anderen nicht noch weiter in die Höhle begleiten könnten, ohne Gefahr zu laufen, zum Stillstand gebracht zu werden.
„Das verstehen wir“, sagte Conway, „und wir danken Ihnen.“
Als sie tiefer in das gigantische Maul eindrangen, wurde die Vegetation allmählich spärlich und blasser; dadurch kamen große Gewebeflächen der Kreatur zum Vorschein. Das Gewebe selbst sah grobkörnig, faserig und eher nach pflanzlicher als nach tierischer Substanz aus, selbst wenn man die Tatsache berücksichtigte, daß die Kreatur schon vor mehreren Jahren gestorben war. Plötzlich fiel die Höhlendecke flach ab, und die Frontleuchten zeigten die erste ernsthafte Barriere: ein Gewirr von langen hauerähnlichen Zähnen, die so dick waren, daß sie wie der Rand eines versteinerten Walds aussahen.